FDPDas aktuelle InterviewKonkrete Entlastung statt Verzögerungstaktik
Christian Lindner rügt die Steuerpolitik der Bundesregierung09.06.2016Eine gerechte Steuerpolitik sieht anders aus: Im Interview mit der "Neuen Westfälischen" hat FDP-Chef Christian Lindner scharfe Kritik am Festhalten der Bundesregierung an kalter Progression und Soli geübt. "2019 muss der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Zudem kann es nicht so bleiben, dass die Beschäftigten von den guten Tarifabschlüssen überproportional viel beim Fiskus abgeben müssen", verdeutlichte er. Die Ankündigung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), eine Steuerentlastung sei für 2018 vorgesehen, sei nur ein Täuschungsversuch. "Statt Deutschland langfristig auf Wettbewerbsfähigkeit zu bringen, nutzt er die Enteignung der Arbeitnehmer über niedrigen Zins und kalte Progression, um seinen Haushalt zu finanzieren", monierte Lindner.
Der Freidemokrat hob hervor, dass die gute finanzielle Lage Deutschlands in der Gegenwart kein Versprechen für die Zukunft sei. Vielmehr sieht er dringend Handlungsbedarf, wenn das Wohlstandsniveau nicht absinken soll. "80.000 junge Menschen, die jedes Jahr die Schulen ohne Abschluss verlassen, geringste Zinsen für Altersvorsorge, höchste Steuern und Abgaben für die Mittelschicht, aber dennoch viel zu geringe Investitionen in Straßen und Glasfaser", zählte Lindner auf. Die FDP wolle hier einen Prioritätenwechsel herbeiführen, "der Bürokratie und Umverteilung durch Wirtschaftskraft und Bildung ersetzt", erklärte er.
Deutschland braucht einen Mutmacher
Mit Blick auf die Diskussion um einen Nachfolger für Bundespräsident Joachim Gauck sagte Lindner, er wünsche sich für das Amt eine Stimme, die die Liberalität der Bundesrepublik verteidige. "Angesichts von Ängstlichkeit und Besitzstandswahrung brauchen wir einen Mutmacher, der Lust auf Gestaltung von Aufgaben wie der Digitalisierung macht", forderte er. Darüber hinaus brauche es eine Renaissance der Werte, die das Land stark gemacht hätten. "Grundgesetz, soziale Marktwirtschaft und unsere offene Gesellschaft haben sich historisch und international bewährt. In welcher anderen Epoche unseres Landes oder in welcher anderen Gesellschaft möchte man denn sonst leben, wenn nicht hier und jetzt?"
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Lindner, Bundespräsident Joachim Gauck hat angekündigt, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Wer sollte ihm nachfolgen?
Wir warten ab, wer kandidiert. Dann sehen wir, für welche Botschaft die Persönlichkeiten stehen. Unsere Unterstützung ist frei von jeder Koalitionsüberlegung, aber wir haben eine politische Erwartung. Ich wünsche mir für das Amt eine Stimme, die die Liberalität unseres Landes verteidigt - zumal Ressentiments derzeit wieder salonfähig werden. Angesichts von Ängstlichkeit und Besitzstandswahrung brauchen wir einen Mutmacher, der Lust auf Gestaltung von Aufgaben wie der Digitalisierung macht.
Wie finden Sie die derzeit gehandelten Kandidaten?
Norbert Lammert und Frank-Walter Steinmeier könnten dieses Amt ausfüllen. Die zuerst Genannten werden es aber meist nicht. Es kann am Ende auch ein Quereinsteiger werden.
Inwiefern sollte der- oder diejenige wieder Begeisterung für unsere Demokratie auslösen?
Grundgesetz, soziale Marktwirtschaft und unsere offene Gesellschaft haben sich historisch und international bewährt. In welcher anderen Epoche unseres Landes oder in welcher anderen Gesellschaft möchte man denn sonst leben, wenn nicht hier und jetzt? Was wir brauchen, ist eine Renaissance der Werte, die dieses Land stark gemacht haben.
