15.01.2014FDPBürgerrechte

KUBICKI-Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Als Präsident George Bush senior im Mai 1989 seine Vorstellungen über die transatlantische Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland in Mainz verkündete, war Bonn von Washington als gleichberechtigter Partner geschätzt und geachtet. Seine Rede über „Partners in Leadership“, in der Bush beiden Staaten die Nato-Führungsrolle zugesprochen hatte, gilt noch immer als einer der Höhepunkte der deutsch-amerikanischen Freundschaft.

Seitdem ist viel passiert: Zusammenbruch des Ostblocks und in dessen Folge die Entstehung einer neuen Weltordnung, eine Abkühlung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses unter Schröder und Bush junior sowie der „11. September“, der vor allem im US-amerikanischen Selbstverständnis und Selbstbewusstsein erhebliche Spuren hinterlassen hat.

Vor wenigen Monaten haben wir durch die Snowden-Aufdeckungen erfahren, dass eine dieser Spuren sogar bis zum Kanzlerinnenhandy geführt hat. „Terrorabwehr“ lautete die allgemeine Begründung, warum ausgerechnet Frau Merkels Telekommunikationsverhalten in den Fokus der NSA geraten ist.

Die Frage wurde vielfach gestellt und von der US-amerikanischen Administration nie richtig beantwortet: Was unterscheidet eigentlich die deutsche Bundeskanzlerin von einem Al-Kaida-TOP-Terroristen, wenn derartige Maßnahmen angewendet werden, um den Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten Genüge zu tun?

Frau Merkels – zumindest empört klingende – Einlassung „Das geht gar nicht“ hat in diesem Zusammenhang ganz offensichtlich wenig Eindruck auf den überseeischen Partner gemacht. Das sogenannte „No-Spy-Abkommen“, von dem sich Berlin von Washington klare Zusagen zur Unterlassung von künftigen Ausspähaktionen gegenüber politischen Amtsträgern oder Wirtschaftsunternehmen erhofft hatte, droht jetzt aller Voraussicht nach zu scheitern.

Die deutsche Verhandlungsseite hat Recht: Wenn es nicht gelingt, sich mit dem amerikanischen Partner auf einen substanziellen Kontrakt zu einigen, dann ist ein Abkommen grundsätzlich sinnlos – im Zweifel sogar kontraproduktiv. Denn im Falle eines solchen Abschlusses würde die deutsche Seite auch offiziell zumindest hinnehmen, dass NSA-Spionage in Bereichen, die man gemeinsam nicht ausgeschlossen hat, weiter betrieben werden kann.

Abgesehen von den hochsensiblen politischen Informationen, die bei der „Terrorabwehr“ ganz nebenbei bei dem Kanzlerinnenhandy auch aufgefangen werden, bleibt ein weiteres Problem in der NSA-Affäre ebenso unbeantwortet: Aus welchem Grund müssen sämtliche Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik damit rechnen, dass ihre Daten ebenfalls für die Sicherheit der USA von Relevanz sind?

Die Experten-Kommission, die US-Präsident Obama zum weiteren innenpolitischen Umgang mit der NSA einberufen hat, brachte zum Teil sehr interessante Begründungen zutage, warum auch weiterhin die breit angelegte Schnüffelpraxis notwendig sei. So wird jetzt der ehemalige CIA-Vizechef, Michael Morell, zitiert, dass das Sammeln von Abermilliarden Daten nur ein einziges Mal erfolgreich sein müsse, um sich selbst zu rechtfertigen. Das Problem dabei ist nur: Bislang waren die aus den vielzähligen Telefon-Metadaten gesammelten Informationen „nicht entscheidend, um Anschläge zu verhindern“ – so heißt es zumindest im jetzt vorgelegten Bericht der Obama-Experten.

Es ist so einfach wie perfide: Die Angst vor einer abstrakten Gefahr wird politisch instrumentalisiert, um konkrete Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Millionen von Menschen zu rechtfertigen. Es könnte schließlich sein, dass diese Praxis zur Verhinderung eines einzigen Terrorakts in der Menschheitsgeschichte – das ist diejenige Menschheitsgeschichte übrigens, die noch vor uns liegt – entscheidend sein wird. Kann aber auch nicht sein.

Angst war nie ein guter Humus für die Bildung von gegenseitigem Vertrauen. Wenn die US-amerikanische Regierung der Auffassung ist, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis weiterhin von Vertrauen geprägt sein soll, dann muss sie sich anders verhalten als bislang. Freundschaft ist nie eine Einbahnstraße – das gilt zwischen Staaten genauso wie zwischen Menschen. Wer heimlich die SMS seines Freundes liest, um sich über dessen Leben zu erkundigen, wird sich kaum damit rechtfertigen können, diese Informationen dienten der eigenen Sicherheit – man könne aber trotz alledem gut miteinander befreundet sein. Jeder vernünftige Mensch würde seinem Freund jetzt antworten: „Entweder Du machst das kein weiteres Mal, oder unser bisheriges Verhältnis stellt sich auf eine neue Grundlage.“

Mit anderen Worten: Der Hintergangene droht mit Sanktionen. Das sollte für Staaten genauso wie für Menschen gelten. Vor diesem Hintergrund ist es für die Bundesregierung auch im Sinne der Selbstachtung der Bundesrepublik unerlässlich, klare Linien gegenüber den USA zu ziehen.

Das heißt, wenn Washington nicht zu einer eindeutigen und tragfähigen No-Spy-Vereinbarung zu bewegen ist, dann muss Berlin den notwendigen Druck aufbauen, um dieses Ziel zu erreichen. Nachverhandlungen über das Swift- oder das Safe-Harbour-Abkommen wären angemessene Mittel, ebenso wie entsprechender politischer Druck in den aktuellen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen. Zudem sollte die Bundesregierung darauf drängen, dass Europa technisch aufrüstet und sich gegen die Amerikaner wehrt, so wie es bereits beim Flugzeugbau gelungen ist.

Wer im Zweifel keine Karte mehr ziehen kann, um seine Interessen durchzusetzen, ist schwach. Der ehemalige „Partner in Leadership“ sollte sich nicht in diese Ecke drängen lassen.

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