04.02.2014FDPSteuern

KUBICKI-Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Steuerhinterziehung ist eine Straftat. So weit, so richtig. Unter bestimmten Bedingungen kann jedoch ein reuiger Sünder, dessen Tat bisher nicht bekannt wurde, durch eine Selbstanzeige und die fristgerechte Nachzahlung der Steuern sowie der darauf entfallenden Zinsen und ggf. eines Strafzuschlages erreichen, dass die Straftat nicht weiter verfolgt wird.

In dem einschlägigen Paragraphen 370 Absatz 1 der Abgabenordnung heißt es: „Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft.“

Dann und nur dann entfaltet die Selbstanzeige ihre „strafbefreiende“ Wirkung. Die Rechtsprechung hat dies sogar dahingehend verschärft, dass das Prinzip des „reinen Tisches“ gilt, das heißt, alle bisher den Finanzbehörden nicht offenbarten Sachverhalte müssen erklärt werden. Eine Teiloffenlegung oder eine irrtümlich falsch abgegebene Selbstanzeige sind unwirksam und ziehen zwangsläufig ein Strafverfahren nach sich.

Deshalb verbietet es sich, Selbstanzeigen überhastet und ohne professionelle Hilfe zu erstatten. Auch fahrlässige Fehler von Beratern, der Fall Uli Hoeneß lässt grüßen, werden dem Steuerpflichtigen zugerechnet.

Dass die korrekt abgegebene Selbstanzeige von Alice Schwarzer, deren Steuerschulden mittlerweile beglichen sind, enthüllt wurde, ist unerhört. Es rüttelt an den Grundfesten unseres Rechtsstaates. Alice Schwarzer ist eine Person des öffentlichen Lebens. Dies rechtfertigt aber nicht eine vollkommene Offenlegung ihres privaten Bereichs.

Dabei ist es weniger die Veröffentlichung, die Sorge bereiten muss, sondern der Verdacht, dass Mitarbeiter der Finanzbehörden ihr ihnen von Rechts wegen aufgegebenes Schweigen gegenüber Medienvertretern gebrochen und sich diesen möglicherweise sogar angedient haben. Infrage steht auch die Verantwortungsethik der Medien.

Der Spiegel hat zwar, solange er die Informationen nur zugespielt bekommt, das Recht, diese auch zu veröffentlichen. Aber aus dem Recht leitet sich noch lange keine Pflicht ab. Wenn es stimmt, was die Süddeutsche Zeitung schreibt, dann wurden die Informationen in den vergangenen Wochen bereits mehreren Zeitungen und Magazinen angeboten und diese haben von einer Veröffentlichung ausdrücklich abgesehen.

Was ich mit Nachdruck bedauere ist die Tatsache, dass mit der Berichterstattung im Falle der Selbstanzeige von Alice Schwarzer das Vertrauen in die Integrität der Finanzbehörden nachhaltig Schaden nimmt. Selbstanzeigen werden unterbleiben, wenn die Steuersünder befürchten müssen, dass sie der Öffentlichkeit bekannt werden. Aus der Praxis weiß ich, dass die betroffenen Menschen weniger den Verlust des Geldes fürchten, als die Öffentlichkeit im Rahmen des Besteuerungs- oder Steuerstrafverfahrens. Denn dies führt, wie wir auch am Fall Schwarzer sehen, zum Verlust ihrer Reputation und ihres sozialen Ansehens.

Wenn Menschen künftig befürchten müssen, dass ihre Selbstanzeigen nicht mehr diskret und anonym behandelt werden, dann werden sie von einer Offenbarung gegenüber den Finanzbehörden Abstand nehmen. Wer Angst haben muss, durch eine Selbstanzeige an den Pranger gestellt zu werden, wird sie einfach nicht mehr erstatten.

Sogar die Deutsche Steuergewerkschaft, die sich in der jüngeren Vergangenheit für die Abschaffung des Instruments der Selbstanzeige ausgesprochen hat, hält die Enthüllung des Steuerfalls Alice Schwarzer für fatal. „Dieses Signal, das durchgestochen wird, wird viele abhalten, künftig eine Selbstanzeige zu erstatten“, sagte deren Vorsitzender Thomas Eigenthaler am Montagmorgen im Fernsehen. Der Fall eigne sich nicht zum Moralisieren. Gegenüber „Handelsblatt Online“ erklärte er: „Wenn das deutsche Recht die Möglichkeit der Selbstanzeige gibt, dann muss man das akzeptieren.“

Daran sollten wir nicht nur aus moralischen oder rechtlichen Gründen ein Interesse haben, sondern auch aus fiskalischen. Nach einem Bericht des Handelsblattes vom 14. Januar dieses Jahres sind zwischen 2010 und 2013 64.847 (!) Selbstanzeigen in den Finanzbehörden bundesweit eingegangen. Milliarden Euro Steuernachzahlungen und laufende Einnahmen aus der Abgeltungssteuer wurden und werden dadurch erzielt. Diese Quellen würden sofort versiegen, wenn die verbliebenen Steuersünder den Eindruck bekommen würden, sie würden morgen Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung. Die Finanzbehörden können noch so viele Steuer-CDs von dubiosen Hehlern aufkaufen, mehr als 90 Prozent der Selbstanzeigen waren von diesen Informationen überhaupt nicht erfasst.

Vor dem Gesetz sind alle gleich. Es darf keinen Unterschied machen, ob man prominent ist oder nicht. Bedauerlicherweise verstärkt sich der Eindruck, dass Prominente intensiver verfolgt werden, insbesondere neben rechtlichen auch moralische Kategorien an sie angelegt werden, die zu unvertretbaren Ergebnissen führen können.

Recht schützt auch Täter vor Willkür. Justitia ist blind und gerecht, nicht einäugig und parteiisch. Alice Schwarzer ist zu bedauern, nicht, weil sie zur Steuerstraftäterin wurde, sondern weil sie ihre eigene moralische Messlatte, die sie gern auch an andere angelegt hat, unterlaufen hat und dafür jetzt öffentlich büßen muss. Sie ist nicht nur Opfer und sie wäre gut beraten, nicht durch untaugliche Rechtfertigungsversuche diese Rolle begründen zu wollen.

 

 

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