08.05.2013FDP-FraktionAußenpolitik

BRÜDERLE-Interview für die Frankfurter Neue Presse

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der Frankfurter neuen Presse (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sven Weidlich:

Frage: Wie dankbar sind Sie SPD und Grünen für ihre Steuererhöhungspläne? Man hat das Gefühl, als hätten beide damit der FDP den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt.

BRÜDERLE: Alle Gerüchte, wir hätten ihnen das heimlich ins Programm geschrieben, sind falsch. (lacht) Aber im Ernst: Es führt dazu, dass jetzt Klarheit herrscht. SPD und Grüne wollen etwas fundamental anderes als die FDP. Man muss sich eines vergegenwärtigen: Wir haben Steuereinnahmen in Höhe von insgesamt 617 Milliarden Euro, so viel wie noch nie in Deutschland. Und außerdem haben wir einen ausgeglichenen Haushalt. Da muss man erst einmal auf die Idee kommen, da noch Steuererhöhungen für Millionen Bürger draufpacken zu wollen. SPD und Grüne haben ja einen Wettbewerb nach dem Motto „Wer bietet mehr Abzockerei?" Die SPD liegt in etwa bei 35 bis 38 Milliarden Euro, die Grünen bei über 40 Milliarden Euro, die zusätzlich an Steuern erhoben werden sollen. Steuererhöhungen sind völlig falsch.

Frage: Aber dem Wahlkämpfer Brüderle spielt es doch in die Karten.

BRÜDERLE: Ich werde den Bürgern nicht verschweigen, welche Auswirkungen eine rot-grüne Regierung hätte, etwa auf die Familien. Die Abschaffung des Ehegattensplittings hätte gewaltige Folgen und würde Familien immens belasten. Hinzu kommt, dass die Bemessungsgrundlage sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung nahezu verdoppeln würde. Das haut rein und trifft die gesellschaftliche Mitte, also letztlich viele Leistungsträger. Ausgerechnet die Mitte jetzt zu strangulieren, halte ich für völlig falsch.

Frage: Gleichzeitig haben erstaunlich viele Menschen in einer Umfrage Verständnis dafür geäußert, dass man den Wohlhabenden stärkere Beiträge zumuten kann.

BRÜDERLE: Es gibt zu dieser Frage solche und solche Umfragen. Es kommt aber auf den Begriff an. Was ist denn wohlhabend? In den Konzepten der Opposition ist schon eine Chefsekretärin oder ein Journalist wohlhabend. Die sollen reich sein und die Zeche für rot-grüne Fehlpolitik zahlen? Das ist nicht die Politik der Liberalen.

Frage: Was kritisieren Sie noch?

BRÜDERLE: Wir haben ja durch die lang anhaltende Niedrigzinspolitik der Notenbanken ohnehin eine schwierige Situation für Sparer und zum Beispiel Inhaber von Lebensversicherungspolicen. Damit wollen die Notenbanken zur Krisenbekämpfung beitragen. SPD und Grüne schlagen mit Altschuldentilgungsfonds und Eurobonds eine Politik vor, welche die Krise in Europa noch verschärfen würde.

Frage: Die FDP hatte im Wahlkampf des Jahres 2009 Steuersenkungen versprochen, zumindest den Abbau der kalten Progression. Jetzt gerade versprechen Sie nur noch, Steuererhöhungen zu verhindern. Das klingt schon nach Kapitulation.

BRÜDERLE: Das ist nicht richtig, denn wir haben eine breite Entlastung in Höhe von 22 Milliarden Euro durchgesetzt. Ich nenne als Beispiele die höheren Kinderfreibeträge im Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die Abschaffung der Praxisgebühr und den gesenkten Rentenbeitrag. Und wir wollten die kalte Progression abbauen. Aber das war mit Rot-Rot-Grün im Bundesrat nicht zu machen. Diese Blockade kostet eine Facharbeiterfamilie im Jahr 2014 rund 300 Euro. Am letzten Wochenende haben wir uns klar gegen Steuererhöhungen positioniert. Darüber hinaus wollen wir den Solidaritätszuschlag in der nächsten Legislaturperiode abbauen.

Frage: Aber mit welchem Partner wollen Sie das machen?

BRÜDERLE: Das ist unsere Position, …

Frage:Mit der CDU ist das nicht zu machen.

BRÜDERLE: Es läuft doch so: Wir beschließen ein Wahlprogramm der FDP. Die CDU beschließt ihr eigenes. Wer mit uns koalieren will, muss sich nach der Wahl mit uns einigen.

Frage. Wenn man aber sieht, was die FDP 2009 alles wollte, dann haben Sie so gut wie gar nichts durchgesetzt.

BRÜDERLE: Das stimmt nicht! Wir haben die Familien, Arbeitnehmer und Unternehmen entlastet. Es wurden 1,6 Millionen neue Jobs geschaffen, die Reallöhne steigen seit drei Jahren und wir haben 13 Milliarden mehr in Bildung und Forschung investiert. Ist das nichts?

Frage: Sie haben auch neue Belastungen geschaffen.

