FDPCorona-Maßnahmen

Die Pandemiebekämpfung gehört zurück in die Parlamente

Christian Lindner, FDP-BundesvorsitzenderFür Christian Lindner gehört die Pandemiebekämpfung zurück in die Parlamente.
29.10.2020

Im Kampf gegen eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland haben Bund und Länder am Mittwoch die einschneidensten Maßnahmen seit dem großen Lockdown im Frühjahr beschlossen. Ab Montag sollen unter anderem Hotels, Restaurants, Kinos und Theater für den gesamten Monat November schließen. In dieser Zeit dürfen sich auch nur wenige Menschen privat treffen. Mehrere Beteiligte hatten betont, für die Akzeptanz der Beschlüsse sei es wichtig, dass sie gemeinsam gefasst und getragen würden. In seiner Antwort auf die Regierungserklärung der Kanzlerin machte FDP-Chef Christian Lindner deutlich, dass sich trotz aller Kritik an einzelnen Entscheidungen jede Relativierung der Pandemie und Polarisierung verbiete. Es sei eine schwierige Gratwanderung. Zugleich plädierte er eindringlich dafür, solche Entscheidungen wieder in die Parlamente zu bringen.

"Es ist richtig, die Zahl unserer Kontakte zu verringern und Abstände einzuhalten. Das Infektionsgeschehen muss durch wirksame, regional ausgerichtete und verhältnismäßige Regeln eingedämmt werden." Doch diese Entscheidungen würden Millionen Menschen betreffen. "Sie haben Auswirkungen auf unser soziales Miteinander und die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Sie wurden getroffen ohne Öffentlichkeit und nur von Regierungsspitzen, aber sie binden 17 Koalitionsregierungen und Legislativen." Der Deutsche Bundestag könne diese Entscheidungen nur noch nachträglich zur Kenntnis nehmen.

"Diese Entscheidungsprozesse gefährden nicht nur die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen – sie drohen auch unsere parlamentarische Demokratie zu deformieren. Man kann zu dem Schluss kommen, dass weitreichende Grundrechtseinschränkungen – die Bewegungsfreiheit, die Ausübung des Berufs – notwendig sind, um die Pandemie zu kontrollieren. Diese Entscheidungen sollten im Bundestag aber nicht nur kommentiert, sondern nach harter, argumentativer Auseinandersetzung in einer öffentlichen Sitzung getroffen werden." Er warnte davor, angesichts der besorgniserregenden Entwicklung der Corona-Pandemie zu unverhältnismäßigen Maßnahmen zu greifen.

Es würden Bereiche geschlossen, die nicht regelmäßig als Infektionstreiber aufgefallen sind, sondern die nötigenfalls sogar eine Nachverfolgung der Gäste sicherstellen können, sagte er mit Blick auf die Gastronomie. "Wenn durch ihre Schließung Menschen in unkontrollierbare Graubereiche gedrängt werden, dann ist für die Bekämpfung der Pandemie nichts gewonnen – im Gegenteil." Viele Betriebe hätte in Hygienekonzepte investiert. Viele Menschen hätten "sich sorgsam" auf den Herbst vorbereitet. "Sie zahlen jetzt den Preis dafür, dass der Staat es nicht genauso getan hat. Viele Schließungen sind für den Gesundheitsschutz daher nicht nur unnötig – sie sind unfair."

Die aktuellen Entscheidungen würden die Freiheit von Millionen Menschen einschränken, "sie haben enorme soziale und wirtschaftliche Kosten, aber ihr dauerhafter Nutzen ist bestenfalls offen. Mag dieser zweite Lockdown auch milder sein als der erste – es muss der letzte gewesen sein."

Die Ministerpräsidenten hätten zum Teil unabgestimmt gehandelt, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, Marco Buschmann, am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". Buschmann unterstrich, dass dadurch die Gefahr bestehe, dass einzelne Maßnahmen wieder an den Gerichten scheiterten. Es sei auch wichtig, dass die Maßnahmen von den Bürgerinnen und Bürger akzeptiert würden. Mit Blick auf die Gastronomie argumentierte Buschmann, zum Teil würden mit den Maßnahmen, die sich der Bund vorstelle, Existenzen gefährdet, obwohl nicht nachgewiesen sei, dass es in diesem Bereich ein besonderes Infektionsgeschehen gebe.

"Wir werden das jetzt nacharbeiten müssen." Buschmann wandte sich dagegen, "das ganze Land über einen Kamm zu scheren". Bereits am Abend nach den Beschlüssen von Bund und Ländern sowie in der Nacht hätten "sehr harte Gespräche" stattgefunden. Nun sei die Frage, "wie diese Dinge im Landesrecht umgesetzt werden". Buschmann kündigte an, die FDP sei bemüht, "dort, wo wir mitregieren, die Parlamente stärker einzubeziehen". Dabei handelt es sich um Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.

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