FDPHaushaltswoche

Der Staat muss den Menschen etwas zurückgeben

Christian LindnerChristian Lindner und seine Erwartungen an die Haushalts-Debatten
08.09.2016

Es ist Haushaltswoche: 330 Milliarden Euro sind 2017 zu verteilen. Rund 18 Milliarden Euro Überschuss hat der Staat alleine im ersten Halbjahr 2016 erhalten. FDP-Chef Christian Lindner fordert, mit dem Geld öffentliche Investitionen zu stärken, den Bürgern etwas zurückzugeben - und auf "Prestigeprojekte wie die Subventionen für Elektro-Autos" zu verzichten. Konkret will Lindner bis 2020 den Soli-Zuschlag abschaffen und die Grunderwerbssteuer erst ab 500.000 Euro einfordern, sagte er im Interview mit dem Inforadio.

Lindner betonte, sei kein Widerspruch, den Menschen etwas zurückzugeben von dem, was sie erarbeitet haben einerseits, andererseits die Investitionen zu stärken. "Genau das wäre jetzt auch das Gebot der Stunde", mahnt der Freidemokrat. Denn: Die aktuelle wirtschaftliche Lage sei keine Garantie für die Zukunft - "also öffentliche Investitionen stärken einerseits, andererseits den Bürgern etwas zurückgeben, auch für die private Vorsorge, und verzichten auf teure Prestigeprojekte", ist seine Schlussfolgerung.

Frage der sozialen Gerechtigkeit

Er rechnet vor: Bis Ende des Jahrzehnts wird der Staat etwa 100 Milliarden mehr einnehmen, als er jetzt hat. Um den Bürgern davon etwas zurückzugeben, schlägt Lindner vor, den Solidaritätszuschlag zum Ende des Jahrzehnts auslaufen zu lassen. Seiner Ansicht nach muss man etwas am Steuertarif tun, gerade vorne bei den kleinen und mittleren Einkommen. Bei der Grunderwerbssteuer sollte erst ab 500.000 Euro die Steuer fällig werden. "Das wäre ein Programm, das Eigentum in Deutschland zu stärken."

Die Steuersenkungen, die Finanzminister Wolfgang Schäuble vorschweben, sind in den Augen Lindners "ein Witz!" Wenn die Union es "diesmal ernst meint", dann sollten sie in diesem Jahr bereits beschließen, dass es eine Entlastung gebe, aber nicht erst Ende des Jahrzehnts.

Für Lindner ist es auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit: "Eine Balance zwischen denen, die von ihrer Leistung abgeben, herzustellen und den anderen, die zum Beispiel über soziale Leistungen oder öffentliche Infrastruktur profitieren wollen. Wenn diese Balance nicht gewahrt bleibt, dann droht irgendwann auch die Kraftquelle, die wir haben in Mittelschicht und Mittelstand, zu erlahmen. Dazu darf es nicht kommen", so der FDP-Chef.

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Frage: Was soll der Staat tun?

LINDNER: Es ist gar kein Widerspruch, den Menschen etwas zurückzugeben von dem, was sie erarbeitet haben einerseits, andererseits die Investitionen zu stärken. Genau das wäre jetzt auch das Gebot der Stunde, denn die aktuelle wirtschaftliche Lage, die ist keine Garantie für die Zukunft – also öffentliche Investitionen stärken einerseits, andererseits den Bürgern etwas zurückgeben, auch für die private Vorsorge, und verzichten auf teure Prestigeprojekte, wie zum Beispiel diese Subventionen für die Elektroautos.

Frage: Wie sehen denn Steuersenkungen konkret aus, wie viel mehr würde da für jeden bleiben im Portemonnaie nach Ihren Vorstellungen?

LINDNER: Bis Ende des Jahrzehnts wird der Staat etwa 100 Milliarden Euro mehr einnehmen, als er jetzt hat. Halten wir das mal fest. Also es geht zunächst darum, zusätzliche Einnahmen beim Staat zu verhindern, die ihm nicht zustehen, beispielsweise wegen des niedrigen Zinses, unter denen Sie, ich, die Hörerinnen und Hörer ja leiden. Davon profitiert der Staat, das sollte er zurückgeben. Wie konkret: Ein Vorschlag ist, dass der Solidaritätszuschlag entfällt zum Ende des Jahrzehnts. Das stärkt die Glaubwürdigkeit auch der Politik. Man muss etwas am Steuertarif tun, gerade vorne bei den kleinen und mittleren Einkommen. Und mein dritter Vorschlag ist, bei der Grunderwerbssteuer – also wenn eine Familien Eigentum schaffen will, um vielleicht auch für das Alter vorzusorgen, da sollte erst ab 500.000 Euro die Steuer fällig werden. Das heißt, die ersten 500.000 Euro – und das ist dann wohl für eine Familie ausreichend; die wenigsten werden über 500.000 Euro privat für eine Immobilie aufwenden – da sollte die Grunderwerbsteuer entfallen. Das wäre ein Programm, das Eigentum in Deutschland zu stärken.

