FDPInterviewBücher sollen den Zeitgeist infrage stellen
Christian Lindner spricht über die Bücher, die ihm wichtig sind21.09.2015Beim Lesen sucht FDP-Chef Christian Lindner Inspiration, Unterhaltung und Lehren für die Zukunft. Im Interview mit der "Rhein-Zeitung" verrät er, was alles in seinen Bücherregalen zu finden ist. Beispielsweise der Roman "The Circle" von Dave Eggers, der die Chancen von Technologie thematisiere, aber auch die Notwendigkeit fairer Regeln und eines Ordnungsrahmens. Oder das Buch "Corpus Delicti" von Juli Zeh, in dem der Staat sage, wie die Menschen gesund zu leben hätten – und kontrolliere dies auch. Hier gehe die Privatheit durch Überwachung verloren, erklärt Lindner.
Außerdem setze er auf die liberalen Klassiker, "von Adam Smith bis Ralf Dahrendorf", erläutert der Freidemokrat. "Die geben mir unverändert Orientierungshilfe in Wertefragen." Darüber hinaus lobt Lindner den Andrew McAfee-Roman "The Second Machine Age", der die fundamentalen Veränderungen durch die Digitalisierung beschreibe. "Da sich alles ändert, kann man nichts planen", gibt Lindner zu bedenken. Als politische Antwort rücke McAfee das Thema Bildung ins Zentrum. "Wir wissen schon jetzt: Menschen mit Sachverstand und kulturellem Horizont werden sich besser zurechtfinden als andere ohne diese Qualifikationen. Deshalb ist das ein Weckruf, beste Bildung zur ersten Priorität der Politik zu machen", unterstreicht der FDP-Chef.
Zur Lektüre empfiehlt Lindner der Bundeskanzlerin, "Wohlstand für alle" von Ludwig Erhard zu lesen. "Ich finde, dass die Bundeskanzlerin auf der internationalen Bühne gut agiert, dass sie in der Innenpolitik aber sowohl die Werte der sozialen Marktwirtschaft als auch die Aufgabe, unser Land zukunftsfest zu machen, vernachlässigt", führt er aus.
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Können Sie sich mit einem guten Buch von schlechten Umfragewerten ablenken?
Um die FDP machen Sie sich bitte keine Sorgen. Da habe ich keine feuchten Hände und muss mich auch nicht ablenken. Aber ich suche beim Lesen natürlich Inspiration, Unterhaltung, und ich will etwas lernen.
Gibt es Bücher, die Sie geprägt haben?
Sicher. Zum Beispiel als Abiturient Peter Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft", weil dieses Buch Lust darauf macht, den Zeitgeist infrage zu stellen. Wann schrieb mal ein großer deutscher Philosoph Betrachtungen über Fürze und Ärsche, um danach die Tugendwächter bei ihrer reflexhaften Empörung zu beobachten? Das ist immer noch amüsant und anregend.
Sie haben Ihrer Partei verordnet, sich vom Fundament auf zu erneuern. Was ist dafür die richtige Aufbauliteratur?
Zuerst die liberalen Klassiker von Adam Smith bis Ralf Dahrendorf. Die geben mir unverändert Orientierungshilfe in Wertefragen. In der Sache empfehle ich allen, die die Gegenwart verstehen wollen, von Andrew McAfee: The second machine age. Auf Deutsch: "Das zweite Maschinenzeitalter". McAfee beschreibt die fundamentalen Veränderungen durch die Digitalisierung. Da sich alles ändert, kann man nichts planen. Als politische Antwort rückt er das Thema Bildung ins Zentrum. Wir wissen schon jetzt: Menschen mit Sachverstand und kulturellem Horizont werden sich besser zurechtfinden als andere ohne diese Qualifikationen. Deshalb ist das ein Weckruf, beste Bildung zur ersten Priorität der Politik zu machen.
Sie haben noch mehr Bücher dabei, den Roman "Corpus Delicti" von Juli Zeh und "The Circle" von Dave Eggers. Mögen Sie düstere Utopien?
Nein, ich bin ein großer Optimist, weil ich an die Chancen von Technologie glaube. Aber man braucht faire Regeln und einen Ordnungsrahmen. Das thematisiert "The circle". "Corpus Delicti" ist auch ein Beispiel dafür. Darin kommen zwei Dinge zusammen: Der Staat sagt, wie wir gesund zu leben haben. Und die Privatheit geht verloren, weil man in seinem Gesundheitsverhalten auch noch überwacht wird. Es gibt aber ein Freiheitsrecht auf ein bisweilen unvernünftiges, genussvolles Privatleben.