Tolles Urteil für eine Oppositionspartei, die nicht im Bundestag sitzt. Niedrigste Arbeitslosigkeit, passables Wirtschaftswachstum - was haben Sie eigentlich zu kritisieren?
Die gute Gegenwart ist kein Versprechen für die Zukunft. 80.000 junge Menschen, die jedes Jahr die Schulen ohne Abschluss verlassen, geringste Zinsen für Altersvorsorge, höchste Steuern und Abgaben für die Mittelschicht, aber dennoch viel zu geringe Investitionen in Straßen und Glasfaser.
Und wie wollen Sie da den Unterschied machen?
Mit einem Prioritätenwechsel, der Bürokratie und Umverteilung durch Wirtschaftskraft und Bildung ersetzt. In NRW wollen wir daher die rot-grüne Politik beenden. Das Bündnis wird bei der Landtagswahl keine Mehrheit mehr haben. Und wer sagt, Hannelore Kraft werde in NRW aufholen wie Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, der vergisst, dass Frau Dreyer ihre rot-grüne Mehrheit verloren hat. Genau wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg.
Wie geht es also in NRW aus?
Es wird eine schwierige Regierungsbildung anstehen. Spannend wird, wie groß der Amtsbonus der Ministerpräsidentin Kraft gegenüber der Bundes-SPD noch ist. Ich glaube, die FDP kommt leichter über 8 Prozent als die SPD über 30.
Kehrt die FDP denn wieder als Steuersenkungspartei zurück?
Selbstverständlich wird die FDP zur Bundestagswahl im nächsten Jahr ein steuerpolitisches Konzept vorlegen. 2019 muss der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Zudem kann es nicht so bleiben, dass die Beschäftigten von den guten Tarifabschlüssen überproportional viel beim Fiskus abgeben müssen.
Ihre Partei verortet sich traditionell als eine Kraft der Mitte. Was sagen Sie denjenigen, die in der Mitte nur noch Vertreter einer alternativlosen Konsenspolitik vermuten?
Ich habe das Wort alternativlos nie gebraucht. Auch in der Eurokrise gab es eine Alternative: Statt Hilfen gegen Reformzusagen hätte man die Kernschmelze der Währungsunion und den Zerfall des europäischen Einigungsprozesses riskieren können. Der Lauf der Dinge hat gezeigt, dass wir damals richtig gelegen haben. Umso mehr ärgert mich, dass die Bundesregierung diese Politik geändert hat. Seit dem dritten Hilfspaket für Griechenland spielen Reformfortschritte keine Rolle mehr, das Geld wird einfach so überwiesen.
Ihre Partei hat sich in der Regierungsverantwortung im Bund nur selten gegen die CDU durchgesetzt. Warum war das eigentlich so?
Mit jedem Tag großer Koalition bin ich mit unserer Bilanz versöhnter. Aber in der Tat haben wir geschwiegen, als Wolfgang Schäuble jede Steuerentlastung verhindert und Vereinfachungen blockiert hat. Jetzt kündigt er eine Steuerentlastung für 2018 an - so wie das CDU und CSU bereits 2009 und 2013 in Aussicht gestellt haben, ohne dass etwas passiert ist. Sein gerauntes Entlastungsversprechen ist ein Täuschungsversuch. Statt Deutschland langfristig auf Wettbewerbsfähigkeit zu bringen, nutzt er die Enteignung der Arbeitnehmer über niedrigen Zins und kalte Progression, um seinen Haushalt zu finanzieren.
Was sollte eine politische Mehrheit aus drei Parteien leisten?
Ich spekuliere nicht über Koalitionen. Jede neue Regierung muss die Grundlagen für Wohlstand und individuellen Aufstieg in den Blick nehmen. Sie muss die großen Fragen - Digitalisierung, Alterung der Gesellschaft, Globalität - gestalten. Und dabei europäisch denken.
Wir danken Ihnen für das Gespräch. Nun haben wir gar nicht über die AfD gesprochen...
