04.02.2014FDPDatenschutz

KUBICKI-Gastbeitrag für die „Huffington Post“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:

Man muss kein Fan von Alice Schwarzer sein, um festzustellen, dass der Umgang mit ihr die gewünschte Fairness und den gebotenen Anstand vermissen lässt. Frau Schwarzer hat seit den 80er-Jahren Steuern hinterzogen und hat sich diesbezüglich einer Straftat schuldig gemacht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Wer nun behauptet, sie hätte mit der Steuerhinterziehung ihr gesamtes Lebenswerk zerstört, der tut ihr persönlich, erst recht aber der Sache, für die sie sich ein Leben lang eingesetzt hat, unrecht. Ihr unerbittlicher Einsatz für die Gleichberechtigung der Frau, alle die von ihr angestoßenen und mittlerweile vollzogenen gesetzlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Normenveränderungen werden doch nicht dadurch geschmälert, dass sie mit einer Selbstanzeige nun hinterzogene Steuern nachgezahlt hat. Ihr Erreichtes bleibt bestehen, die Ikone „Alice Schwarzer“ mag einen Makel bekommen haben, aber die Gleichberechtigung wird darunter nicht leiden.

Ich habe viele Maßnahmen von Frau Schwarzer nicht gutgeheißen, nicht weil ich mich nicht mit deren höheren Zielen einverstanden erklären konnte, sondern weil ich die von ihr verwendeten Mittel abgelehnt habe. Alice Schwarzer hat in der Vergangenheit gerade bei Prominenten häufig Methoden angewandt, die den Respekt und die Rücksicht vor der Privatsphäre der Betroffenen hat vermissen lassen. Diesen Respekt lassen nun auch viele Politiker ihr gegenüber vermissen.

Prominente SPD-Politiker, an der Speerspitze der sechste stellvertretende Bundesvorsitzende Dr. Ralf Stegner, nutzen den Fall „Alice Schwarzer“, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Dabei ist ihre propagierte Kampagne selbstentlarvend. Sie macht Halt vor den eigenen Genossen. Während Frau Schwarzer die volle Gerechtigkeitsimpertinenz des SPD-Politikers Stegner zu spüren bekommt, wurde der eigene Kulturstaatssekretär aus Berlin, Andre Schmitz, verschwiegen und versteckt. Sogar, dass dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit der Steuerfall seines Kulturstaatssekretärs bekannt war und er ihn weiter im Amt beließ, wurde mit keiner Zeile erwähnt.

Frau Schwarzer bekam von Stegner & Co. dagegen die volle Breitseite des Gerechtigkeitsgeschützes ab. Ein Beispiel gefällig? Stegner twitterte:

„Lese, Frau Schwarzer sieht sich in einer Reihe mit Mutter Theresa und Sophie Scholl! Au weia! Wohl eher in einer Reihe mit Uli Hoeneß&Co.“

Die Twitternachrichten zeigen, dass die SPD ihrem eigenen Gleichheitsanspruch nicht genügt. Sie misst mit zweierlei Maß – mit und ohne SPD-Parteibuch.

Dabei wiegt der Fall Andre Schmitz schwerer. Der hatte nicht wie Frau Schwarzer eigeninitiativ seinen Fall den Steuerbehörden gemeldet, sondern wurde entdeckt. Sein Umgang mit dem Geld erweckte den Eindruck, als wollte er ursprünglich bis zur Verjährung des Straftatdeliktes das Geld unter dem Kopfkissen bewahren. Während Frau Schwarzer sich für ihre gesetzlich korrekte Nachversteuerung rechtfertigen muss, konnte Herr Schwitzer seinen deutlich schwerwiegenderen Fall durch die Zahlung einer Geldauflage und der Nachzahlung der Steuern ad acta legen. So ungerecht kann manchmal das falsche Parteibuch sein.

Einige politische Akteure haben die Berichterstattung über Alice Schwarzer dazu genutzt, wieder alte Forderungen aufzuwärmen. Die Abschaffung der Selbstanzeige ist bei ihnen wieder hoch im Kurs. Dabei gibt es ausschließlich gute Gründe für deren Beibehaltung. Während Straftaten wie Betrug und Untreue für gewöhnlich nach fünf Jahren verjährt sind, ist Steuerhinterziehung in aller Regel ein Dauerdelikt. Wer nicht das Geld in der Matratze oder unter dem Kopfkissen versteckt, dessen Geld generiert Zinsen, Dividenden oder sonstige Erträge, die dauerhaft besteuert werden.

Zehn Jahre sind dabei keine willkürlich gegriffene Zahl, sondern orientieren sich an der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht. Eine Verlängerung dieser Frist hätte zur Folge, dass auch ein Staatsanwalt nicht mehr beweisen kann, dass Steuern hinterzogen wurden. Wie auch, wenn über den Zeitraum keinerlei Dokumente mehr vorliegen. Oder glaubt wirklich jemand, es sei nachzuvollziehen, ob der Urgroßvater 1912 oder der Großvater 1956 alle Einnahmen rechtmäßig versteuert hat?

Zudem muss die Frage beantwortet werden, ob die Alternative, nämlich der dauerhafte Verbleib von Steuerhinterziehern in der Steuerunehrlichkeit der Selbstanzeige tatsächlich vorzuziehen ist. Wenn der Weg der Selbstanzeige künftig versperrt sein sollte, werden nicht nur die reuigen Steuersünder, sondern auch alle anderen Steuerzahler und das Gemeinwohl die Verlierer einer solchen Entscheidung sein.

Die Enthüllung der Selbstanzeige von Frau Schwarzer stellt einen neuen medialen Dammbruch dar. Sie könnte dem Instrument der Selbstanzeige und den daraus für den Staat resultierenden Mehreinnahmen einen Bärendienst erwiesen haben. Seit 2010 haben über 65.000 Menschen das Instrument der Selbstanzeige genutzt und ihr bisher undeklariertes Vermögen wieder der ordentlichen Besteuerung zugeführt. Wer von diesen 65.000 Menschen hätte diesen Schritt gewagt, wenn er hätte befürchten müssen, dass seine Selbstanzeige öffentlich wird. Eine Veröffentlichung und das sich daraus ableitende Stigmatisierungspotenzial lässt die Menschen vor einer Selbstanzeige und deren Folgen zurückschrecken. Denn ohne Anonymität und Diskretion wird die Selbstanzeige zu einem Pranger.

Selbstanzeige ist kein billiger Ablasshandel, so wie es einige Sozialdemokraten uns gerne glauben lassen. Selbstanzeige ist der Verzicht des Staates auf die Verfolgung einer Straftat unter bestimmten Bedingungen. Der Schuldige muss seine dem Staat unbekannte Straftat von sich aus vollumfänglich offenlegen, seine Steuern plus Zinsen sowie ggf. einen zusätzlichen Aufschlag nachzahlen. Bei einer Selbstanzeige kommt niemand billig davon, das kann ich aus meiner Tätigkeit als Anwalt sagen. Am preiswertesten verfährt immer noch der, der seine Steuern pünktlich und vollständig begleicht.

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