BRÜDERLE: Nein, netto unterm Strich gibt es eine Entlastung von 22 Milliarden Euro. Wir haben gespart. Andere Regierungen hatten dazu nicht den Mut.

Frage. Herr Brüderle, das klingt, als hätten Sie alles richtig gemacht.

BRÜDERLE: Das müssen andere beurteilen. Aber es waren vier gute Jahre für Deutschland.

Frage. Aber zwischendurch sah es doch mal so aus, als würden Sie gar nicht mehr den Hals über Wasser bekommen. Dafür gab es ja hausgemachte Gründe. Ist das alles abgearbeitet?

BRÜDERLE: Die FDP hat sich personell und inhaltlich aufgestellt. Wir haben zum Beispiel einen Mitgliederentscheid zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM durchgeführt. Keine andere Partei hat es gewagt, die Mitglieder so umfassend zu beteiligen und den Kurs bestimmen zu lassen. Es gab mit knapp 55 Prozent eine Mehrheit für den ESM. Die Gegner haben diese Entscheidung auch akzeptiert. Der ESM wurde beschlossen. Damit gibt es Hilfe für unsere europäischen Nachbarn nur noch gegen Gegenleistung. Und der ESM hat einen weiteren großen Vorteil. Für eine Entscheidung über Finanzhilfen an Schuldenstaaten benötigt man 80 Prozent der Stimmen, und Deutschland hat 27 Prozent. Es gibt also keine Entscheidung dort ohne die Zustimmung Deutschlands.

Frage: Zu einem Thema, das – Sie haben es schon angesprochen – die Sparer belastet: Ist es richtig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins so niedrig hält? Derzeit steht er bei 0,5 Prozent.

BRÜDERLE: Die EZB entscheidet unabhängig. In einer Situation, in der die Wirtschaft in vielen europäischen Ländern darniederliegt, ist die Zinspolitik ein wichtiges Instrument. Aber wenn die EZB zu lange eine solche Politik betreibt, läuft man Gefahr, dass es nicht funktioniert.

Frage: Wäre es denkbar, dass Deutschland auch im EZB-Rat eine Sperrminorität erhält? Schwebt Ihnen so etwas vor?

BRÜDERLE: Ja, das ist unser Ziel. Denn Deutschlands Stimmgewicht muss auch seiner wirtschaftlichen Kraft entsprechen. Es kann nicht sein, dass Deutschland das gleiche Stimmengewicht hat wie Malta, aber eine vielfach höhere Haftung. 

Frage: Noch eine Frage zu einer neuen Konkurrenz für Sie, der Euro-kritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Ist nicht aus Ihrer Sicht zu befürchten, dass sie viele Stimmen abgräbt?

BRÜDERLE:  Man muss die Sorge der Bürgerinnen und Bürger um den Euro ernst nehmen. Deshalb ist es zum Beispiel wichtig, dass der europäische Fiskalpakt umgesetzt wird, der eine Schuldenbremse für 25 EU-Länder vorsieht. Alle müssen sich an die Spielregeln halten. Solidarität ist keine Einbahnstraße, wir sind hilfsbereit, aber nicht ohne Gegenleistung. Die Gegenleistung für Hilfe muss sein, dass die betroffenen Staaten Ihr Möglichstes tun, um die Ursache ihrer Misere zu beseitigen. Ohne Reformen zum Beispiel des Arbeitsmarktes geht es nicht. Das Beispiel Irland zeigt, dass es mit Reformen wieder bergauf geht.

Frage: Aber was bedeutet die Neugründung der AfD für Sie?

BRÜDERLE: Ich glaube nicht, dass sie nachhaltig erfolgreich sein kann. Die Partei hat keinen Lösungsansatz zur Bewältigung der Euro-Krise. Der Weg zurück zur D-Mark ist nicht die Lösung. Wenn wir zur alten Währung zurückkehrten, führte dies dazu, dass sie stark aufgewertet würde.  Gleichzeitig würde der Euro in den verbliebenen Ländern kräftig abgewertet. Das Resultat wäre eine Katastrophe für die deutsche Exportwirtschaft. Denn dann könnten die deutschen Maschinen- und Autobauer ihre Produkte nicht mehr verkaufen, und die Beschäftigten stünden auf der Straße.

Frage: Glauben Sie, dass die AfD eher Bestand haben wird als die Piratenpartei?

BRÜDERLE: Ich sehe beide Fälle ähnlich und glaube nicht, dass Protest- und Ein-Thema-Parteien langfristig Bestand haben.

Frage: Wird denn deren Thema, die Sorgen um Europa und den Euro, das wahlbestimmende Thema für die Bundestagswahl sein?

BRÜDERLE: Man kann heute noch nicht sagen, was im September wahlbestimmend ist. Aber dass es ein wichtiges Thema ist, steht außer Frage. Bei allen Fragen um den Euro gibt es für mich einen Grundsatz: Deutschland darf sich nie mehr singularisieren und sich nie mehr isolieren.

368-RB Interview-FNP-08052013

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