Heute ist AfD-freier Tag.
Konkrete Entlastung statt Verzögerungstaktik
Christian Lindner rügt die Steuerpolitik der BundesregierungEine gerechte Steuerpolitik sieht anders aus: Im Interview mit der "Neuen Westfälischen" hat FDP-Chef Christian Lindner scharfe Kritik am Festhalten der Bundesregierung an kalter Progression und Soli geübt. "2019 muss der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Zudem kann es nicht so bleiben, dass die Beschäftigten von den guten Tarifabschlüssen überproportional viel beim Fiskus abgeben müssen", verdeutlichte er. Die Ankündigung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), eine Steuerentlastung sei für 2018 vorgesehen, sei nur ein Täuschungsversuch. "Statt Deutschland langfristig auf Wettbewerbsfähigkeit zu bringen, nutzt er die Enteignung der Arbeitnehmer über niedrigen Zins und kalte Progression, um seinen Haushalt zu finanzieren", monierte Lindner.
Der Freidemokrat hob hervor, dass die gute finanzielle Lage Deutschlands in der Gegenwart kein Versprechen für die Zukunft sei. Vielmehr sieht er dringend Handlungsbedarf, wenn das Wohlstandsniveau nicht absinken soll. "80.000 junge Menschen, die jedes Jahr die Schulen ohne Abschluss verlassen, geringste Zinsen für Altersvorsorge, höchste Steuern und Abgaben für die Mittelschicht, aber dennoch viel zu geringe Investitionen in Straßen und Glasfaser", zählte Lindner auf. Die FDP wolle hier einen Prioritätenwechsel herbeiführen, "der Bürokratie und Umverteilung durch Wirtschaftskraft und Bildung ersetzt", erklärte er.
Deutschland braucht einen Mutmacher
Mit Blick auf die Diskussion um einen Nachfolger für Bundespräsident Joachim Gauck sagte Lindner, er wünsche sich für das Amt eine Stimme, die die Liberalität der Bundesrepublik verteidige. "Angesichts von Ängstlichkeit und Besitzstandswahrung brauchen wir einen Mutmacher, der Lust auf Gestaltung von Aufgaben wie der Digitalisierung macht", forderte er. Darüber hinaus brauche es eine Renaissance der Werte, die das Land stark gemacht hätten. "Grundgesetz, soziale Marktwirtschaft und unsere offene Gesellschaft haben sich historisch und international bewährt. In welcher anderen Epoche unseres Landes oder in welcher anderen Gesellschaft möchte man denn sonst leben, wenn nicht hier und jetzt?"
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Lindner, Bundespräsident Joachim Gauck hat angekündigt, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Wer sollte ihm nachfolgen?
Wir warten ab, wer kandidiert. Dann sehen wir, für welche Botschaft die Persönlichkeiten stehen. Unsere Unterstützung ist frei von jeder Koalitionsüberlegung, aber wir haben eine politische Erwartung. Ich wünsche mir für das Amt eine Stimme, die die Liberalität unseres Landes verteidigt - zumal Ressentiments derzeit wieder salonfähig werden. Angesichts von Ängstlichkeit und Besitzstandswahrung brauchen wir einen Mutmacher, der Lust auf Gestaltung von Aufgaben wie der Digitalisierung macht.
Wie finden Sie die derzeit gehandelten Kandidaten?
Norbert Lammert und Frank-Walter Steinmeier könnten dieses Amt ausfüllen. Die zuerst Genannten werden es aber meist nicht. Es kann am Ende auch ein Quereinsteiger werden.
Inwiefern sollte der- oder diejenige wieder Begeisterung für unsere Demokratie auslösen?
Grundgesetz, soziale Marktwirtschaft und unsere offene Gesellschaft haben sich historisch und international bewährt. In welcher anderen Epoche unseres Landes oder in welcher anderen Gesellschaft möchte man denn sonst leben, wenn nicht hier und jetzt? Was wir brauchen, ist eine Renaissance der Werte, die dieses Land stark gemacht haben.
