FDPAsyl und Einwanderung

Bürgerkriegsflüchtling ist nicht gleich Asylbewerber

Nicola BeerNicola Beer fordert pragmatische Maßnahmen zur Lösung der Flüchtlingskrise
02.11.2015

In der Flüchtlingskrise fordert Nicola Beer, zwischen Asylberechtigen, Bürgerkriegsflüchtlingen und klassischen Zuwanderern zu unterscheiden. Im Interview mit der "taz" sprach sich die FDP-Generalsekretärin dafür aus, Bürgerkriegsflüchtlinge nicht mehr durch das aufwendige Asylverfahren zu leiten. "Dadurch entstünde sofort eine Entlastung für die tatsächlich politisch Verfolgten", gab sie zu bedenken. Darüber hinaus fordert sie ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem.

"Asyl ist Asyl, und da gibt es auch keine Obergrenze. Aber Bürgerkriegsflüchtling ist nicht gleich Asylbewerber", verdeutlichte Beer. Politische oder religiöse Verfolgung sei eine individuelle Verfolgung. "Wenn aber mein Dorf zerstört ist und dort Krieg ist, wenn ich also flüchte, ohne Partei zu sein, dann bin ich ein Bürgerkriegsflüchtling und werde nicht von einer der Seiten persönlich verfolgt." Diese eigenständige Gruppe sollte nach einer Sicherheitsüberprüfung befristete Aufenthaltstitel erhalten. "Damit würden wir schnell eine Grundlage zur Integration anbieten. Aber wir würden damit auch ausdrücken, dass eine Rückkehr in die Heimat angestrebt wird", erklärte Beer. Es sei denn, der Einzelne erfülle Kriterien des Einwanderungsgesetzes und gehe diesen Weg, um dauerhaft in der Bundesrepublik zu bleiben.

Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz

In diesem Zusammenhang verdeutlichte die FDP-Generalsekretärin die Wichtigkeit eines einheitlichen Einwanderungsgesetzes. "Ich habe unsere Vorschläge für ein solches Gesetz CDU-Generalsekretär Peter Tauber zugeschickt und ihm gesagt, dass wir kein Copyright nehmen. Er kann sich da gerne bedienen", erläuterte Beer. Die Freien Demokraten stellten sich ein Punktesystem vor, wie es in Kanada, Neuseeland oder Australien existiere. "Diese Länder steuern Zuwanderung, indem sie Qualifikationsanforderungen festlegen und indem entsprechend der demografischen Entwicklung und dem Bedarf am Arbeitsmarkt Quoten festgelegt werden. Solch ein Gesetz soll ja regeln, dass es eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt gibt und eben nicht in die Sozialsysteme", führte Beer aus.

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Frau Beer, Spitzenpolitikerinnen der Bundes-FDP haben gerade in Berlin zum "Ladies only!"-Abend eingeladen. Ist das Teil der neuen Weiblichkeitsoffensive Ihrer Partei?

Bei uns gab es auch früher schon die Tradition des Ladies Lunch. Dennoch: in der Vergangenheit haben wir es oft versäumt, zu zeigen, wie viele engagierte Frauen es bei uns Liberalen gibt. Und dazu gehören auch Netzwerke von Frauen für Frauen.

Es ist unverkennbar, dass die FDP nach ihrem Rauswurf aus dem Bundestag weiblicher geworden ist. Wie kommt das? Sind die Jungs alle in die freie Wirtschaft abgerauscht?

Nach der Bundestagswahl 2013 ist bei uns das Verständnis dafür gewachsen, Frauen stärker anzusprechen. Frauen wollen ihre Zeit effektiv einsetzen, sie sind auch heute noch häufig mehrfach gefordert in Beruf und Familie. Gerade in der Politik aber ist eine vernünftige Relation zwischen Input und Output nicht immer gegeben. Frauen wollen ihre Zeit effektiv einsetzen. Denen sage ich, das könnt ihr selbst gestalten, wenn ihr vorne mit dabei seid. Das scheint zu wirken. Auch die Debattenkultur hat sich geändert.

Wie sieht es denn aktuell mit einer Quote aus? Die FDP hat sie stets strikt abgewehrt.

Die Quote ist bei uns immer mal wieder diskutiert worden. Aber immer mit ganz großer Mehrheit abgelehnt worden.

Diese Mehrheit besteht ja auch aus Männern.

Wenn Sie eine Quote einführen, ruhen sich alle darauf aus: Dann müssen wir uns um Inhalte ja keine Mühe mehr machen. Ich möchte die Partei aber von Grund auf verändern in ihrer Diskussionsund Arbeitskultur. Das schaffe ich nicht, indem ich vorn ein paar mehr Frauen habe.

Quoten bedeuten Chancen. Sie bedeuten: Vorne ist ein Platz für dich.

