FDPEuropa

Ich bin für ein starkes Europa

05.12.2017

FDP-Chef Christian Lindner will die europäische Idee neu beleben – warum das wichtig ist, erklärte er bei der "Denk ich an Deutschland"-Konferenz von Alfred-Herrhausen-Gesellschaft und F.A.Z. Die derzeitigen Krisen seien auch eine Chance, "über Deutschland hinaus in Europa eine Dekade der Erneuerung des europäischen Einigungsprojektes einzuleiten". Er bekräftigte die pro-europäische Haltung der FDP: "Ich bin für ein starkes Europa, das die Aufgaben übernimmt, die jedes Land einzeln überfordern würde: Verteidigung, Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung, Investition in neue Technologien. In anderen Bereichen ist mehr Vergemeinschaftung nicht erforderlich. Eine gemeinsame Sozialpolitik etwa würde Europa schwächen, weil die Menschen in den zahlenden Ländern das nicht akzeptieren würden."

Seiner Ansicht nach muss Deutschland auf den Vorstoß von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron antworten. Seine Vorschläge für eine europäische Verteidigungsgemeinschaft seien bemerkenswert. Einen neuen Hilfsmechanismus für die Eurozone, bei dem Kreditlinien ohne konkrete Programme für Staaten zur Verfügung gestellt werden, hält Lindner hingegen nicht für sinnvoll. Den Vorstoß zur Errichtung eines "Schlechtwetterfonds" nannte er eine Art "Dispositionskredit ohne Bedingungen", von dem er nur abraten könne, da er die permanente Krise etabliere. "Wer ein solches Instrument schafft, wird die permanente Krise etablieren." Besser sei es, in kriselnden Staaten Investitionen zu stärken und im Krisenfall die bestehenden Mechanismen wie den europäischen Rettungsschirm zu nutzen.

Im Interview mit der schweizerischen SonntagsBlick betonte er: "Die Rolle Deutschlands muss wieder stärker werden, indem wir Ideen einbringen und uns am Gespräch beteiligen, das es über Europas Zukunft gibt", meint Lindner. "Da gibt es neue Akteure und eine neue Art zu denken." Europa müsse bei den großen Fragen gemeinsame Handlungsmöglichkeiten entwickeln, dies aber mehr als bislang mit Verständnis für regionale und nationale Eigenheiten verbinden.

Bei der "Denk ich an Deutschland"-Konferenz hob er hervor, dass die Position seiner Partei weder "rechts" noch "eurokritisch" sei. Er zeichnete viel mehr ein optimistisches Lagebild: Nach einer Zeit der "Angst und Abschottung", welche in der amerikanischen Präsidentenwahl und im britischen Brexit-Votum zum Ausdruck gekommen sei, habe 2017 eine "mentalitätspolitische Zäsur" stattgefunden - mit den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden. Auch die Bundestagswahl empfinde er als "positives Signal" - allerdings "mit Ambivalenzen", fügte er mit Blick auf den Einzug der AfD ins Parlament hinzu. Es sei allerdings nur eine Fraktion, die sich gegen den europäischen Einigungsprozess stelle.

Es gebe jetzt die Chance, eine "Dekade der Erneuerung" des europäischen Projektes anzustreben. So kritisch Lindner Macrons Vorschläge für eine Vertiefung der Eurozone bewertete, so sehr lobte er andere Impulse des Präsidenten. So habe Frankreich vorgeschlagen, eine europäische Verteidigungsgemeinschaft zu gründen - also just jenes Land, an dessen Votum 1954 die Idee gescheitert sei. Lindner: "Ein weiteres Mal darf Europa dieses Rendezvous mit der Geschichte nicht verpassen."

Lindner sprach sich auch für eine Vertiefung des digitalen Binnenmarktes in der EU und Investitionen in disruptive Technologien aus, um sich von den Vereinigten Staaten zu emanzipieren. Um einen europäischen Digitalmarkt zu etablieren, seien aber auch andere Wege der Finanzierung nötig, etwa ein gemeinsamer Investitionsfonds, der bei der europäischen Investitionsbank angesiedelt sein könnte. "Warum lernen wir nicht aus der Nachlässigkeit der deutsch-französischen Automobilindustrie und erforschen gemeinsam die Batterietechnik für die Elektromobilität?", sagte Lindner. (ph)

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