HAPPACH-KASAN: FDP fordert ein Biomasseforschungszentrum
BERLIN. Zu den Ergebnissen der gestrigen Expertenanhörung zum Thema "Nachwachsende Rohstoffe und die Potentiale ihrer energetischen Nutzung" erklärt die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der FDP-Bundestagsfraktion Christel HAPPACH-KASAN:
Die FDP sieht gute Chancen für eine zukünftig verstärkte energetische Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe. Wir brauchen ein Biomasseforschungszentrum, das mit einheitlichen Standards die Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen gewährleistet.
Die Potentiale der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe seien bedeutend größer als ihre gegenwärtige Nutzung, so der Leiter der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe, Dr. Andreas Schütte. Nur 4,6% des Primärenergiebedarfs wurden in 2005 durch erneuerbare Energien gedeckt, davon etwa die Hälfte aus Biomasse. Auf 15 - 20% des Primärenergiebedarfs schätzt dagegen Dr. Armin Vetter von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft das Potential der nachwachsenden Rohstoffe in der energetischen Nutzung. Der züchterische Fortschritt ermögliche in Deutschland von Jahr zu Jahr steigende Erträge und damit eine höhere Effizienz auch der Erzeugung von Biomasse.
Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist ein essentieller Teil jeder Nachhaltigkeitsstrategie. Pflanzen speichern die Energie der Sonne. Biomasse ist gespeicherte Sonnenenergie. Biomasse steht zur Verfügung, wenn sie gebraucht wird. Dies ist ein entscheidender Vorteil. Es gibt einen erheblichen Bedarf an Forschung und Entwicklung, damit dies verwirklicht werden kann: Die Züchtung von Sorten speziell für die Nutzung als Energiepflanzen, die Entwicklung von technischen Anlagen zur thermischen Verwertung von Biomasse und zur Stromerzeugung, die Herstellung von Kraftstoffen. Prof. Dr. Heinrich Spiecker stellte das am Institut für Waldwachstum der Universität Freiburg entwickelte Agroforstsystem vor, in dem der Anbau schnell wachsender Forstpflanzen zur energetischen Nutzung mit der Erzeugung von Wertholz bei hoher ökologischer Wertigkeit der genutzten Flächen kombiniert wird. Es steht bereits jetzt an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit.
Dr. Armin Vetter stellte heraus, dass unter den unterschiedlichen klimatischen und bodenökologischen Bedingungen des Anbaus von Energiepflanzen in Deutschland keine einheitliche Empfehlung gegeben werden kann, die in allen Regionen Gültigkeit hat. Daher bleibt die Vielfalt der agrarischen Produktion erhalten. Die derzeitige Bevorzugung von Mais als Energiepflanze wird unter den Bedingungen der Betriebsprämien der gegenwärtigen EU-Agrarförderung mit der Entwicklung zu einheitlichen Flächenprämien voraussichtlich einer sehr viel differenzierteren Energiepflanzenproduktion weichen.
Die gezielte Ausgrenzung der thermischen Nutzung von Getreide durch die gegenwärtige Gesetzeslage ist nicht gerechtfertigt. Dies war das übereinstimmende Urteil sowohl von Dr. Clemens Dirscherl, Beauftragter der Evangelischen Kirche Deutschlands für agrarsoziale Fragen, als auch von Heinz Christian Bär, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Eine Million Tonnen Getreide sind im Durchschnitt pro Jahr von so schlechter Qualität unter anderem durch die Belastung mit Pilzgiften, dass sie weder als Nahrungs- oder Futterpflanzen noch zur Erzeugung von Äthanol genutzt werden können. Gegenüber einer kostenpflichtigen Entsorgung ist im Sinne der Nachhaltigkeit die thermische Verwertung die bessere Alternative. Derzeit kostet ein Liter Heizöl in Deutschland etwa 60 Euro-Cent. Zwei Kilogramm Industriegetreide besitzen den Heizwert eines Liters Heizöl und kosten nur etwa 20 Euro-Cent. Schon jetzt werden 10% der Getreideernte für industrielle Verwertungen produziert und die Nutzung von Mais und Raps als Energiepflanzen ist Standard. Die ethischen Bedenken der Bevölkerung gegenüber dem Verbrennen von Getreide müssen berücksichtigt werden, ein absolutes Verbot der thermischen Verwertung ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Zur thermischen Nutzung von Getreide ist eine Änderung der Bundesimmissionsschutzverordnung erforderlich. Diese berücksichtigt Stroh aber kein Getreide, obwohl Stroh sehr viel schlechtere Verbrennungseigenschaften hat als Getreide. Damit mittelfristig die thermische Nutzung zu keiner Minderung der hohen Standards der Luftreinhaltung führt, muss in die Entwicklung von Verbrennungsanlagen und die Filterung der Abluft investiert werden. Prof. Dr. Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Energetik in Leipzig stellte heraus, die thermische Nutzung von Biomasse nicht die in mehreren Jahrzehnten optimierte thermische Nutzung fossiler Brennstoffe aus dem Stand heraus erreichen kann. Um vergleichbare Standards der Luftreinhaltung zu erzielen, müssen neue technische Verfahren und Anlagen entwickelt und optimiert werden. Langfristig stabile, politische Rahmenbedingungen sind die Voraussetzung, damit mittelständische Unternehmen sich dabei engagieren.
Es ist absehbar, dass es einen Wettbewerb um die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen geben wird. Es müssen politische Entscheidungen getroffen werden, damit die schon jetzt gegebene Förderung der energetischen Nutzung z. B. durch die Energiepflanzenprämie wie auch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) die geringer geförderte Nahrungsmittelproduktion nicht finanziell benachteiligt. Weniger geeignete Brennstoffe wie zum Beispiel Stroh dürfen nicht durch finanzielle Förderung besser geeignete Brennstoffe wie Holz finanziell unattraktiv machen.
Dr. Christoph Steegmans
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