FDP: „Staatstrojaner“ ist verfassungswidrig
Zahlreiche FDP-Mitglieder erheben Verfassungsbeschwerde gegen die Regelungen der Strafprozessordnung zur Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung („Staatstrojaner“). In einer Pressekonferenz auf Einladung der Bundespressekonferenz begründete der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Dr. Marco Buschmann, gemeinsam mit dem stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Stephan Thomae, Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesinnenminister a.D. Gerhart Rudolf Baum, Bundestagsvizepräsident a.D. Burkhard Hirsch und dem Verfahrensbevollmächtigten Dr. Nikolaos Gazeas die Einreichung der Klage beim Bundesverfassungsgericht.
Dr. Marco Buschmann: „Als Freie Demokraten ist unser Ziel die Gewährleistung der Selbstbestimmung, insbesondere auch in der digitalen Welt. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir nur so die großen Chancen der Digitalisierung nutzen können. Dafür müssen wir die Maßstäbe der analogen Welt auf diese übertragen. Dazu gehört, dass jeder Mensch Privatsphäre braucht. Nicht mehr nur in seiner Wohnung, sondern auch auf seinem Rechner oder Smartphone. Das ist Teil der Menschenwürde. Die Große Koalition greift mit dem Staatstrojaner tief in diese digitale Privatsphäre ein und überschreitet bewusst die Grenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gesetz haben Union und SPD klammheimlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch den Bundestag gepeitscht. Das werden wir ihnen nicht durchgehen lassen, sondern werden als Freie Demokraten die Privatsphäre der Bürger verteidigen.“
Stephan Thomae: „Natürlich müssen unsere Sicherheitsbehörden die technischen Entwicklungen nachvollziehen und Schritt halten. Das darf aber nicht bedeuten, dass der Staat alles einsetzen darf, was technisch möglich ist. Sonst könnte er die Bürger bis in den letzten Winkel ausforschen. Freiheit und Sicherheit sind unter der Großen Koalition aus der Balance geraten. Diese wollen wir nun mit den Mitteln des Rechtsstaates wiederherstellen. Das Thema betrifft aber auch die IT-Sicherheit: Oberstes Ziel in einer vernetzten Welt ist die IT-Sicherheit. Der Staat muss daher Sicherheitslücken schließen, wo er sie findet, und nicht selbst zum Hacker werden.“
Dr. Nikolaos Gazeas: „Die Online-Durchsuchung ist der schwerste Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, den die Strafprozessordnung vorsieht, er wiegt sogar noch schwerer als der ‚große Lauschangriff‘. Denn wer den Computer oder das Smartphone eines Menschen ausliest oder sogar kontinuierlich überwacht, weiß heutzutage letztlich fast alles über ihn. Das Bundesverfassungsgericht hat die Online-Durchsuchung und ‚ihren kleinen Bruder‘, die Quellen-TKÜ, daher nur unter strengen Auflagen zugelassen. Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber in einer Reihe von Punkten eindeutig nicht beachtet. Zudem hat er nicht ausreichend sichergestellt, dass der Trojaner nur das tatsächlich kann, was er auch rechtlich darf.“
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Auch in der heutigen Informationsgesellschaft müssen wir sicherstellen, dass den Menschen ein Kernbereich privater Lebensgestaltung erhalten bleibt, in den keiner hineinblicken darf. Das ist die Kernaussage des Urteils zum Großen Lauschangriff, das wir genau aus diesem Grund erstritten haben. Die Große Koalition missachtet hier bewusst die klaren Vorgaben aus Karlsruhe. Dies fügt sich aber ins Bild: Union und SPD halten auch an der grundrechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung fest, obwohl der EuGH und deutsche Gerichte klare Urteile gegen dieses anlasslose Verfahren gefällt haben.“
Gerhart Rudolf Baum: „Wir erfüllen heute die Ankündigung von Christian Lindner, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und mir vor der Bundestagswahl. Wir Liberale müssen wieder einmal nach Karlsruhe gehen, weil die Grundrechte in der Großen Koalition keinen Anwalt haben, sondern stattdessen von Union und SPD immer weiter geschleift werden. Dieses Gesetz ist nur ein Element einer Serie von Sicherheitsgesetzen in einem Prozess jahrelanger sicherheitspolitischer Aufrüstung. Der Präventivstaat greift immer weiter in den Bereich unbescholtener Bürger ein. Die Freiheit stirbt Scheibchenweise.“
Dr. Burkhard Hirsch: „Der Computer und vielleicht mehr noch das Smartphone ist heute das ausgelagerte Gehirn des Menschen. Gerade bei einem so schweren Eingriff in die Bürgerrechte hätte der Staat die Vorgaben aus Karlsruhe peinlich genau beachten müssen. Stattdessen ist dies ein weiterer erschütternder Versuch, die staatlichen Befugnisse zulasten der Rechte der Bürger auszudehnen. Die Verfassung ist die Grenze dessen, was der Staat darf. Es muss deswegen endlich Schluss damit sein, dass Union und SPD immer wieder auf der Grenze zur Verfassungswidrigkeit balancieren. Allzu häufig rutscht man dann ab oder überschreitet diese Grenze bewusst – wie hier einmal mehr die Große Koalition.“