Frage: Nun hat ja auch Bundesfinanzminister Schäuble Steuersenkungen gerade für mittlere Einkommen in Aussicht gestellt. Aber das reicht Ihnen nicht?

LINDNER: Nein, das ist doch ein Witz! 12 Milliarden Euro sieht er vor bis zum Ende des Jahrzehnts. Vor der Wahl werden die jetzt angekündigt, wie die CDU das schon drei Mal gemacht hat, um danach zum Beispiel die FDP am langen Arm verhungern zu lassen mit unseren Vorstellungen. Das ist noch nicht einmal die jährliche Zinsersparnis, die er hat. Also er ist noch nicht einmal bereit, den Vorteil, den er vom niedrigen Zins hat zulasten der Bürger, den Menschen wieder zurückzugeben. Das ist für mich nicht glaubwürdig, und das ist auch nicht ausreichend. Wenn die CDU/CSU es diesmal ernst meint, dann sollten sie in diesem Jahr bereits beschließen, dass es eine Entlastung gibt, aber nicht erst Ende des Jahrzehnts.

Frage: Nun hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap für den Deutschlandtrend auch abgefragt, welche Meinung die Deutschen zum Thema Steuern haben. Und danach will eine Mehrheit keine Steuersenkung, plädiert eher für mehr öffentliche Investitionen. Kämpfen Sie da so ein bisschen auf verlorenem Posten?

LINDNER: Nein. Zu der Wahrheit gehört ja, dass eine Minderheit in Deutschland überhaupt Steuern zahlt. Deshalb ist klar, dass eine Mehrheit auch nicht unbedingt das als dringendes Problem beachtet. Aber es ist eben auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, eine Balance zwischen denen, die von ihrer Leistung abgeben, herzustellen und den anderen, die zum Beispiel über soziale Leistungen oder öffentliche Infrastruktur profitieren wollen. Wenn diese Balance nicht gewahrt bleibt, dann droht irgendwann auch die Kraftquelle, die wir haben in Mittelschicht und Mittelstand, zu erlahmen. Dazu darf es nicht kommen. Und zuletzt – ich habe ja schon gesagt, es gibt gar nicht den Gegensatz öffentliche Investition und private Entlastung. Der Punkt ist, dass diese ganzen Prestigeprojekte, dass die Verteilungspolitik, die nicht an Bedürftigkeit und an sinnvollen Projekten ausgerichtet ist, dass das beendet wird, damit der Staat sich auf wesentliche Fragen konzentrieren kann, Polizei, Justiz, Bildung, und andererseits etwas für die Leute bleibt.

Frage: Nun kann man aber Steuersenkungen nicht nach drei, vier Jahren gleich wieder zurücknehmen. Was nun, wenn es nicht bei diesen vielen Einnahmen bleibt? Wenn die Zinsen wieder steigen? Wenn die Wirtschaft nicht mehr so brummt?

LINDNER: Die Wirtschaft brummt ja nur dann, wenn wir etwas tun für ihre guten Rahmenbedingungen. Und in den letzten Jahren sind die Rahmenbedingungen fortwährend verschlechtert worden. Wir profitieren jetzt vom niedrigen Außenwert des Euro, dem Ölpreis. Wir hoffen darauf, dass der Trump nicht Präsident wird. Was, wenn all das –wie Sie zu Recht fragen – nicht eintritt? Meine Antwort darauf ist: Jetzt dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft, gerade die mittelständischen Betriebe, wettbewerbsfähig bleiben, dass sie investieren können, und dann darf man ihnen nicht die ganze finanzielle Feuerkraft entziehen. Es muss auch möglich sein im Zeitalter der Digitalisierung, dass ein Handwerksbetrieb genug Kapital hat, um einen 3D-Drucker anzuschaffen. Das kann er nicht alles über Gewerbesteuer und so weiter und so fort beim Bundesfinanzminister abgeben.

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