31.03.2012FDP

DÖRING-Interview für "taz, die tageszeitung"

Berlin. Der designierte FDP-Generalsekretär, FDP-Bundesschatzmeister und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, PATRICK DÖRING, gab der "taz, die tageszeitung" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Anja MAIER und Hanna GERSMANN:

taz: Herr Döring, am Donnerstag hat Ihr Parteichef und FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler 10.000 Schlecker-Mitarbeiterinnen geraten, sich eine "Anschlussverwendung" zu suchen. Ist es das, was die FDP unter Freiheit in Verantwortung versteht?

Patrick Döring: Eine Transfergesellschaft ist doch kein Allheilmittel. Schlecker ist eine dezentrale Organisation mit vielen tausend Filialen und wenigen Arbeitern pro Filiale. Das ist nicht vergleichbar mit Insolvenzen von großen Industrieunternehmen, wo auf den Schlag zehntausende Menschen an einem Ort arbeitslos werden. Gleichzeitig haben wir 25.000 offene Stellen im Einzelhandel.

taz: Sie verlangen dass Schlecker-Leute aus Emden nach Berlin ziehen, etwa einen schlecht bezahlten Teilzeitjob annehmen?

Patrick Döring: Gerade wegen der Dezentralität ist es wahrscheinlich, dass der regionale Arbeitsmarkt die Mitabreiter aufnehmen kann. Im letzten Jahr sind 30.000 Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Für keins dieser Unternehmen hat etwa die SPD eine Transfergesellschaft erfordert, hier wollen sich SPD und Grüne profilieren - zulasten des Steuerzahlers.

taz: Wollen Sie sich als herzlose Partei profilieren?

Patrick Döring: Wir halten am Prinzip der sozialen Marktwirtschaft fest. Es ist nicht sinnvoll, Steuergeld in das Unternehmen zu pumpen. Ver.di-chef Frank Bsirske hat vor einem Jahr noch, auf jeder Versammlung die Menschen aufgefordert, Schlecker zu boykottieren. Er begründete das damit, dass das Unternehmen unter Tarif bezahle und schlechte Arbeitsbedingungen habe. Letztendlich hat auch diese Kampagne zu der Pleite geführt.

taz: Welche Lehren muss die Politik aus dem Schlecker-Fall?

Patrick Döring: Keine. Es kommt ja wohl kaum zu Mangelversorgung mit Zahnpasta und Shampoo in Deutschland. Es gibt andere leistungsfähige mittelständische Wettbewerber, die die Versorgung der Bevölkerung mit Drogerieartikeln aufrechterhalten. Schlechtes Sortiment, schlechtes Klima, zu kleine Läden. Der Kunde hat sich attraktivere Läden gesucht.

taz: Welche Chancen sehen Sie für die noch verbleibenden Schlecker-Filialen?

Patrick Döring: Der Insolvenzverwalter hat gesagt, er sei für die Transfergesellschaft, weil es leichter wäre den Konzern zu veräußern, wenn es nicht zu den vielen Kündigungsschutzklagen käme. Das glaube ich nicht. Sicher, müssen viele Filialen schließen, aber für den verbleibenden Teil wird es Absatzchancen geben. Es wird sich jemand finden, der die übernimmt, dann investiert und die Attraktivität erhöht.

taz: Aber mal ehrlich, war das Wort "Anschlussverwendung" in Zeiten von Landtagswahlen gut gewählt?

Patrick Döring: Jeder äußert sich auf seine Weise. Das ist vielleicht der Bundeswehrvergangenheit von Rösler geschuldet, dort wird der Begriff meines Wissens verwandt, wenn jemand eine neue Aufgabe erhält.

taz: Ihre Formulierung, das Piratenbild sei von der "Tyrannei der Masse" geprägt war auch nicht glücklich...

Patrick Döring: Ich bleibe dabei: Dieser Grundgedanke, dass der Schwarm immer recht hat, stimmt nicht. In bestimmten Situationen würden Sie in Deutschland einen großen Schwarm bekommen, der die Todesstrafe befürworten würde. Da würden alle demokratischen Parteien in Deutschland nicht mitmachen, weil zu einer Demokratie auch ethische Prinzipien, der Schutz von Minderheiten und abweichenden Meinungen gehört.

taz: Was setzen Sie denn den Piraten entgegen, die sich selbst als neue Liberale bezeichnen?

Patrick Döring: Erstens müssen auf der technischen Mitbestimmungsseite alle Parteien Antworten geben. Zweitens müssen wir uns auch mit dem nur partiell vorhandenen Programm der Piraten auseinandersetzen. Freie Fahrt im Nahverkehr, bedingungsloses Grundeinkommen - das spricht nicht für einen liberalen Geist, das ist linkskonnotiert.

taz: Sie kämpfen nicht nur mit den Piraten, sondern auch mit dem Koalitionspartner im Bund. Eurorettung, Frauenquote, Vorratsdatenspeicherung - es hakt überall. Wie lange hält die schwarz-gelbe Regierung noch?

Patrick Döring: Ich erkenne keinen Haken. Die Frauenquote ist kein Projekt der Koalition. Wir erleben doch gerade die Entstehung von zwei Supergouvernanten im Kabinett, Frau von der Leyen will eine Frauen-Quote einführen, Frau Aigner XXL-Packungen verbieten. Wenn dass das neue Unionsbild ist, wenn CDU/CSU mit diesen Forderungen Wahlkampf machen, dann ist für die FDP viel Platz. Mit der Bundesregierung hat das aber nichts zu tun.
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