28.09.2005FDP-FraktionRechtspolitik

KAUCH: Debatte um assistierten Suizid gehört in den Bundestag

BERLIN. Zur Debatte um den Verein "Dignitas" und zum Vorstoß der niedersächsischen Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU), einen neuen Straftatbestand zu schaffen, nach dem die professionelle Vermittlung von Möglichkeiten zur Selbsttötung künftig strafbar sein solle, erklärt der FDP-Bundestagsabgeordnete, Michael KAUCH:

Die ethische Debatte um den assistierten Suizid muss ergebnisoffen im Deutschen Bundestag geführt werden. Bisher haben CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen dies verhindert. Dauerhaft kann man einer sachorientierten Debatte aber nicht ausweichen. Der Vorstoß der niedersächsischen Justizministerin, Elisabeth Heister-Neumann, offenbart einen vorschnellen strafrechtlichen Aktionismus.
Die Palliativmedizin als leidmindernde Medizin am Lebensende und die menschengerechte Sterbebegleitung müssen in Deutschland dringend ausgebaut werden. Doch sie sind nicht für alle Menschen die Antwort auf den Wunsch, unerträgliches Leiden zu beenden. Nach Angaben führender Palliativmediziner erreicht die Palliativmedizin bei nicht mehr heilbaren Patienten eine Symptomkontrolle in etwa 90 bis 95 Prozent der Fälle - und damit ein menschenwürdiges Sterben. Bei fünf Prozent der Fälle gelingt dies offenbar nicht. Eine verantwortliche Politik muss ohne ideologische Vorfestlegung die Frage beantworten, ob es ethisch vertretbare Antworten für die Menschen gibt, denen selbst die moderne Palliativmedizin nicht mehr helfen kann.
Die Selbsttötung ist auch in Deutschland straffrei. In der Debatte um den Verein "Dignitas" geht - absichtlich oder unabsichtlich - vieles durcheinander. Dignitas bietet in der Schweiz unter strenger Beachtung der dortigen Gesetze Beihilfe zur Selbsttötung, keinesfalls aber aktive Sterbehilfe. Beim assistierten Suizid geht die Handlung vom Sterbewilligen aus, während bei der aktiven Sterbehilfe ein Arzt den Sterbewilligen tötet. Die ethische Problematik ist zu differenzieren. Aktive Sterbehilfe ist auch in der Schweiz verboten.
Die FDP-Bundestagsfraktion hatte in der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" eine Anhörung über aktive Sterbehilfe und assistierten Suizid beantragt. Dies war von den anderen drei Fraktionen in der Kommission abgelehnt worden. Daraufhin hatte die FDP-Bundestagsfraktion am 13. Juni 2005 einen Fachkongress organisiert, in der alle Positionen von den Kirchen über die Deutsche Hospiz-Stiftung bis hin zu "Dignitas" und der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben debattiert wurden. Vorgestellt wurden im Detail die Modelle aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden und des assistierten Suizids in der Schweiz und im US-Bundesstaat Oregon.
Gerade im Blick auf die internationale Situation erzielte der Kongress neue Erkenntnisse. Das "Death with Dignity"-Gesetz, das 1994 in Oregon per Volksabstimmung eingeführt wurde, ermöglicht es Ärzten, an einwilligungsfähige Einwohner von Oregon auf deren Wunsch ein tödliches Medikament zu verschreiben. Voraussetzung dafür ist, dass zwei Ärzte eine Erkrankung, die innerhalb von sechs Monaten zum Tode führen wird, diagnostizieren und zugleich eine Depression ausschließen. Zuvor werden Alternativen - etwa Palliativmedizin - aufgezeigt. Die Einnahme des Medikaments muss durch den Patienten erfolgen.
Nur etwa die Hälfte der Patienten nimmt die tödliche Dosis dann wirklich ein. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 1998 gab es 208 Todesfälle durch assistierten Suizid. Derzeit liegt das Oregoner Gesetz dem Obersten Gerichtshof der USA zur Prüfung vor, weil der Bundesstaatsanwalt darin einen Verstoß gegen das Bundesgesetz zu Betäubungsmitteln sieht.
In der Schweiz ist der assistierte Suizid ebenfalls erlaubt, es sei denn die Beihilfe erfolgt aus selbstsüchtigen Motiven. Dagegen ist die aktive Sterbehilfe in der Schweiz verboten. Entscheidend ist es daher, dass die Einnahme des tödlichen Medikaments durch den Patienten selbst erfolgt. Auf Nachfrage erklärte der Vertreter des Freitodhelfer-Vereins "Dignitas", Ludwig Minelli, dass eine Videoaufnahme der Selbsttötung nur in den Fällen erfolgt, in denen die Staatsanwaltschaft auf Grund der körperlichen Konstitution des Patienten Zweifel an dessen Fähigkeit hierzu hat.

Knut Steinhäuser
Telefon: (030) 227-52378
pressestelle@fdp-bundestag.de

999-kauch-verein_dignitas.pdf

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