04.09.2013FDP

BRÜDERLE-Interview für die "Freie Presse Chemnitz" und die "Rheinpfalz" Ludwigshafen

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der "Freien Presse Chemnitz" und der "Rheinpfalz" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte TORSTEN KLEDITZSCH:

Frage: Die Finanzkrise ist ein zentrales Thema dieses Wahlkampfs. Deutschland gilt als Sparkommissar. Laufen wir Gefahr, uns in Europa als Oberlehrer aufzuführen

BRÜDERLE: Nein, denn wir sind solidarisch. Aber vom Empfänger unserer Hilfe erwarten wir, dass er die Ursachen der Misere beseitigt. Der deutsche Staatshaushalt ist kein Selbstbedienungsladen.

Frage: Der Widerstand in Südeuropa gegen die deutsche Position wird immer größer.

BRÜDERLE: Unsere Aufgabe ist es nicht, ständig Beifall von unseren europäischen Partnern zu bekommen, sondern das in der Sache Richtige zu tun. Europa steht heute besser da als noch vor zwei Jahren. Wir haben die Instrumente geschaffen, um auf die Krise reagieren zu können. Es gibt durchaus erste Erfolge. In Irland geht es aufwärts. Spanien, Portugal - auch da gibt es Fortschritte. Selbst in Griechenland gibt es die.

Frage: Zumindest bei Griechenland sind Zweifel angebracht. Von dem Ziel, die Verschuldungsquote auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken, ist man noch weit entfernt. Sind Änderungen in der Strategie nötig?

BRÜDERLE: Wollen Sie, wie Rot-Grün das vorschlägt, die Strukturprobleme mit Geld zuschütten und bedingungslos die Haftung für die griechischen Schulden übernehmen? Das wäre das Dümmste, was man machen könnte. Die Kernprobleme des Landes sind realwirtschaftlicher Natur. So etwas wie die Hartz-Reformen in Deutschland hat es dort nie gegeben. Deshalb müssen wir an unseren Forderungen nach strukturellen Veränderungen auch festhalten. Selbst wenn es daran in der griechischen Öffentlichkeit Kritik gibt. Wir fühlen uns den deutschen Steuerzahlern verpflichtet. Wir werden unseren Kurs halten. Politik braucht Charakter.

Frage: Welche Voraussetzungen muss Griechenland aus Ihrer Sicht erfüllen, um ein weiteres Hilfspaket zu erhalten?

BRÜDERLE: Die Entscheidung steht erst im kommenden Jahr an. Ich kann nicht vorhersehen, wie 2014 die Situation in Griechenland genau ist. Im Übrigen haben wir vereinbart, dass die Troika aus IWF, EZB und EU die Lage in Griechenland genau prüft, bevor wir über die Fortsetzung von Finanzhilfen sprechen.

Frage: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat das Thema aber bereits jetzt ins Gespräch gebracht.

BRÜDERLE: Die jetzigen Maßnahmen sind bis Ende 2014 angelegt. Bis dahin muss Griechenland die Auflagen des laufenden Programms erfüllen. Dass dann noch nicht alle Probleme Griechenlands gelöst sind, ist abzusehen. Spekulationen über dann eventuell nötige weitere Hilfen halte ich aber für nicht hilfreich, weil sie den nötigen Reformdruck auf Griechenland schwächen.

Frage: Ist die Finanzkrise nicht eine große Niederlage des Liberalismus?

BRÜDERLE: Denken Sie, wenn man es planwirtschaftlich gemacht hätte, wäre es besser gelaufen?

Frage: Nein, aber an Kontrolle und Regulierung des Marktes hat es ganz offenbar gefehlt.

BRÜDERLE: In Teilbereichen, ja. Da hat Rot-Grün manches zu verantworten. Da wurde nicht reguliert. Wir haben aus der Krise Konsequenzen gezogen und als erstes Land in Europa ungedeckte Leerverkäufe verboten. Aber es waren in Deutschland die staatlichen Landesbanken, die das meiste Geld verbrannt haben, nicht die privaten.

