06.11.2014FDP

GENSCHER-Gastbeitrag: Ein Dank an Michael Gorbatschow

Berlin. Der FDP-Ehrenvorsitzende HANS-DIETRICH GENSCHER schrieb für die „Mitteldeutsche Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Am 9. November werden wir uns an den Fall der Mauer vor 25 Jahren erinnern. Die Mauer wurde vom Osten her zum Einsturz gebracht. Immer wieder hat es im sowjetischen Machtbereich Volksaufstände gegeben – 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei und immer wieder in Polen.

Nicht zu vergessen: 1985 wurde Michael Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU. Mit Glasnost und Perestroika setzte er eine Revolution von oben in Gang, mit dem Ziel, das sozialistische System zu reformieren. Und mit der Erwartung, dass es reformierbar sei. Wenn je ein Beweis dafür erbracht werden konnte, welche Rolle die Persönlichkeit in der Geschichte spielt, durch Gorbatschow und seine Mitstreiter wurde er geliefert. Gorbatschow war groß geworden im sowjetischen System, groß geworden im doppelten Sinne des Wortes. Einmal aufgewachsen im System, das andere Mal aufgestiegen im System. Er hatte die Kraft, die Einsicht und den Willen, nicht hinzunehmen, was er vorfand, sondern einen neuen Anfang zu wagen. Das Ergebnis war eine revolutionäre Veränderung der kommunistischen Welt, in deren Verlauf Menschenwürde und Menschenrecht genauso wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker Schritt für Schritt weiter durchgesetzt werden konnten.

Das Ergebnis dieser Politik war aber auch: Der Kalte Krieg konnte beendet werden und die Völker des sowjetischen Machtbereichs konnten ihr Schicksal in die Hand nehmen. In der DDR geschah das mit dem stolzen Wort „Wir sind das Volk“ und mit der moralischen Forderung „keine Gewalt“. Überall leuchten Namen auf, die zu Hoffnungsträgern wurden: Sacharow, Lech Walesa, Vaclav Havel, die Reformkommunisten in Ungarn, Umweltgruppen, Bürgerrechtsgruppen, Kirchenleute in der DDR und ein sehr politischer Papst in Rom auch. Ohne das neue Denken Michael Gorbatschows und ohne das Volk, das die Freiheit wollte und immer lauter friedlich forderte, wäre der Mauerfall nicht denkbar gewesen. Es ist deshalb wahr, die Mauer wurde vom Osten her zum Einsturz gebracht und – anders als in der Vergangenheit – Moskau setzte diesmal die Panzer nicht gegen das Volk ein.

So wurde die Freiheitsrevolution von 1989 eine friedliche Revolution. Das konnte der Westen nicht bewirken, aber was er tun konnte, war die Schaffung von Rahmenbedingungen, in denen das Ost-West-Verhältnis entfeindet wurde. Das geschah mit den deutschen Ostverträgen und es geschah mit dem Helsinki-Prozess.

Dass am 25. Jahrestag des Mauerfalls Michail Gorbatschow in Berlin sein wird, gibt uns die Möglichkeit, einer großen historischen Persönlichkeit zu danken. Deshalb zu seiner Begrüßung: Danke Michael Gorbatschow! Herzlich willkommen, Michael Gorbatschow!

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