FDPHalbzeitbilanz

Große Koalition hat kein Konzept

Christian LindnerChristian Lindner ging hart ins Gericht mit der großen Koalition
01.10.2015

Die halbe Wahlperiode ist um, viele Themen des Koalitionsvertrags scheinen erledigt. FDP-Chef Christian Lindner reicht das nicht. Im Gegenteil. Er wirft Union und SPD vor, "dass sie unsere wirtschaftliche Stärke verteilt, verbraucht und bürokratisiert, aber nicht nachhaltig entwickeln wolle." Für ihn ist ein Richtungswechsel hin zu einer Innovations- und Investitionsoffensive für Deutschland nötig. "Sonst ist die gegenwärtige Stärke schnell verbraucht", warnte der Freidemokrat vor der Bundespressekonferenz auch mit Blick auf die Flüchtlingskrise. Er bekräftigte, dass auch nur der solidarisch sein kann, der über Stärke verfügt.

Der FDP-Chef hielt fest: "Der größte Gegenspieler der Großen Koalition ist heute nicht die Opposition im Parlament, sondern die Lage im Land. Europa, die Entwicklung unserer Wettbewerbsfähigkeit und die Flüchtlingskrise offenbaren, dass die Große Koalition keinen Plan verfolgt, dass sie kein Konzept hat von der Zukunft unseres Landes." Dabei habe man an eine Große Koalition besondere Anforderungen zu stellen, weil sie über eine übergroße Parlamentsmehrheit verfügt. Was aber habe die Große Koalition in den vergangenen zwei Jahren getan: "Sie hat Kamelle verteilt und ihre Popularität genossen." Mit der „Methode Kamelle“ könne Deutschland aber nicht auf Dauer regiert werden.

CL war heute früh bei der Bundespressekonferenz - hier jetzt das Video mit Ausschnitten. (TL)

Posted by Christian Lindner on Montag, 21. September 2015

Aus dem Krisenmodus hinaus

Aus Sicht der Freien Demokraten braucht Deutschland "viel mehr eine gestalterische Politik, die aus dem Krisenmodus hinaus will und auch die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft aktiv anfasst", so Lindner. Und das habe Schwarz-Rot versäumt: "Aus der geradezu einmaligen Ausgangslage ihrer gemeinsamen Regierungstätigkeit haben Union und SPD nichts gemacht." Mit dem Ergebnis, dass es zwei Jahre nach Verantwortung von Schwarz-Rot keinerlei Risikopuffer gebe.

Lindner erwartet gerade jetzt wieder "ein entschlossenes Handeln" hin zu "einer aktiven gestalterischen Politik." Für ihn stehen dabei das "Megathema Bildung und Qualifikation" und zum zweiten "die deutsche Flexibilität, die Frau Merkel fordert" im Fokus. Nicht nur mit Blick auf die Flüchtlingspolitik, sondern auch für die deutsche Wirtschaft.

Er ist überzeugt, dass Deutschland mit einer "Positiv-Agenda" in der Lage sein wird, auch die derzeitige Wirtschaftslage für die Zukunft zu erhalten. Auf diese Agenda gehören demnach öffentliche Investitionen in die digitale Infrastruktur und große Reformvorhaben wie ein Einwanderungsgesetz oder ein Rentensystem. Das Rentensystem müsse "wirklich nachhaltig auch für die Generation der Enkel" funktionieren. Zur Agenda gehört aber auch "ein modernes Einwanderungsrecht und zwar nicht erst 2017, sondern jetzt". Deutschland müsse von einer chaotischen zu einer geordneten Zuwanderung finden. Es gehe darum, "besser und schneller zu entscheiden, wer bedürftig ist und in Deutschland Asyl erhält. Und wen wir in unseren Arbeitsmarkt einladen wollen".

Europa braucht einheitliches gemeinsames Asylrecht

Damit war Lindner beim großen aktuellen Thema angekommen: Die aktuelle Herausforderung Flüchtlingskrise. Er unterstrich: "Es ist für uns keine Frage, Menschen in Not zu helfen, das ist ein Gebot von Humanität und Solidarität." Der Bundesregierung - insbesondere der Kanzlerin stellte er  gleichwohl ein miserables Zeugnis aus: "Der Zickzackkurs der Bundesregierung, der Zickzackkurs der Bundeskanzlerin war der bisher schwerste und wird der folgenreichste Fehler ihrer Amtszeit sein. Ich glaube, sie hat damit den Zenit ihrer Amtszeit bereits überschritten."

Aus seiner Sicht ist jetzt in Europa "ein einheitliches gemeinsames Asylrecht mit gemeinsamen Standards vordringlich." Es sei weniger eine Frage der europäischen Institutionen als die der Umsetzung in den Nationalstaaten. Darauf müsse Deutschland dringen und nötigenfalls mit den willigen europäischen Partnern, also ohne die Osteuropäer, vorangehen. Denn: "Das wäre ein klares Signal, dass Europa Handlungsfähigkeit beweist."

Bündnis für Arbeit und Integration

Und noch ein Signal will Lindner setzen. Mit Blick auf die Debatte in welchem Deutschland wir leben wollen, stellt er klar:  "Das Deutschland, das wir erhalten wollen, das hat mit dem Grundgesetz eine objektive, liberale Wertordnung." Diese objektive, liberale Wertordnung sei für die Freidemokraten die Grundlage des Zusammenlebens und die Voraussetzung von Integration. Denn: "Eine Gesellschaft kann nur zu Integration einladen, wenn sie sich ihrer eigenen Identität klar ist", so Lindner. "Für uns sind das Verfassungsgrundsätze, die wir auch Flüchtlingen vermitteln müssen. Um es in einem Satz zu sagen, nicht Deutschland muss sich zuerst verändern, sondern viele Flüchtlinge werden sich verändern müssen."

Daher sollte nach Ansicht der FDP bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht nur ein erster deutscher Wortschatz vermittelt werden, sondern auch die liberale Gesellschaftsordnung, erneuert er eine der Forderungen der Liberalen. Ihnen ist daran gelegen, dass aus der aktuellen Flüchtlingskrise keine Integrationskrise wird. Lindner sieht hier das gesamte Kabinett in der Pflicht. Bundeswirtschaftsminister und die Bundesarbeitsministerin würden "erschreckend unsichtbar" bleiben. "Wir fordern beide auf, Gabriel und Nahles, jetzt mit den Verbänden der Wirtschaft und den Gewerkschaften ein Bündnis für Arbeit und Integration zu gründen."

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