20.07.2013FDPWirtschaftspolitik

HOMBURGER-Interview für das "Offenburger Tageblatt"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied BIRGIT HOMBURGER gab dem "Offenburger Tageblatt" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTOPH RIGLING: Frage: Frau Homburger, vor einem dreiviertel Jahr habe ich Sie gefragt, ob vier Prozent für die FDP genug sind. Sie sagten damals nein. Reichen jetzt fünf, um an der Regierung zu bleiben? HOMBURGER: Nein. Frage: Aha. HOMBURGER: Es werden mehr Prozente werden. Da bin ich mir ganz sicher. Frage: Und warum? HOMBURGER: Wenn ich mir die letzten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen anschaue, lagen wir in den Umfragen deutlich unter oder gerade bei fünf Prozent. Wir sind dann klar über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen. Ich will keine Umfragen gewinnen, sondern die Wahl. Wir werden einen Schlussspurt hinlegen und die Menschen erreichen. Frage: Keine Angst, dass Sie zu spät mit Kämpfen anfangen? HOMBURGER: Nein, die Menschen entscheiden sich immer später. Vor 10, 15 Jahren wäre keiner auf die Idee gekommen, am Abend vor der Bundestagswahl eine Veranstaltung zu machen. Das Medieninteresse dafür ist Null. Mittlerweile gehört auch der Samstagabend zum Wahlkampf. 2009 war bei mir die Bude rappelvoll. Frage: Täuscht der Eindruck, oder steckt Deutschland gerade im langweiligsten Wahlkampf der Geschichte? HOMBURGER: Ich weiß nicht, was wir Ihnen noch alles bieten sollen. Frage: Vielleicht gute Themen? HOMBURGER: Klar. Diese Wahl wird eine Richtungsentscheidung. Die Menschen müssen sich zwischen Rot-Rot-Grün oder der Regierungskoalition entscheiden. Die SPD behauptet zwar, sie will mit der Linken nichts zu tun haben, aber im Bundesrat arbeiten SPD und Linke vertrauensvoll zusammen. Die Alternativen für die Bürger sind klar: Europäische Stabilitätsunion oder Schuldenunion. National geht es um die Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung. SPD und Grüne wollen trotz Rekordsteuereinnahmen die Mitte der Gesellschaft abkassieren. Es geht um zentrale Weichenstellungen für Deutschland. Frage: Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble führen durch die Euro-Krise. Und wo bleibt da die FDP? HOMBURGER: Die FDP hat an der Regierungspolitik maßgeblichen Anteil. Frau Merkel und Herr Schäuble können nur das verhandeln, was die FDP mitträgt. Beide stehen deshalb stärker in der Öffentlichkeit, weil sie qua Amt in den entscheidenden Gremien sitzen. Frage: Das kann natürlich ein Problem der FDP sein, wenn man nicht wahrgenommen wird. Wo haben die Liberalen in den vergangenen vier Jahren Profil gezeigt? HOMBURGER: Wir haben die Bürger zu Beginn der Legislaturperiode um 24 Milliarden Euro entlastet. Besonders Familien haben davon profitiert mit höherem Kindergeld und Kinderfreibetrag. Die Wirtschaftspolitik haben wir am Mittelstand ausgerichtet. Wir haben immer gesagt, es muss aufhören, dass bei den Großen der Bundeskanzler mit dem Geldkoffer kommt und bei den Kleinen und Mittelständlern der Insolvenzverwalter. Deshalb haben Opel und Schlecker keine Steuergelder bekommen. Wir haben 13 Milliarden Euro mehr in Bildung und Forschung gesteckt. Das alles hätte es ohne uns nicht gegeben. Andere Regierungen begannen mit einer Steuererhöhung wie die letzte Große Koalition. Die haben die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte angehoben. Unsozialer geht es nicht. Frage: Schauen wir doch mal auf das Profil einer Bürgerrechtspartei. Von der Kanzlerin begeistert, dass Sie von PRSIM nichts gewusst hat? HOMBURGER: Ich weiß nicht, was die Bundesregierung weiß, aber sicher ist, das Parlament hat keine Informationen. Das muss sich ändern. Die entscheidenden Gremien im Bundestag müssen informiert werden. Frage: Müsste man den USA stärker auf die Finger klopfen? HOMBURGER: Es ist völlig inakzeptabel, wie die Geschichte gelaufen ist. So geht man mit Freunden nicht um. Es muss offengelegt werden, was tatsächlich abgehört wurde. Gab es wirklich keine Wirtschaftsspionage? Es sind noch viele Fragen offen. Frage: Halten Sie es für normal, dass die Bürger wie bei George Orwell abgehört und kontrolliert werden? HOMBURGER: Definitiv nein. Das widerspricht unserer liberalen Auffassung. Wir dürfen