05.01.2014FDPBürgerrechte

KUBICKI-Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Das diesjährige Treffen der Liberalen zu Dreikönig steht unter einem besonderen Stern. Erstmals in ihrer Geschichte gibt es keine parlamentarische Vertretung auf nationaler Ebene. In Stuttgart wird die Zahl der Staatskarossen übersichtlich sein.

Und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wird weniger darauf gerichtet sein, welche politischen Handlungslinien die führenden Repräsentanten der einstmals stolzen FDP aufzeigen, sondern eher darauf, ob diese Partei noch lebt, wie viel Kraft noch in ihr steckt.

Die Herausforderung von Stuttgart wird darin bestehen, nicht nur die Erinnerung zu wecken an historische Situationen in Deutschland und Europa, die ohne die Mitwirkung der Liberalen hätten schlecht ausgehen können, sondern deutlich zu machen, was ohne die liberale Idee und Liberale Persönlichkeiten im Deutschen Bundestag und in der Regierung an Lebensgestaltungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen fehlt.

Die das Land beherrschenden Parteien der Großen Koalition vermitteln den Eindruck, es sei eine noble Geste, den Menschen ein gewisses Maß an Privatheit zu belassen oder ihnen zumindest dieses Gefühl zu vermitteln.

Die Idee eines Supergrundrechts auf Sicherheit der CSU korrespondiert hierbei in erschreckender Weise mit dem Irrglauben der Sozialdemokraten, das „wir“, das Kollektiv, der Staat habe nun mal die besseren Einsichten.

Wo bleibt die Verteidigung der Privatsphäre gegen offene oder heimliche Angriffe von Gegnern und „Verbündeten“, die sich doch letztendlich als falsche Freunde herausgestellt haben. Verstummt sind die vollmundigen Erklärungen der Sozialdemokraten, man werde mit den Amerikanern Tacheles reden, sei man erst in Regierungsverantwortung.

Statt technisch aufzurüsten, statt sich mit allen Mitteln zu wehren und auf europäischer Ebene auch über Sanktionen nachzudenken, die so leicht gegenüber weniger mächtigen Staaten ins Werk gesetzt werden, will man lieber dazugehören zum Club der big five.

Wo bleibt die Weiterentwicklung der europäischen Idee? Alle Sachkundigen wissen doch, dass Deutschland nur im europäischen Kontext stark bleiben und seinen Wohlstand erhalten und ausbauen kann. Statt für den Weg in die Vereinigten Staaten von Europa zu werben und die Bedingungen dafür zu schaffen, erleben wir Kleinmut, Ängstlichkeit und Renationalisierung, als hätten wir aus unserer Geschichte nichts gelernt. Die Lebensperspektiven unserer Kinder werden entscheidend davon abhängen, dass in unserer globalisierten Welt die europäische Einigung gelingt.

Wo bleibt die ökonomische Vernunft? Die Großkoalitionäre überbieten sich in Vorschlägen, wie die Politik, der Staat, in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen kann, nicht, um Wettbewerbsbedingungen zu setzen, sondern um zu entscheiden. Die fälschlicherweise so genannte Mietpreisbremse und der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn, dessen Heraufsetzung um 18 Prozent Verdi bereits vor seiner Einführung von der Politik (!) fordert, sind hierfür beredte Beispiele.

Brauchen wir dann nicht auch einen Mindestumsatz zumindest für kleine und mittlere Betriebe, für Handwerker, Freiberufler und Unternehmensgründer, wenn zugleich das Arbeitsrecht immer unflexibler wird?

Die Große Koalition verkennt, dass niedrige Löhne nicht die Ursache für Altersarmut, geringe Einkommen und eine hohe Unsicherheit sind, sondern nur deren Symptom. Die Gründe dafür liegen in der unzureichenden Qualifizierung. 1,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 25 und 34 haben keine abgeschlossene Berufs- oder Hochschulausbildung. Neun Millionen Erwachsene im erwerbsfähigen Alter können nur auf Grundschulniveau lesen und etwa zehn Millionen nur auf diesem Niveau rechnen. Wenn diese Probleme nicht behoben werden, werden diese Menschen – unabhängig von einem Mindestlohn und dessen Höhe - in einem Kreislauf von niedrigem Einkommen, hoher Unsicherheit und latenter Arbeitslosigkeit gefangen bleiben.

Der Sozialstaat darf nicht nur wie bisher eine reparierende und versorgende Stellung haben, sondern muss künftig vor allem ein vorsorgendes und aktivierendes System sein. Wir dürfen Menschen nicht mit Geld ruhig stellen und sie seitlich parken, sondern wir müssen sie antreiben, damit sie aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen. Liberale Sozialpolitik verläuft nicht nach dem Prinzip „viel hilft viel“, sondern „richtig hilft besser“. Wir wollen den Sozialstaat weiterentwickeln, indem wir neue Anreize setzen. Die Instrumente müssen sicherstellen, dass die Lebenschancen des Einzelnen verbessert, die Selbsthilfe angeregt und die Eigenverantwortung gefördert wird.

Der Weg in den Niedriglohnsektor beginnt heute schon häufig im Kindergartenalter. Wo der Start durch eine mangelnde Ausdrucksfähigkeit und Kommunikation beginnt, da ist der weitere Weg in prekäre Lebensbiographien schon fast vorgezeichnet. Wir müssen deshalb von Anfang an für gleiche Chancen sorgen. Die Schule muss die individuellen Stärken und Schwächen des Einzelnen erkennen und jeden seiner Begabung entsprechend fördern, statt alle über einen Kamm zu scheren.

Die Botschaft von Dreikönig ist: die FDP ist zurück und sie wird nicht zulassen, dass die Große Koalition mit einer falschen Schwerpunktsetzung die Zukunft unseres Landes zu verspielen droht.

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