29.08.2013

BRÜDERLE-Interview für die "Passauer Neue Presse"

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:

Frage: Von der FDP ist bisher im Wahlkampf noch nicht viel zu sehen.

BRÜDERLE: Die Bestellzahlen unserer Werbe- und Infomaterialen sagen etwas anderes. Aber im Ernst: Zu den vielen Veranstaltungen, bei denen meine liberalen Mitstreiter und ich täglich in ganz Deutschland sind, kommen sehr viele interessierte Bürgerinnen und Bürger und diskutieren mit uns. Und dass wir die einzige Partei sind, die konsequent gegen höhere Steuern und für Entlastungen kämpft, ist spätestens seit der Soli-Debatte allgemein bekannt. Wir haben eine klare Linie. Wir sind geschlossen. Deshalb gehen die Umfragen auch nach oben. Wir sind gut aufgestellt.

Frage: 2009 hat die FDP im Bundestagswahlkampf Steuersenkungen von mehr als 30 Milliarden Euro versprochen und ein Rekordergebnis von 14,6 Prozent erzielt. Aus den Steuersenkungen wurde nicht viel. Muss die FDP jetzt nicht mit einem Denkzettel der Wählerinnen und Wähler rechnen?

BRÜDERLE: Wir haben die Bürgerinnen und Bürger um insgesamt 22 Milliarden Euro entlastet und gleichzeitig 13 Milliarden Euro mehr in Bildung investiert. Steuersenkungen, niedrigere Rentenversicherungsbeiträge, Abschaffung der Praxisgebühr - wir haben die Schuldenlast reduziert. Im nächsten Jahr werden wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt erreichen. Das sind Erfolge. Unser Land steht gut da. Mit dieser Bilanz gehen wir in die Wahl.

Frage: Aber ohne die Forderung nach umfassenden Steuersenkungen.

BRÜDERLE: Wir wollen weiter konsolidieren und werden für 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Dank der sprudelnden Steuereinnahmen wird es aber auch Spielraum geben, die Bürgerinnen und Bürger noch stärker zu entlasten.

Frage: Noch einmal: An welcher Stelle wollen Sie die Bürgerinnen und Bürger entlasten?

BRÜDERLE: Wir wollen den schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlages bereits in der nächsten Legislaturperiode. Eine Verlängerung des Soli über 2019 hinaus lehnen wir ab. Das werden wir auch im Falle einer Fortsetzung der schwarz-gelben Regierung ganz oben auf die Tagesordnung der Koalitionsverhandlungen setzen.

Frage: Nach der CSU scheint auch die CDU nicht mehr abgeneigt zu sein, eine Pkw-Maut einzuführen, um stärker in die Verkehrsinfrastruktur investieren zu können. Macht am Ende auch die FDP dabei mit?

BRÜDERLE: Eine Pkw-Maut halten wir für falsch. Die Autofahrer sind ohnehin schon die Melkkühe der Nation. Eine Pkw-Maut nur für Ausländer ist auch rechtlich nicht möglich. Wir verfügen bald über Steuereinnahmen von 700 Milliarden Euro. Da sollte es ausreichend Spielraum geben, um Straßen zu bauen und zu erhalten.

Frage: Die Strompreise steigen weiter. Wird die Energiewende zur unkalkulierbaren Kostenfalle?

BRÜDERLE: Das rot-grüne Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) muss grundlegend verändert werden. Das ist reine Planwirtschaft. Wir brauchen eine weitreichende Reform hin zu einem Mengenmodell. Es muss sofort einen Zubaustopp für Windkraft- und Solaranlagen geben. Denn je mehr neue Anlagen bei den jetzigen Subventionsbedingungen dazu kommen, umso teurer wird es für alle Stromkunden. Wir können nicht immer neue Subventionstatbestände schaffen. Strom muss bezahlbar bleiben. Der Ausbau der Netze und die Anschlüsse lassen weiter auf sich warten, weil vor allem rot-grüne Länder nur schleppend vorankommen.

Frage: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat jetzt klargestellt, dass es auch weitere Milliardenhilfen für Griechenland geben wird. Schenken Sie den Wählerinnen und Wählern reinen Wein ein, wie sehr sie künftig durch die Griechenland-Hilfen belastet werden.

BRÜDERLE: Alle Probleme in Griechenland werden - trotz erkennbarer Fortschritte - auch Ende 2014 noch nicht gelöst sein. Dann laufen die bisherigen Maßnahmen aus. Die Troika wird dann prüfen, welche Fortschritte Athen gemacht hat und welche weiteren Hilfen notwendig sind. Wir sollten die Menschen jetzt nicht verunsichern, sondern die Prüfberichte im nächsten Jahr erst einmal abwarten. Alles andere würde auch den Reformdruck auf Griechenland abschwächen. Eins ist klar: Ein Schuldenschnitt wäre der völlig falsche Weg.

Frage: Die Linkspartei wirbt intensiv um SPD und Grüne. SPD-Chef Sigmar Gabriel schließt eine rot-rot-grüne Koalition dagegen aus. Trauen Sie diesen Versicherungen?

BRÜDERLE: Wenn es um das Kanzleramt und die Macht geht, werden SPD und Grüne auch mit der Linkspartei zusammenarbeiten. Wir haben das bereits in Nordrhein-Westfalen erlebt. Da hat die Linkspartei eine rot-grüne Minderheitsregierung toleriert. SPD und Grüne würden dies auch nach der Bundestagswahl in Berlin machen, wenn sich die Chance dazu ergibt. Da habe ich keine Zweifel. Ich traue das der SPD und den Grünen zu. Das NRW-Modell einer von der Linkspartei tolerierten Minderheitsregierung halte ich auch im Bund für möglich. Es wäre aber für Deutschland schädlich. Jedem, der sein Kreuz bei den Grünen macht, muss klar sein, dass er damit nicht nur die SPD sondern auch die Linke wählt.

Frage: Die FDP könnte sich auf ihre staatspolitische Verantwortung berufen und sich als Partner einer rot-gelb-grünen Ampelkoalition anbieten.

BRÜDERLE: Das machen wir nicht. Eine Ampel mit SPD und Grünen wird es nicht geben. Zwei Steuererhöhungsparteien und die FDP, das passt inhaltlich nicht zusammen. Da mögen Teile der SPD noch so sehr mit dem Linkskartell und einer rot-rot-grünen Koalition drohen.

Frage: Zur Außenpolitik: Washington und London planen einen Militärschlag gegen Syriens Diktator Assad. Wird Deutschland an der Seite der Verbündeten stehen?

BRÜDERLE: Das UN-Expertenteam muss jetzt erst einmal Klarheit über den Giftgasangriff in Syrien schaffen. Die Lage ist sehr ernst. Wo auch immer und von wem auch immer: der Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen ist ein zivilisatorisches Verbrechen. Es ist jetzt wichtig, in enger Abstimmung mit den Vereinten Nationen und unseren Verbündeten zu stehen.

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