01.10.2012FDP-FraktionEU-Politik

BRÜDERLE-Interview für die elde

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der elde (Ausgabe 4-2012) das folgende Interview. Die Fragen stellte Daniel Kölle.

elde: Herr Brüderle, haben Sie vor der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum ESM gezittert?

BRÜDERLE: (lacht) So angsteinflößend sind die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht. Aber Spaß beiseite: Die Entscheidung in Karlsruhe hatte schon eine enorme Bedeutung. Ganz Europa hat genau hingesehen und auf das Urteil gewartet. Ich war im Vorfeld sehr zuversichtlich, dass unsere Maßnahmen zur Eurostabilisierung der Prüfung standhalten würden und bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht das auch so sieht.

elde: Also sicher waren Sie sich nicht?

BRÜDERLE: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in der Hand Gottes" lautet ein bekanntes Sprichwort. Aber FDP und Union haben sorgfältig gearbeitet. Wir haben über den ESM ausführlich diskutiert, bevor wir ihn mit großer Mehrheit beschlossen haben. Nun steht höchstrichterlich fest: Der ESM ist verfassungskonform und wir können unsere Stabilitätspolitik für unsere Währung fortsetzen.

elde: Aber es gab auch Vorbehalte durch das Gericht: eine feste Haftungsgrenze und mehr Informationsrecht für den Bundestag. Hat das die Koalition nicht bedacht?

BRÜDERLE: Das Gericht verlangt eine völkerrechtliche Klarstellung, damit mögliche Unsicherheiten des ESM-Vertragstextes ausgeräumt werden. Das ist gut so, denn es entspricht unserer Position, insbesondere was die vereinbarte Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro angeht. Es darf keine Automatismen geben, die am Bundestag vorbei die Haftung Deutschlands erhöhen könnten. Für die Beteiligungsrechte des Bundestages haben gerade wir Liberalen im Parlament hart gerungen. Die Klarstellung des Gerichts stärkt uns als Bundestag den Rücken und das begrüße ich sehr.

elde: Der Weg für den ESM ist nun frei und er soll wohl Anfang Oktober in Kraft treten. Ist das denn endlich der Befreiungsschlag in der Eurokrise?

BRÜDERLE: Es ist ein enorm wichtiger Schritt. Der ESM enthält klare Regeln dafür, Krisenländern nach klaren Kriterien zu helfen. Um Hilfsmittel zu bekommen, müssen sie harte Einschnitte vornehmen, konsequent Anpassungsprogramme durchführen, sparen und so den Kern allen Übels, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit bekämpfen. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir helfen unseren europäischen Partnern, aber wir verlangen Gegenleistungen dafür. Uns allen muss aber klar sein, dass der Weg, den wir gehen, sehr steinig ist. Wir sind noch nicht über den Berg. Eurorettung ist eher Marathon als Kurzstrecke. Die Ursachen der Schuldenkrise liegen vor allem darin, dass Rot-Grün als eine Art Brandbeschleuniger zuerst die Stabilitätskriterien in Europa gelockert und dann selbst auch noch mit einem fröhlichen Schuldenmachen dagegen verstoßen hat. Andere Länder folgten. Wir müssen den rot-grünen Scherbenhaufen jetzt wegräumen.

elde:Was kommt als Nächstes? Die von der Opposition geforderten Eurobonds oder der Altschuldentilgungsfonds, den auch die Europaabgeordneten der FDP fordern?

BRÜDERLE: Mit mir nicht. Wir müssen die beschlossenen Instrumente wirken lassen, bevor wir wieder über Neues spekulieren. Eine Vergemeinschaftung von Schulden durch die Hintertür lehnt die FDP-Bundestagsfraktion ganz klar ab - egal ob sie in Form von Eurobonds, Altschuldentilgungsfonds oder einer Banklizenz daherkommt. Wir sind solidarisch und helfen unseren europäischen Partnern, wieder für Investitionen attraktiv zu werden. Wir haben dafür den Fiskalpakt, den ESM und die EFSF auf den Weg gebracht. Rot-grüne Schuldenunionspläne widersprechen unseren liberalen Grundüberzeugungen und wären pures Gift. Man muss für sein Handeln auch selbst die Verantwortung tragen. Wenn man aber Schulden macht und andere dafür haften, dann passt das nicht zusammen.

elde: Das Ansehen Europas hat sehr gelitten. Sehen Sie die Gefahr, dass wir Deutschen europamüde werden?

BRÜDERLE: Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen Europa nur wahr über manch unsinnige Verordnung. Denken Sie nur an die Glühlampen, die in allen Geschäften ausgetauscht werden mussten. Als hätten wir zur Zeit keine anderen Probleme! Dabei dürfen wir aber eines nicht vergessen: Europa ist viel mehr als eine gemeinsame Union. Die EU ist das größte politische Projekt, das es in Europa jemals gab. Es ist die Garantie für jahrzehntelangen Frieden, für unser Wirtschaftswachstum und für unseren deutschen Wohlstand. Europa hat seinen Preis, aber es hat vor allen Dingen einen Wert. Deswegen will ich ein starkes Europa und werbe leidenschaftlich dafür.
765-rb_interview-elde_4_2012_9.pdf

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