Werte der sozialen Marktwirtschaft achten
Sie haben noch "911" von Ulf Poschardt mitgebracht. Wird man als Porsche verehrender Liberaler eigentlich gemobbt?
Es gibt nichts, was mir egaler wäre als das. Ich lasse mir doch nicht von irgendwem meine persönlichen Leidenschaften vorschreiben! Wen es stört, dass ich automobiles Kulturgut verehre und einen Porsche-Oldtimer als Hobby habe, der soll eben was anderes wählen und nicht mich.
Erklären Sie uns diese Leidenschaft...
Alte Autos sind echter Maschinenbau und zugleich Skulpturen. Das Buch von Poschardt beschreibt die Baureihe 911 von Porsche, die seit mehr als 50 Jahren im Grundkonzept unverändert ist. Er interpretiert sie als Phänomen der Kultur-, Technik- und der Designgeschichte.
Ihre Leidenschaft für den 911er Porsche teilen Sie ja mit Klaus Ernst von der Linkspartei. Gibt es noch mehr, was Sie verbindet?
Es gibt bestimmt noch viel mehr als ihn und mich, die von Sportwagen fasziniert sind, aber als Journalist oder Politiker nicht wagen, es offen zuzugeben. Ich kann nur jeden auffordern: Seid, wer ihr seid, und verbiegt euch nicht, nur um einem Mini-Shitstorm von irgendwelchen schlecht gelaunten Menschen im Internet zu entgehen. Je älter ich werde, desto lieber konfrontiere ich diese Leute mit ihren Empörungsreflexen. Und damit sind wir dann wieder bei Peter Sloterdijks Fürzen.
Welches Buch würden Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lektüre empfehlen?
Von Ludwig Erhard: "Wohlstand für alle". Ich finde, dass die Bundeskanzlerin auf der internationalen Bühne gut agiert, dass sie in der Innenpolitik aber sowohl die Werte der sozialen Marktwirtschaft als auch die Aufgabe, unser Land zukunftsfest zu machen, vernachlässigt.
Bücher sollen den Zeitgeist infrage stellen
Beim Lesen sucht FDP-Chef Christian Lindner Inspiration, Unterhaltung und Lehren für die Zukunft. Im Interview mit der "Rhein-Zeitung" verrät er, was alles in seinen Bücherregalen zu finden ist. Beispielsweise der Roman "The Circle" von Dave Eggers, der die Chancen von Technologie thematisiere, aber auch die Notwendigkeit fairer Regeln und eines Ordnungsrahmens. Oder das Buch "Corpus Delicti" von Juli Zeh, in dem der Staat sage, wie die Menschen gesund zu leben hätten – und kontrolliere dies auch. Hier gehe die Privatheit durch Überwachung verloren, erklärt Lindner.
Außerdem setze er auf die liberalen Klassiker, "von Adam Smith bis Ralf Dahrendorf", erläutert der Freidemokrat. "Die geben mir unverändert Orientierungshilfe in Wertefragen." Darüber hinaus lobt Lindner den Andrew McAfee-Roman "The Second Machine Age", der die fundamentalen Veränderungen durch die Digitalisierung beschreibe. "Da sich alles ändert, kann man nichts planen", gibt Lindner zu bedenken. Als politische Antwort rücke McAfee das Thema Bildung ins Zentrum. "Wir wissen schon jetzt: Menschen mit Sachverstand und kulturellem Horizont werden sich besser zurechtfinden als andere ohne diese Qualifikationen. Deshalb ist das ein Weckruf, beste Bildung zur ersten Priorität der Politik zu machen", unterstreicht der FDP-Chef.
Zur Lektüre empfiehlt Lindner der Bundeskanzlerin, "Wohlstand für alle" von Ludwig Erhard zu lesen. "Ich finde, dass die Bundeskanzlerin auf der internationalen Bühne gut agiert, dass sie in der Innenpolitik aber sowohl die Werte der sozialen Marktwirtschaft als auch die Aufgabe, unser Land zukunftsfest zu machen, vernachlässigt", führt er aus.
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Können Sie sich mit einem guten Buch von schlechten Umfragewerten ablenken?