Frage: Wie groß ist das Risiko aus der europäischen Finanzkrise für Deutschland?

BRÜDERLE: Unser Anteil am Rettungsschirm ESM ist 27 Prozent. Dafür haben wir aber auch ein entsprechendes Stimmengewicht im ESM, so dass nichts ohne unsere Zustimmung möglich ist. Eine solche Gewichtung der einzelnen Mitgliedsländer wäre allerdings auch bei der Europäischen Zentralbank nötig. Ich halte es nicht für akzeptabel, dass ein Land wie Malta dort das gleiche Stimmgewicht hat wie Deutschland. Die großen Notenbanken müssen dort mehr Gewicht erhalten als die kleinen. Es kann nicht sein, dass die kleinen, die Schuldnerstaaten bestimmen, was die großen Staaten auf den Tisch zu legen haben.

Frage: In Deutschland wollen Sie die Geldwertstabilität ins Grundgesetz schreiben. Misstrauen Sie künftigen Politikern?

BRÜDERLE: Das wollte schon Ludwig Erhardt. Denn Inflation wäre eine soziale Ungerechtigkeit. Sie trifft die Kleinen mit Sparbuch und Girokonto.

Frage: Aber Deutschland hat schon die Schuldenbremse, die für gesunde Haushalte und Geldwertstabilität sorgen soll.

BRÜDERLE: Das ist auch gut so. Aber auch in schwierigen Situationen darf es nicht einfach schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme geben.

Frage: Die wollen Sie auch ausschließen?

BRÜDERLE: Wir wollen Sie zumindest begrenzen, indem wir die Hürden dafür hochlegen.

Frage: In die Mindestlohn-Debatte hat die FDP die Lohnuntergrenze eingebracht …

BRÜDERLE: … Wir sind weiterhin gegen einen gesetzlichen Einheitsmindestlohn, der keine Rücksicht auf Regionen und Branchen nimmt. Die Lebenshaltungskosten sind zu unterschiedlich, um einen einheitlichen Mindestlohn festzulegen. Wir wollen keine politische Lohnfestsetzung, sonst bekommen wir künftig vor jeder Bundestagswahl einen Überbietungswettbewerb. Nur in den Fällen, in denen es keine funktionierenden Tarifvertragsparteien gibt, soll eine unabhängige Kommission, in der auch wirklich unabhängige und angesehene Persönlichkeiten sitzen, einen Vorschlag für Lohnuntergrenzen machen. Das hat aber nichts mit einem flächendeckenden, einheitlichen Mindestlohn zu tun.

Frage: Ist die FDP, einst die Partei der Besserverdienenden, eine Partei der kleinen Leute geworden?

BRÜDERLE: Wir sind immer eine Partei der breiten Mitte gewesen. Eine freiheitliche Einstellung zu haben, ist keine Frage der Gehaltsgruppe, sondern der Persönlichkeit.

Frage: Sie nehmen für sich in Anspruch, die einzige Partei zu sein, mit der es keine Steuererhöhungen geben wird …

BRÜDERLE: … weil das für uns ein Freiheitsthema ist. In welchem Umfang können sie über ihr hart erarbeitetes Geld selbst entscheiden, in welchem Umfang tun das andere für sie, die sie offenbar für zu doof halten, eigenverantwortlich mit ihrem Geld umzugehen? Das ist wie in der französischen Revolution. Am Anfang standen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Dann kamen die Jakobiner und wussten alles besser. Unsere Jakobiner sind heute die Grünen. Die wollen uns mit ihrem Veggie-Day sogar festschreiben, was wir in den Kantinen zu essen haben.

Frage: Wenn es noch mal zu Schwarz-Gelb kommt, was sollen Sie diesmal anders machen?

BRÜDERLE: Länger und präziser verhandeln. Wir haben 2009 zu schnell die Koalitionsvereinbarung abgeschlossen und zu viele Dinge ungeklärt gelassen.

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