Tolles Urteil für eine Oppositionspartei, die nicht im Bundestag sitzt. Niedrigste Arbeitslosigkeit, passables Wirtschaftswachstum - was haben Sie eigentlich zu kritisieren?
Die gute Gegenwart ist kein Versprechen für die Zukunft. 80.000 junge Menschen, die jedes Jahr die Schulen ohne Abschluss verlassen, geringste Zinsen für Altersvorsorge, höchste Steuern und Abgaben für die Mittelschicht, aber dennoch viel zu geringe Investitionen in Straßen und Glasfaser.
Und wie wollen Sie da den Unterschied machen?
Mit einem Prioritätenwechsel, der Bürokratie und Umverteilung durch Wirtschaftskraft und Bildung ersetzt. In NRW wollen wir daher die rot-grüne Politik beenden. Das Bündnis wird bei der Landtagswahl keine Mehrheit mehr haben. Und wer sagt, Hannelore Kraft werde in NRW aufholen wie Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, der vergisst, dass Frau Dreyer ihre rot-grüne Mehrheit verloren hat. Genau wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg.
Wie geht es also in NRW aus?
Es wird eine schwierige Regierungsbildung anstehen. Spannend wird, wie groß der Amtsbonus der Ministerpräsidentin Kraft gegenüber der Bundes-SPD noch ist. Ich glaube, die FDP kommt leichter über 8 Prozent als die SPD über 30.
Kehrt die FDP denn wieder als Steuersenkungspartei zurück?
Selbstverständlich wird die FDP zur Bundestagswahl im nächsten Jahr ein steuerpolitisches Konzept vorlegen. 2019 muss der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Zudem kann es nicht so bleiben, dass die Beschäftigten von den guten Tarifabschlüssen überproportional viel beim Fiskus abgeben müssen.
Ihre Partei verortet sich traditionell als eine Kraft der Mitte. Was sagen Sie denjenigen, die in der Mitte nur noch Vertreter einer alternativlosen Konsenspolitik vermuten?
Ich habe das Wort alternativlos nie gebraucht. Auch in der Eurokrise gab es eine Alternative: Statt Hilfen gegen Reformzusagen hätte man die Kernschmelze der Währungsunion und den Zerfall des europäischen Einigungsprozesses riskieren können. Der Lauf der Dinge hat gezeigt, dass wir damals richtig gelegen haben. Umso mehr ärgert mich, dass die Bundesregierung diese Politik geändert hat. Seit dem dritten Hilfspaket für Griechenland spielen Reformfortschritte keine Rolle mehr, das Geld wird einfach so überwiesen.
Ihre Partei hat sich in der Regierungsverantwortung im Bund nur selten gegen die CDU durchgesetzt. Warum war das eigentlich so?
Mit jedem Tag großer Koalition bin ich mit unserer Bilanz versöhnter. Aber in der Tat haben wir geschwiegen, als Wolfgang Schäuble jede Steuerentlastung verhindert und Vereinfachungen blockiert hat. Jetzt kündigt er eine Steuerentlastung für 2018 an - so wie das CDU und CSU bereits 2009 und 2013 in Aussicht gestellt haben, ohne dass etwas passiert ist. Sein gerauntes Entlastungsversprechen ist ein Täuschungsversuch. Statt Deutschland langfristig auf Wettbewerbsfähigkeit zu bringen, nutzt er die Enteignung der Arbeitnehmer über niedrigen Zins und kalte Progression, um seinen Haushalt zu finanzieren.
Was sollte eine politische Mehrheit aus drei Parteien leisten?
Ich spekuliere nicht über Koalitionen. Jede neue Regierung muss die Grundlagen für Wohlstand und individuellen Aufstieg in den Blick nehmen. Sie muss die großen Fragen - Digitalisierung, Alterung der Gesellschaft, Globalität - gestalten. Und dabei europäisch denken.
Wir danken Ihnen für das Gespräch. Nun haben wir gar nicht über die AfD gesprochen...
Heute ist AfD-freier Tag.