nicht alle Bürger unter Generalverdacht stellen. Die große Mehrheit lebt rechtstreu. Wir brauchen eine vernünftige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Es gibt keinen Grund, anlasslos Daten von Bürgern zu sammeln. So entstehen Datenfriedhöfe, die gar nicht mehr ausgewertet werden können - das bringt dann auch nichts für die Sicherheit. Ohne die FDP hätten wir längst die anlasslose sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung. Die Union wollte das. Frage: Ein anderes Thema: Frauenpolitik. Ist die FDP Frauenfeindlich? HOMBURGER: Nein. Frage: Sicher? HOMBURGER: Hier in Baden-Württemberg hat die FDP zwei Frauen als Landesvorsitzende und Generalsekretärin an der Spitze. Frage: In Berlin hat man Sie jedoch als Fraktionschefin und in Baden-Württemberg als Spitzenkandidatin gegen zwei Männer ausgetauscht. HOMBURGER: Trotzdem habe ich großen Einfluss. Ich lebe in der Zukunft. Ich bin Landesvorsitzende, sitze im Bundespräsidium der FDP und bin dabei, wenn die Entscheidungen fallen. Das zählt, nicht persönliche Eitelkeiten. Frage: Über was sich alle gefreut hätten, wäre die große Steuerreform gewesen. Warum ist aus der nichts geworden? HOMBURGER: Das hätte uns auch gefreut. Aber es ging nicht. Im Sommer 2009 - also im Wahlkampf - wäre es noch möglich gewesen. Dann kam die Euro-Krise, Fukushima, zwei Bundespräsidenten sind zurückgetreten und die Koalition musste andere Schwerpunkte setzen. Für eine große Steuerreform gab es leider keine Spielräume mehr. Frage: Die Union geht jetzt ohne Koalitionsaussage ... HOMBURGER: ... nein, das stimmt so nicht. Kanzlerin Merkel hat sich klar für die Fortsetzung der Koalition ausgesprochen. Frage: ... ja, Schäuble sagt das auch. Aber so in Stein meißeln wollte es die Union nicht. Vielleicht wollen die sich Optionen offenhalten? HOMBURGER: Wer diese erfolgreiche Koalition nicht fortsetzen will, der spinnt. Die Wirtschaftsdaten sind im Vergleich zum restlichen Europa hervorragend. Frage: Vor einem halben Jahr haben Sie sich klar auf die Union festgelegt. Ist das immer noch so? HOMBURGER: Die FDP kämpft zunächst für sich. Eine Koalitionsaussage treffen wir traditionell immer kurz vor der Wahl. Ich bin für die Fortsetzung der Koalition. Das funktioniert aber nur mit einer starken FDP. Frage: Nimmt diese Nibelungentreue nicht Gestaltungsspielraum nach der Wahl? HOMBURGER: Das ist keine Nibelungentreue. Wir sind die einzige Freiheitspartei in Deutschland. Wir kämpfen für die FDP. Ich habe gerade aufgezählt, was wir alles durchgesetzt haben. Es waren vier gute Jahre für Deutschland. Mir geht es darum, die Bundesrepublik voranzubringen, mit SPD und Grünen funktioniert das nicht. Die wollen zum Beispiel das Ehegattensplitting abschaffen und die Vermögenssteuer wieder einführen. Letzteres belastet die Unternehmen in der Substanz und vernichtet Arbeitsplätze. Frage: Es heißt, Unternehmen sollen ausgeklammert werden. HOMBURGER: Das geht nicht. Sie können Privat- und Betriebsvermögen, gerade bei den Familienunternehmen, nicht trennen. Das Bundesverfassungsgericht würde das Gesetz einkassieren. Das ist reine Willkür, was die SPD plant. Frage: Die Union will die Rente von Müttern stärken, die ihre Kinder nach 1992 zur Welt brachten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will das über die Rentenkasse finanzieren. Gefällt Ihnen die Idee? HOMBURGER: Ich habe für das Anliegen Verständnis. Aber dann muss es aus Steuern finanziert werden. Da sagt Herr Schäuble aber, habe er kein Geld übrig. Mit uns ist ein Griff in die Rentenkasse aber nicht zu machen. Denn das geht zu Lasten aller Rentenbeitragszahler. Das ist eines der unfinanzierten Wahlgeschenke der Union. Frage: Frau Homburger, warum sind Politiker der FDP immer so schrecklich optimistisch und selbstbewusst? HOMBURGER: Man kommt nur mit Optimismus durchs Leben. Das habe ich schon als kleines Kind gelernt. Ich bin in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen. Da habe ich gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Ich bin es gewohnt, die Dinge anzupacken und liebe meine Freiheit. Deshalb bin ich auch in der FDP. Wir brauchen keine staatliche Besserungsanstalt wie sie die Grünen wollen.

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