Ja, aber dieses Gefühl will ich Frauen ohne eine Festlegung geben. Wir suchen nach Frauen, die wollen. Es ist nicht so, dass wir sie scharenweise beiseitegeschoben hätten.

Asylsystem entlasten

Derzeit nimmt ja die FDP gezwungenermaßen eine parlamentarische Auszeit. Angenommen, es gäbe wegen der ungelösten Flüchtlingsfrage plötzlich Neuwahlen - was würde die FDP ihren Wählern versprechen?

Ich halte es für einen Fehler, dass momentan nicht mehr unterschieden wird zwischen Asylberechtigten, Bürgerkriegsflüchtlingen und klassischen Zuwanderern. Wir als FDP würden Bürgerkriegsflüchtlinge nicht durch das aufwendige Asylverfahren leiten. Dadurch entstünde sofort eine Entlastung für die tatsächlich politisch Verfolgten. Und wir würden endlich ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen.

Wollen Sie Asylansprüche in Duldungen umwandeln?

Um Gottes willen, nein. Asyl ist Asyl, und da gibt es auch keine Obergrenze. Aber Bürgerkriegsflüchtling ist nicht gleich Asylbewerber. Wir meinen, das ist eine eigenständige Gruppe, der man nach einer Sicherheitsüberprüfung sehr schnell befristete Aufenthaltstitel geben kann. Damit würden wir schnell eine Grundlage zur Integration anbieten. Aber wir würden damit auch ausdrücken, dass eine Rückkehr in die Heimat angestrebt wird.

Wollen Sie dafür das Grundgesetz ändern?

Nein. Politische, religiöse Verfolgung ist eine individuelle Verfolgung. Wenn aber mein Dorf zerstört ist und dort Krieg ist, wenn ich also flüchte, ohne Partei zu sein, dann bin ich ein Bürgerkriegsflüchtling und werde nicht von einer der Seiten persönlich verfolgt.

Und was, wenn das ganze Land ein Kriegsgebiet ist?

Viele der Bürgerkriegsflüchtlinge sind keine politisch oder religiös Verfolgten. Da muss man unterscheiden. Wenn die Kriegssituation beendet ist, kehrt der Flüchtling nach Hause zurück. Es sei denn, er erfüllt Kriterien des Einwanderungsgesetzes und geht dann diesen Weg, um dauerhaft bei uns zu bleiben. Dann begrüßen wir ihn sehr gerne als Teil unseres Arbeitsmarktes.

Zickzackkurs der Bundesregierung funktioniert nicht

Dieses Einwanderungsgesetz - was sollte das regeln?

Wir stellen uns ein Punktesystem vor, wie in Kanada, Neuseeland oder Australien. Diese Länder steuern Zuwanderung, indem sie Qualifikationsanforderungen festlegen und indem entsprechend der demografischen Entwicklung und dem Bedarf am Arbeitsmarkt Quoten festgelegt werden. Solch ein Gesetz soll ja regeln, dass es eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt gibt und eben nicht in die Sozialsysteme.

Zuwanderung ja, Flüchtlinge lieber nicht - wäre damit die Haltung der FDP umrissen?

Nein, auf keinen Fall. Flüchtlinge sind in einer ganz anderen Situation, ihnen steht nach der Genfer Konvention Schutz zu. Aber sie haben unserer Meinung nach keinen Anspruch darauf, diesen Schutz nur in Deutschland gewährt zu bekommen. Das muss innerhalb der EU gesteuert werden.

Das heißt, in einem Wahlkampf würden Sie Richtung Schwarz-Gelb tendieren und ihren Wählern ein Einwanderungsgesetz in Aussicht stellen?

Nein. Wir würden keine Koalitionsaussage machen, bei uns gibt es Freie Demokraten pur. In der Flüchtlingsfrage greifen Sie die Regierung scharf an.

Ihr Vorsitzender Christian Lindner sagt, Angela Merkel habe "keinen Plan", sie sei ein "Unsicherheitsfaktor". Wie wollen Sie diese Grobheiten der Kanzlerin erklären, sollte die FDP 2017 wieder für eine Koalition infrage kommen?

Ich glaube, dass man der Stimmung in der CDU/CSU entnehmen kann, dass das Vorgehen der Kanzlerin gerade kein planvolles ist. Dublin 3 und dann auch noch Schengen außer Kraft zu setzen, das ist ein Zickzackkurs, der auf europäischer Ebene nicht funktioniert. Erst recht nicht, wenn wir kein Einwanderungsgesetz haben. Ich habe unsere Vorschläge für ein solches Gesetz CDU-Generalsekretär Peter Tauber zugeschickt und ihm gesagt, dass wir kein Copyright nehmen. Er kann sich da gerne bedienen. Ich finde es übrigens schade, dass er in dieser Frage von seiner Kanzlerin zurückgepfiffen wurde. Wir werden aber an dem Thema dranbleiben.

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