13.07.2013Innenpolitik

BRÜDERLE-Interview für die Neue Osnabrücker Zeitung

​BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der Neuen Osnabrücker Zeitung (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Beate Tenfelde:​Frage: Herr Brüderle, wie geht es Ihnen nach Ihrem Unfall? Trauen Sie sich Wahlkampf zu?  BRÜDERLE: Die Ärzte sind sehr zufrieden mit mir. Aber sie raten zu Geduld, damit meine Knochenbrüche gut verheilen. Mich drängt es wieder in die Arena. Deshalb mach ich von Zuhause aus fleißig mein Übungsprogramm. Ich freue mich auf den Wahlkampf. Schon jetzt tue ich, was eben möglich ist - und gebe beispielsweise Interviews.Frage: Peilen Sie bei der Bundestagswahl mehr oder weniger verschämt eine Leihstimmenkampagne an und gehen auf Wählerfang im Unionslager? BRÜDERLE: Den Begriff mag ich nicht. Parteien verleihen keine Stimmen. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden sich sehr bewusst, wie sie ihre beiden Stimmen vergeben. Wir wollen die erfolgreiche Koalition mit der Union fortsetzen. Wichtig ist aber auch, dass die Union einen starken Partner hat. Übrigens: Ich persönlich wünsche mir eine Union, die etwas mehr hat von Ludwig Erhard, dem Erfinder der Sozialen Marktwirtschaft, und etwas weniger von Ursula von der Leyen, die ich persönlich durchaus schätze.Frage: In Niedersachsen hat der populäre CDU-Kandidat David McAllister es nicht geschafft, sich und die FDP zum Sieg zu bringen. Trauen Sie Angela Merkel Wunder zu? BRÜDERLE: Mit Wundern hat Angela Merkels hervorragende Politik nichts zu tun. Dass sie so erfolgreich ist, liegt auch an der FDP als ordnungs- und wirtschaftspolitischer Kompass der Mitte. Wir wollen den vier guten Jahren in Deutschland weitere vier gute Jahre hinzufügen.Frage: Halten Sie Koalitionen mit allen demokratischen Parteien für möglich?  BRÜDERLE: Allenfalls in der Theorie, in der Praxis zurzeit sicher nicht. Schwarz-Gelb ist ein Erfolgsmodell. Diese Koalition verhindert das Abkassieren der Wähler durch Steuererhöhungen wie sie SPD und Grünen im Programm haben, obwohl die Steuereinnahmen auf Rekordhöhe geklettert sind. Die FDP will die Steuerzahler entlasten und ab 2015 mit der Rückzahlung von Schulden beginnen.Frage: Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler hat einer Ampelkoalition mit SPD und Grünen eine klare Absage erteilt. Bleibt es dabei, wenn am Wahlabend eine Offerte kommt? BRÜDERLE: Schon eine Diskussion über eine Ampel halte ich für abwegig. Es genügt ja nicht, dass es rechnerisch stimmt. Auf die Inhalte und die Grundphilosophie kommt es an. Wir wollen den Menschen Sicherheit geben, aber auch die Möglichkeit, selbst zu gestalten. Die Grünen wollen eine Verbotsrepublik mit vielen neuen Steuern. Zucker- und Fettsteuer, Plastiktütensteuer - sie verpassen den Menschen für alles und jedes Vorschriften.Frage: Die FDP versucht es auf die sanfte Tour - mit Mindestlohn zum Beispiel. Geht ihr damit der harte Kern verloren, der ganz am Schluss in der Kabine immer das Kreuzchen bei ihr macht?BRÜDERLE: Nein. Denn unser Branchenmindestlohn ist ein anderer als der Einheitslohn von Rot-Rot-Grün. Die drei wollen, dass der Gesetzgeber die Löhne festlegt. Und sie überbieten sich mit Vorschlägen. Erst waren es 6,50 Euro, dann 8,50 Euro und so weiter. Mit vernünftiger Sozialpartnerschaft hat das nichts zu tun. Wir lehnen das ab. Wir wollen, dass die Tarifpartner die Mindestlöhne regional und branchenspezifisch aushandeln. Und wo das nicht möglich ist, übernimmt eine unabhängige Kommission diesen Part. Frage: Sie schaffen fünf oder gar sieben Prozent?BRÜDERLE: Wir haben uns bei aller Bescheidenheit nach oben keine Grenze gesetzt. Die FDP ist die einzige Garantie gegen Steuererhöhungen.Frage: Befürchten Sie eine Schlammschlacht vor der Bundestagswahl? SPD-Chef Sigmar Gabriel vergleicht die Kanzlerin mit einem Dieb, der Südeuropas Jugend die Chancen klaut….BRÜDERLE: Das ist eine üble Entgleisung, die Sigmar Gabriel sich da leistet. Ich hoffe sehr, dass wir Deutschland einen Wahlkampf auf unterstem Niveau ersparen. Das stößt Politikinteressierte ab. Ich finde, der von der Kanzlerin einberufene Gipfel zur Jugendarbeitslosigkeit war ein starkes Signal, das sieht auch der sozialistische Präsident Francois Hollande so. Sonst wäre er nicht nach Berlin gekommen. Frage: Aufregung um die Ausspähung deutscher Internetnutzer durch anglo-amerikanische Geheimdienste. Schlägt jetzt die Stunde der Bürgerrechtspartei FDP?BRÜDERLE: Gerade die FDP hat sich massiv gewehrt gegen anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Sie hat von der Union und der SPD dafür massiv Prügel bekommen, den Schutz von Daten letztlich aber durchgesetzt. Jetzt droht trickreiche Arbeitsteilung, vor der wir dringend warnen. Auch wenn wir von den Erkenntnissen der amerikanischen Geheimdienste profitiert haben sollten, darf es jetzt nicht so sein, dass die Amerikaner das erledigen, was die Deutschen nicht dürfen. Das wäre eine unzulässige Umgehung der vom Bundestag gesetzten Grenzen. Und selbstverständlich muss das Thema Wirtschaftsspionage ganz oben auf die Agenda.  Frage: Ist der ehemalige US-Geheimdienstler Edward Snowden eher Held oder eher Verräter, weil er die US-Abhörpraktiken offengelegt hat?BRÜDERLE: Für eine abschließende Antwort ist es zu früh, auch was sein jetzt mögliches Asyl in Russland angeht. Es gibt eine Reihe von Merkwürdigkeiten und seine Motive sind unklar. Klar ist: Er hat Gesetze gebrochen. Eine unbefleckte Lichtgestalt ist er nicht.Frage: Zum Schluss: Kommt im Fall eines schwarz-gelben Erfolgs in der nächsten Wahlperiode eine Kabinettsreform - ohne eigenständiges Entwicklungsressort und mit einem Energieministerium? BRÜDERLE: Zuerst einmal wollen wir die Wahl gewinnen. Dann verhandeln wir über die Ressortzuschneidung und personelle Besetzung.  Niemand – auch nicht in der FDP – sollte das Fell verteilen, bevor der Bär erlegt ist. Ich war immer dafür, die Energiekompetenz nicht wie bisher zu 85 Prozent dem Wirtschaftsminister und zu 15 Prozent dem Umweltminister zuzuordnen. Die alleinige Zuständigkeit sollte beim Wirtschaftsminister liegen. Die Auflösung des Entwicklungsministeriums haben wir gefordert, als dieses ideologisch gesteuert wurde. Unser Mann Dirk Niebel hat das Ministerium völlig neu aufgestellt und die Entwicklungspolitik grundlegend reformiert.  Dafür wird er nicht nur von Fachkreisen gelobt. 

551-RB Interview NOZ

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