Um die FDP machen Sie sich bitte keine Sorgen. Da habe ich keine feuchten Hände und muss mich auch nicht ablenken. Aber ich suche beim Lesen natürlich Inspiration, Unterhaltung, und ich will etwas lernen.
Gibt es Bücher, die Sie geprägt haben?
Sicher. Zum Beispiel als Abiturient Peter Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft", weil dieses Buch Lust darauf macht, den Zeitgeist infrage zu stellen. Wann schrieb mal ein großer deutscher Philosoph Betrachtungen über Fürze und Ärsche, um danach die Tugendwächter bei ihrer reflexhaften Empörung zu beobachten? Das ist immer noch amüsant und anregend.
Sie haben Ihrer Partei verordnet, sich vom Fundament auf zu erneuern. Was ist dafür die richtige Aufbauliteratur?
Zuerst die liberalen Klassiker von Adam Smith bis Ralf Dahrendorf. Die geben mir unverändert Orientierungshilfe in Wertefragen. In der Sache empfehle ich allen, die die Gegenwart verstehen wollen, von Andrew McAfee: The second machine age. Auf Deutsch: "Das zweite Maschinenzeitalter". McAfee beschreibt die fundamentalen Veränderungen durch die Digitalisierung. Da sich alles ändert, kann man nichts planen. Als politische Antwort rückt er das Thema Bildung ins Zentrum. Wir wissen schon jetzt: Menschen mit Sachverstand und kulturellem Horizont werden sich besser zurechtfinden als andere ohne diese Qualifikationen. Deshalb ist das ein Weckruf, beste Bildung zur ersten Priorität der Politik zu machen.
Sie haben noch mehr Bücher dabei, den Roman "Corpus Delicti" von Juli Zeh und "The Circle" von Dave Eggers. Mögen Sie düstere Utopien?
Nein, ich bin ein großer Optimist, weil ich an die Chancen von Technologie glaube. Aber man braucht faire Regeln und einen Ordnungsrahmen. Das thematisiert "The circle". "Corpus Delicti" ist auch ein Beispiel dafür. Darin kommen zwei Dinge zusammen: Der Staat sagt, wie wir gesund zu leben haben. Und die Privatheit geht verloren, weil man in seinem Gesundheitsverhalten auch noch überwacht wird. Es gibt aber ein Freiheitsrecht auf ein bisweilen unvernünftiges, genussvolles Privatleben.
Werte der sozialen Marktwirtschaft achten
Sie haben noch "911" von Ulf Poschardt mitgebracht. Wird man als Porsche verehrender Liberaler eigentlich gemobbt?
Es gibt nichts, was mir egaler wäre als das. Ich lasse mir doch nicht von irgendwem meine persönlichen Leidenschaften vorschreiben! Wen es stört, dass ich automobiles Kulturgut verehre und einen Porsche-Oldtimer als Hobby habe, der soll eben was anderes wählen und nicht mich.
Erklären Sie uns diese Leidenschaft...
Alte Autos sind echter Maschinenbau und zugleich Skulpturen. Das Buch von Poschardt beschreibt die Baureihe 911 von Porsche, die seit mehr als 50 Jahren im Grundkonzept unverändert ist. Er interpretiert sie als Phänomen der Kultur-, Technik- und der Designgeschichte.
Ihre Leidenschaft für den 911er Porsche teilen Sie ja mit Klaus Ernst von der Linkspartei. Gibt es noch mehr, was Sie verbindet?
Es gibt bestimmt noch viel mehr als ihn und mich, die von Sportwagen fasziniert sind, aber als Journalist oder Politiker nicht wagen, es offen zuzugeben. Ich kann nur jeden auffordern: Seid, wer ihr seid, und verbiegt euch nicht, nur um einem Mini-Shitstorm von irgendwelchen schlecht gelaunten Menschen im Internet zu entgehen. Je älter ich werde, desto lieber konfrontiere ich diese Leute mit ihren Empörungsreflexen. Und damit sind wir dann wieder bei Peter Sloterdijks Fürzen.
Welches Buch würden Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lektüre empfehlen?
Von Ludwig Erhard: "Wohlstand für alle". Ich finde, dass die Bundeskanzlerin auf der internationalen Bühne gut agiert, dass sie in der Innenpolitik aber sowohl die Werte der sozialen Marktwirtschaft als auch die Aufgabe, unser Land zukunftsfest zu machen, vernachlässigt.