10.05.2013FDP-FraktionArbeitsrecht

BRÜDERLE-Interview für die Süddeutsche Zeitung

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der Süddeutschen Zeitung (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Braun:

Frage: Herr Brüderle, Unternehmen haben den Beschluss der FDP zum Mindestlohn teils scharf kritisiert. Verlieren Sie mitten im Wahlkampf Ihre wichtigste Klientel?

BRÜDERLE: Nein, überhaupt nicht. Die Reaktionen sind doch sehr differenziert. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat signalisiert, dass unsere Beschlüsse durchaus Basis sein können, auf der er sich im Rahmen des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes eine Lösung vorstellen kann. Man braucht dort, wo es keine funktionierenden Tarifparteien gibt und damit die Tarifautonomie nicht wirken kann, eine Ersatzlösung. Das ändert überhaupt nichts daran, dass die FDP strikt gegen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ist. 8,50 Euro in München ist was ganz anderes als 8,50 Euro in der Eifel.

Frage: Klassisch liberale Politik ist der Mindestlohn nicht. Driftet die FDP leise nach links?

BRÜDERLE: Keineswegs. Ordnungspolitik ist die Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft. Ihr geistiger Vater Walter Eucken hat schon damals gesagt, dass man, wenn Märkte nicht funktionieren, Regeln braucht. Wir verstoßen nicht gegen die Soziale Marktwirtschaft. Wir leben sie.

Frage: Vor vier Jahren wollte die FDP massiv die Steuern senken. Nun will sie vor allem Steuererhöhungen verhindern. Ist das nicht ein bisschen wenig für eine Partei, für die eine große Steuerreform mal zentraler Teil ihrer Identität war?

BRÜDERLE: Die Wahrheit ist, dass wir in dieser Legislaturperiode 22 Milliarden Euro Entlastung für die Bürger möglich gemacht haben - vom Wachstumsbeschleunigungsgesetz am Anfang bis zur Abschaffung der Praxisgebühr zuletzt. Außerdem spricht sich die FDP im Wahlprogramm nicht nur gegen Steuererhöhungen aus, sondern auch für weitere Entlastungen. So wollen wir in der nächsten Legislaturperiode schrittweise den Solidaritätszuschlag ganz abschaffen. Schon heute fließt weniger als die Hälfte des Aufkommens des Solidaritätszuschlags in den Solidarpakt für die neuen Bundesländer.

Frage: Trotzdem hat sich die Anmutung der Partei in vier Jahren sehr geändert. Ist die FDP vernünftig geworden?

BRÜDERLE: Wir machen vernunftorientierte Politik, 2009 genauso wie jetzt. Politik beginnt immer mit dem Betrachten der Realität. Wir hatten eine Weltfinanz-, Banken- und jetzt eine Eurokrise. Die Welt hat sich verändert und Politik muss dem Rechnung tragen.

Frage: Die FDP verspricht, in der Eurokrise gegen die Inflation und gegen eine lockere Geldpolitik der EZB zu kämpfen. Dies ist gleich der erste Punkt in Ihrem Programm. Heißt das auch: Es ist für Sie das wichtigste Thema im Wahlkampf?

BRÜDERLE: Liberale Politik tritt für das Privateigentum ein und für die Geldwertstabilität. In der Sozialen Marktwirtschaft steuert nicht der Staat die Wirtschaft, sondern die Preissignale in den Märkten, die die Knappheiten richtig widerspiegeln müssen. Sonst wird die Wirtschaft falsch gesteuert. Außerdem ist da noch die soziale Dimension: Inflationäre Entwicklungen treffen Menschen mit kleinem Girokonto und Sparbuch besonders. Sie werden in solchen Lagen teilenteignet. Deshalb ist das für uns so wichtig.

Frage: Sie wollen das Ziel der Geldwertstabilität sogar ins Grundgesetz schreiben. Reicht all dies, um sich von der Alternative für Deutschland abzusetzen?

BRÜDERLE: Unser Ziel ist nicht, uns von irgendjemandem abzusetzen. Wir wollen unsere politischen Ziele umsetzen. Schon Ludwig Erhard wollte die Geldwertstabilität in die Verfassung schreiben. Und wir haben auch die Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben, um Generationengerechtigkeit durchzusetzen. Die Deutschen haben in zwei Währungsreformen ihr Geld verloren. Geldwertstabilität ist deshalb unsere Mitgift für eine gute Zukunft in Europa. Genau deshalb kämpfe ich auch für mehr Transparenz und für ein anderes Stimmgewicht in der Europäischen Zentralbank. Es kann nicht sein, dass Deutschlands Stimme dort genauso viel oder wenig zählt wie die von Malta. Und genau deshalb kritisiere ich auch den Kurs Frankreichs. Deutschland kann den Franzosen keine carte blanche für eine drastische Neuverschuldung geben. Bundesbankpräsident Weidmann hat völlig Recht. Auch für Frankreich müssen die neuen europäischen Regeln gelten.
378-RB_Interview-SZ_10052013.pdf

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