BRÜDERLE-Interview mit der "Passauer Neuen Presse"
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der "Passauer Neuen Presse„ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Rasmus Buchsteiner:
Frage: Bis vor kurzem galten Sie noch als Widersacher – jetzt ist Philipp Rösler als FDP-Chef wiedergewählt und Sie sind der Spitzenmann für die Bundestagswahl. Warum sollte die Zusammenarbeit nun funktionieren?
BRÜDERLE: Wir wollen gemeinsam den Erfolg der FDP. Zwischen uns passt kein Blatt Papier. Wir werden im Wahlkampf gemeinsam in einem schlagkräftigen Team auf unsere Brot-und-Butter-Themen setzen: Soziale Marktwirtschaft, Bürgerrechte und Bildung.
Frage: Welche Rollenverteilung haben Sie mit Rösler vereinbart?
BRÜDERLE: Der Parteivorsitzende hat als Vizekanzler und Wirtschaftsminister andere Aufgaben als ich. Ich bin freier, weil ich nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden bin. Ich bin eher zuständig für die Abteilung Attacke. Die FDP hat es nie leicht gehabt: Für uns werden weder Kirchenglocken geläutet noch gehen die Gewerkschaften für die liberale Sache Stimmen sammeln.
Frage: Überraschungen bei der Präsidiumswahl auf dem Parteitag: Mit Daniel Bahr und Dirk Niebel wurden gleich zwei amtierende Bundesminister abgestraft. Wie groß sind die Verletzungen?
BRÜDERLE: Das war kein Abstrafen. Drei starke Kandidaten haben sich um eine Position beworben. Am Ende hat sich der erfolgreiche Wahlkämpfer Wolfgang Kubicki nach einer spritzigen Rede durchgesetzt. Daniel Bahr und Dirk Niebel leisten hervorragende Arbeit. Sie werden das sportlich nehmen.
Frage: Homo-Ehe, Steuerpolitik, Energiewende – die FDP grenzt sich ab von der Union. Stehen Sie dennoch uneingeschränkt zu Schwarz-Gelb?
BRÜDERLE: Wir kämpfen für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb. Koalitionen sind Bündnisse auf Zeit. Wir haben keine Fusion mit CDU und CSU beschlossen. Die FDP bleibt eigenständig. Jede Partei schärft vor Wahlen ihr Profil.
Frage: Schwarz-Gelb oder Opposition – wird es für die FDP mehr als die zwei Optionen geben?
BRÜDERLE: Wir werden rechtzeitig vor der Wahl eine eindeutige Koalitionsaussage treffen. Die Wähler müssen wissen, woran sie sind.
Frage: Sie haben zuletzt davon gesprochen, es könne sein, dass die Italiener aus dem Euro „rausgehen". Muss ein Spitzenkandidat seine Worte nicht sorgsamer wählen?
BRÜDERLE: Mitunter werden einzelne Sätze aus dem Gesamtzusammenhang herausgezogen. Ich habe darauf hingewiesen, dass in einer Währungsunion Regeln eingehalten werden müssen. Und jedes Land kann sich dagegen entscheiden, muss dann aber auch die Konsequenzen tragen. Das ist doch logisch. Ich kämpfe weiter für einen starken Euro und setze auf Reformen in Italien.
Frage: Steht Europa vor einer Verschärfung der Krise?
BRÜDERLE: Die Krise ist nicht überwunden. Einige Länder haben bei der Wettbewerbsfähigkeit noch erheblichen Nachholbedarf. Frankreich macht mir durch seinen momentanen Kurs deutlich mehr Sorgen als Italien. Was wir in Deutschland mit der Agenda 2010-Reformen und der christlich-liberalen Stabilitäts- und Wachstumspolitik gemacht haben, muss in anderen Ländern erst noch angefangen werden. Die FDP steht für europäische Solidität und das Einhalten von Verträgen.
Frage: Beim Thema Mindestlohn vollzieht die FDP-Führung einen Schwenk. Werden Sie sich mit der Union schon bald auf ein Konzept gegen Niedrigstlöhne einigen?
BRÜDERLE: Es bleibt dabei: einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, der Arbeitsplätze gefährdet, lehnen wir ab. Wir setzen auf die Tarifautonomie. Für die Einführung von branchenbezogenen Lohnuntergrenzen haben wir bereits Instrumente. Von denen haben wir in der christlich-liberalen Koalition bereits mehrfach Gebrauch gemacht. Wir gucken uns jetzt in Ruhe an, wie wir diese Instrumente möglicherweise noch verbessern können.
Frage: Wie wird sich die FDP verhalten, sollte die Opposition im Bundestag Anträge für die volle Gleichstellung von Homo-Ehen zur Abstimmung stellen?
BRÜDERLE: Auch die Union hat bei dieser Frage bislang nicht einheitlich abgestimmt. Die FDP will die Union überzeugen. Wir kämpfen weiter für die volle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe. Gleiche Pflichten müssen zu gleichen Rechten führen.
Frage: Was halten Sie von den Überlegungen der Union für ein Familiensplitting?
BRÜDERLE: Da wäre ich vorsichtig. Ich warne vor einem Schnellschuss.