BEER-Interview: Wir wollen Trendwenden
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab der „Wetzlarer Neue Zeitung“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Hagen Strauß.
Frage: Frau Beer, lacht die Sonne wieder über Jamaika?
Beer: Das Wetter war am Montag besser als in der vergangenen Woche. Aber ernsthaft: Es geht darum, dass wir inhaltlich vorankommen. Deswegen haben wir in den Sondierungen alles vor die Klammer gezogen, worauf wir uns jetzt schon verständigen können. Bei den Konfliktthemen wird es nächste Woche darauf ankommen, weitere Details zu klären.
Frage: Welche sind das aus Sicht der FDP?
Beer: Uns geht es darum, Trendwenden zu erreichen. Wir wollen etwa eine faire Balance zwischen Privat und Staat in diesem Land. Deswegen sind für uns die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge besonders wichtig. Darüber hinaus brauchen wir eine realistischere Energiepolitik, damit Strom für die Bevölkerung wieder bezahlbar ist und die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird. Und wir brauchen mehr Ordnung bei der Zuwanderung. Unser Vorschlag dazu ist ein Einwanderungsgesetz.
Frage: Ist denn die Bereitschaft bei allen gestiegen, auch mal von eigenen Positionen abzurücken?
Beer: Nach meinem Eindruck schon. Nehmen Sie das Themen Innen und Recht. Da ist jeder aus seiner Ecke gekommen und alle vier Parteien wollen nun eine neue Balance zwischen Sicherheit und Bürgerrechten. Den Rechtsstaat in dieser Weise zu stärken, ist ein Fortschritt.
Frage: Jamaika würde viel Geld ausgeben für Bildung oder für Digitalisierung. Bleibt da überhaupt noch Raum für Steuersenkungen?
Beer: Ja. Darauf pochen wir und darüber werden wir uns im Detail unterhalten müssen. So haben wir darauf hingewiesen, dass wir die bisherige Finanzplanung der großen Koalition nicht einfach weiterführen wollen. Wir müssen auch an große, ausgabenrelevante Brocken der Vergangenheit heran.
Frage: Reicht ihnen allein die Abschaffung des Soli?
Beer: Daran halten wir fest. Es geht uns aber auch um die kalte Progression, die dafür sorgt, dass kleinere und mittlere Einkommen von Gehaltssteigerungen nicht profitieren. Oft sind hier Änderung versprochen worden. Das muss jetzt auch umgesetzt werden.
Frage: Unionsmann Jens Spahn will die Rente mit 63 auslaufen lassen. Gehen Sie an dem Punkt mit?
Beer: Wir werden in den weiteren Gesprächen sehen, ob das die Meinung von Herrn Spahn ist oder der Union. Uns ist wichtig, dass wir die Sozialabgaben insgesamt unter 40 Prozent drücken. Und damit ist auch klar, dass wir bei der Rente zu einem neuen Generationenvertrag kommen müssen. Das bedeutet, nicht nur Rücksicht auf einzelne Gruppen zu nehmen, sondern insgesamt eine faire und tragfähige Lösung zu schaffen.
Frage: Die Liberalen möchten ja gerne das Finanzministerium übernehmen. Es heißt jetzt aus informierten Kreisen, die Union wolle ihnen das Ressort nur entmachtet überlassen. Ärgert Sie das?
Beer: Über die Zuschnitte von Ministerien wird jetzt nicht gesprochen. Erst reden wir über Inhalte. Und erst am Schluss darüber, wie alle Parteien sich angemessen vertreten sehen.
Frage: Kann der Zug nach Jamaika überhaupt noch entgleisen?
Beer: Ich bleibe dabei: Die Chancen stehen 50 zu 50, eine Jamaika-Koalition zu schmieden. Ohne Mut bei allen Beteiligten wird es am Ende nicht gelingen.