14.09.2013FDP

BRÜDERLE-Interview für die „Augsburger Allgemeine“

Berlin. Der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, FDP-Präsidiumsmitglied und Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE gab der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Michael Stifter:

Frage: Sie haben in diesem Jahr einiges mitgemacht. Sexismus-Vorwürfe, die FDP in Existenznot und Ihr schwerer Unfall mit mehreren Knochenbrüchen – haben Sie daran gedacht, aufzugeben?

BRÜDERLE: Nie.

Frage: Macht Politik süchtig?

BRÜDERLE: Nein. Aber sie macht viel Freude.

Frage: Sie wollen mit der Union weiterregieren. Dabei hat selten eine Koalition ein derart zerstrittenes Bild abgegeben...

BRÜDERLE: Ja, wir hatten ein paar Anlaufschwierigkeiten nach elf Jahren in der Opposition. Aber es hat sich ja dann sehr gut gefügt. Und in der Bilanz steht kein Land in Europa besser da als Deutschland.

Frage: Und doch ist sich die FDP gerade mit der CSU nur selten einig, ob es nun um das Betreuungsgeld, die Maut oder die Abschaffung der Gewerbesteuer geht. Wie kommen Sie eigentlich mit Horst Seehofer klar?

BRÜDERLE: Ich komme mit Horst Seehofer gut aus. Ich schätze ihn. Wir duzen uns. Aber ich sage auch: Man darf ihn nicht allein regieren lassen. Und zur Zusammenarbeit mit der CSU nur so viel: Reibung setzt auch Energie frei.

Frage: Wenn Sie im Falle neuer Koalitionsverhandlungen das Betreuungsgeld wieder infrage stellen, dürfte es Ärger mit Ihrem Duz-Freund geben.

BRÜDERLE: Das müssen wir in Kauf nehmen.

Frage: In Bayern und im Bund regiert die Union mit der FDP. Dem Land geht es gut. Warum profitieren CDU und CSU davon, die Liberalen aber nicht?

BRÜDERLE: Medial wird immer stärker der Eindruck erweckt, als ob wir in Deutschland ein Präsidialsystem hätten. In der öffentlichen Wahrnehmung geht es nur noch um Merkel oder Steinbrück. Wir wählen aber den Bundestag und nicht eine Kanzlerin oder einen Kanzler.

Frage: Sie gelten als eine der letzten verlässlichen Größen in der FDP, warum wollten Sie denn nicht Parteichef werden, als sich die Chance geboten hat?

BRÜDERLE: Weil ich für eine Teamlösung war und bin. Es war nicht mein Ziel, Parteivorsitzender zu werden.

Frage: Nie?

BRÜDERLE: Vielleicht hätte ich das vor 20 Jahren anders gesehen.

Frage: Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion sind Sie aber gerne. Wollen Sie das nach der Wahl bleiben?

BRÜDERLE: Das ist ein geschickter Versuch von Ihnen, aber ich beteilige mich nicht an Postenspekulationen.

Frage: Mit Schwarz-Gelb haben Sie sich immerhin auf eine Wunschkoalition festgelegt. Was haben Sie denn gegen eine Ampel mit SPD und Grünen?

BRÜDERLE: Wir verstehen unter Gerechtigkeit Leistungsgerechtigkeit. Wer mehr arbeitet, soll mehr haben. SPD und Grüne wollen eine Umverteilungsgerechtigkeit. Die sehen: Da hat sich jemand etwas erarbeitet, das müssen wir weggrapschen. Das ganze linke Kartell steht dafür.

Frage: Was halten Sie von Peer Steinbrück?

BRÜDERLE: Er ist menschlich durchaus in Ordnung. Aber es ist ein Fehler, wenn ein rechter Sozialdemokrat die linke Politik der SPD vertreten soll.

Frage: In einem Interview, in dem der Befragte nur mit Gesten antworten darf, hat er den Stinkefinger gezeigt, als es um spöttische Spitznamen wie Pannen-Peer ging. Wie finden Sie das?

BRÜDERLE: Ein potenzieller Kanzler verhält sich so nicht. Und der möchte die Bundesrepublik Deutschland im Ausland vertreten?

Frage: Viele Menschen sehnen sich nach Typen in der Politik. Gleichzeitig ist die Empörung groß, wenn Kandidaten anecken oder provozieren.

BRÜDERLE: Es gibt ja auch noch etwas zwischen Klartext und Stillosigkeit.

Frage: Die Alternative für Deutschland nimmt für sich in Anspruch, eine Klartext-Partei zu sein. Was halten Sie von der neuen Gruppierung?

BRÜDERLE: Ein-Thema-Parteien mit drei Seiten Programm lösen keine Probleme. Ich sage jedem: Wer am 22. September als Protestwähler oder Nichtwähler ins Bett geht, kann als rot-rot-grüner Steuerknecht wieder aufwachen.

Frage: Sie sind jetzt 68. Haben Sie noch Lust auf einen Neuanfang, sollte die FDP aus dem Bundestag fliegen? Die Antwort „Diese Frage stellt sich nicht“ gilt übrigens diesmal nicht.

BRÜDERLE: Doch, bei mir schon. Denn Ihre Annahme ist völlig absurd.

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