31.08.2017FDPArbeit

BEER-Interview: Ausbildungsplatz-Garantien wären falsch

Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab „SWR2“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Mirjam Meinhardt:

Frage: Wir haben Fachkräftemangel. Es gibt zu wenige Ausbildungsplätze. Da wäre eine Ausbildungsplatzgarantie doch eine gute Idee, oder?

Beer: Nein, ich glaube wir müssen sehen, wir haben ja sehr, sehr viele offene Ausbildungsstellen, auch viele Unternehmen, die mittlerweile, weil sie keine Auszubildende finden, die auf ihre Stellen passen, keine weiteren Stellen anbieten. Wir müssen die Passgenauigkeit in der Vermittlung, zwischen den Bewerbern die suchen und denen, die gerne ausbilden würden, verbessern. Und das hat viel mit der grundständigen Schulausbildung, gerade in unseren Haupt- und Realschulen zu tun.

Frage: Wie könnten Sie denn die Betriebe dazu bringen doch mehr auszubilden. Sie sagen es liegt an der Ausbildung. Aber das kann ja nicht alles sein, oder?

Beer: Naja, es gibt sehr, sehr viele Betriebe, da muss man sich vor Augen führen, das sind nicht die großen DAX30-Unternehmen, die dann 10, 20 Auszubildende haben. Sondern das sind kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe, die alle ein, zwei Jahre einen Auszubildenden aufnehmen können, weil sie selber nur fünf vielleicht zehn Mitarbeiter haben, die sich schwertun, wenn junge Menschen zu ihnen in Ausbildung kommen, die sehr viel schulischen Nachhofbedarf haben, die nicht unmittelbar einsetzbar sind. Und ich glaube wir müssen an zwei Stellen ansetzen, das eine ist schlicht unsere Schulausbildung, gerade in den Haupt- und Realschulen zu verbessern. Das geht nur durch kleine Einheiten und nicht in dieser Weiterführung der Tendenz zu großen Gesamtschulen. Und das andere ist, diesen Betrieben, die bereit sind, Jugendliche auch mit Defiziten aufzunehmen, zu begleiten in der Ausbildung. Das heißt zu investieren in Programme, wo spezialisierte Fachkräfte in den Betrieben, in den Berufsschulen nach Jugendlichen gucken, die sich schwertun, damit wir verhindern, dass Jugendliche, die eine Ausbildung aufgenommen haben, diese abbrechen, und auch die Betriebe entlasten, die ansonsten damit überfordert wären.

Frage: Das heißt, Sie wollen die Betriebe-Entlastung glauben, dass dadurch dann die Betriebe auch mehr ausbilden. Ich meine, im Grunde haben die Betriebe selbst ja auch ein Interesse auszubilden, denn wir haben den Fachkräftemangel, oder?

Beer: Ja völlig richtig. Genau deswegen versuchen Betriebe auch immer wieder junge Menschen aufzunehmen, weil sie eben wissen, dass sie rechtszeitig auf Nachwuchs setzen müssen. Gerade im Handwerk, gerade auch in den mittelständig geprägten Gewerbebetrieben. Aber sie machen zu oft die Erfahrung, dass junge Menschen auch nicht durchhalten, wenn es mal schwierig wird. Ich habe einfach zu viele Handwerksmeister und Unternehmer gesprochen, die irgendwann gesagt haben, ich habe jetzt den dritten Abbruch, sorry, ich kann es mir dann auch nicht mehr leisten. Und deswegen müssen wir schauen, dass wir junge Menschen erstens von der Schule her schon so stark machen, dass sie in der Ausbildung auch erfolgreich sein können und dann dort wo es Schwierigkeiten geben könnte, helfen. Wir haben in Hessen, sehr, sehr gute Erfahrung damit gemacht, dann wirklich zu intervenieren an solchen Stellen. Es sind ja häufig soziale Probleme, die dann einer Ausbildung plötzlich von der Reife her erschweren und da müssen wir helfen, damit so eine Ausbildung, die erst mal zustande gekommen ist, dann nicht abgebrochen wird, weil das Frust nicht nur bei den jungen Leuten, sondern eben auch bei den Ausbildungsbetrieben hinterlässt.

Frage: Ausbildungsreife ist natürlich ein Stichpunkt. Jetzt ist es nur so, dass in vielen Umfragen eben auch rauskommt, dass die Auszubildenden auch in den Betrieben nicht glücklich sind, weil viele Betriebe offenbar Auszubildende auch oft als billige Arbeitskräfte einsetzen, also eher ausbeuten, als ausbilden und da liegt natürlich dann ein Problem.

Beer: Ja, wenn das so wäre, dann liegt da ein Problem, dem man aber bei unkorrekten Umgang mit Auszubildenden, dem kann man jetzt schon begegnen. Da haben wir gesetzliche Regelungen für. Ich glaub man muss ein bisschen Verständnis dafür haben, dass kleine und mittelständische Betriebe Auszubildende ja eher als Teil, sag ich mal, der Betriebsfamilie haben und von daher eigentlich sich wirklich auch sehr sozial um ihre junge Menschen kümmern.

Frage: Jetzt obliegt die Kontrolle der Betriebe, der Industrie- und Handelskammer. Jetzt ist natürlich die Frage, ob die IHK ihre eigenen Mitglieder auch tatsächlich kontrollieren kann, ob eine Ausbildung gut funktioniert, oder?

Beer: Die Betriebe insgesamt und auch ihre Organisation in den Kammern, es betrifft ja die IHKs genauso wie die Handwerkskammern, haben ja selbst ein Interesse daran, dass diese Qualität hochgehalten wird. Das heißt, man beschäftigt sich auch hier mit sehr vielen Projekten, die die Qualität auch der Ausbilder weiter steigert. Ich glaube, das ist ein erheblicher Punkt, dafür schauen, dass nicht nur die formalen Ausbilder, sondern, dass auch das sonstige Personal in solch einem Betrieb, noch stärker qualifiziert wird, im Hinblick auch auf die pädagogische Unterstützung von jungen Menschen in Ausbildung.

Frage: Sie haben die Qualität angesprochen. Die zweite Forderung des DGB zielt ja darauf, dass Berufsbildungsgesetz zu reformieren. Sehen Sie da auch einen Bedarf?

Beer: Also ich muss sagen, ich glaube, dass der wirklich sehr überschaubar ist, weil letztendlich wären sie durch staatliche Zwangsmaßnahmen, noch mehr Reglementierung, Betriebe nicht anreizen, mehr junge Menschen, gerade auch mehr junge Menschen mit Defiziten, in Ausbildung aufzunehmen, sondern sie müssen vor Ort, in der Ausbildung, bei dem jungen Menschen, bei dem Betrieb der sich überfordert fühlt, da müssen sie stärken und das ist ein anderer Ansatzpunkt.

Frage: Und wo soll das Geld dafür herkommen, um die Betriebe zu unterstützen?

Beer: Na gut, dass muss es uns als Gesellschaft wert sein. Wir sehen, dass wir in eine immer größere Fachkräfteschere laufen, wir sehen, dass auf der anderen Seite viele junge Menschen nicht erfolgreich genug ihre eigenen Projekte und Ideen umsetzen können. Ich glaube, dass wir als Gesamtgesellschaft ein Interesse daran haben, viel prioritärer in Bildung zu investieren, gerade an den Punkten, wo Menschen sich schwertun und nicht immer nur den Blick auf die akademische Bildung zu richten.

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