22.08.2014FDPKultur

BEER-Gastbeitrag: Keine Kultur ohne Freiheit

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER schrieb für „Politik & Kultur“ (kommende Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

„Kultur ist nichts Sichtbares, sondern das unsichtbare Band, das die Dinge zusammenhält.“ Diese wunderbare Beschreibung des französischen Moralisten Joseph Joubert (1754-1824) ist heute noch genauso treffend wie vor 200 Jahren.

Kunst und Kultur sind die Klammern der Gesellschaft: Quellen unserer Identität und Kreativität. Kultur hält uns den Spiegel vor und ist Motor für Wandel und Innovation. Kultur ist die Hefe für jede Art gesellschaftlicher Entwicklung. Kurz: wer Kultur aufgibt, gibt die Gesellschaft auf. Kultur ist provozierend und ermutigt Querdenker. An der Schwelle zu Web 3.0 steht die Kultur vor großen Herausforderungen und folgerichtig vor notwendigen Anpassungen. So werden wir etwa die Definition von Kultur erweitern müssen, um die neuen Facetten, die sich aus den modernen Technologien entwickeln, abzudecken. Dies erfordert leidenschaftliche Kulturschaffende ebenso wie eine engagierte Kulturpolitik.

Staatsziel Kultur

„Kultur von allen, Kultur für alle“ ist das liberale Prinzip. Liberale Kulturpolitik stellt den Menschen in den Mittelpunkt, als Künstler, Gestalter, als Förderer und als Adressat von Kunst und Kultur. Folgerichtig ist für uns Kulturförderung keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft, in alle Bereiche des täglichen Lebens. Der identitätsstiftende Charakter der Kultur wird angesichts der demografischen Entwicklung künftig vor neue Herausforderungen gestellt: Kultureinrichtungen und Kunststätten müssen ihre Angebote an die veränderte Gesellschaft anpassen und Potenziale neuer Zielgruppen erschließen. Dazu werden Attribute wie interkulturelle Kompetenz und Flexibilität in der Ansprache wichtig sein. Das gilt umso mehr angesichts der sich stetig verändernden Lebenslagen und  Konsumgewohnheiten in unserer medialen Gesellschaft.

Damit Kultur auch künftig eine ausdrückliche identitätsstiftende, wertevermittelnde und sinngebende Funktion übernehmen kann, müssen zudem die Rahmenbedingungen stimmen. Die FDP plädiert schon lange dafür, das Staatsziel Kultur im Grundgesetz zu verankern. Wenn wir die natürlichen Grundlagen in Form des Umweltschutzes unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes stellen, hat die Kultur als geistige Lebensgrundlage unserer Gesellschaft diesen besonderen Schutz ebenbürtig verdient. Deutschland ist eine Kulturnation und wir sollten uns in unserer Verfassung dazu bekennen. Dies umso mehr, als Kunst und Kultur heute nicht mehr „nur“ die Arbeit in und die Präsentation der ursprünglichen „klassischen“ Sparten beinhalten, sondern das gesamte kreative Potenzial unserer Gesellschaft widerspiegeln. Hier entsteht unsere Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit. Gleichzeitig leisten Kunst und Kultur Beiträge zu so unterschiedlichen Bereichen wie Bildung, Wirtschafts- und Standortförderung, Jugend-, Sozial- und Integrationsarbeit. Daher bekenne ich mich ausdrücklich zur öffentlichen Kulturförderung.

Kulturelle Bildung

Neben einer ausreichenden finanziellen Grundausstattung, zu der ich selbstverständlich auch die private Förderung durch Mäzenatentum, Stiftungen und Spenden zähle, ist der Ausbau der kulturellen Bildung die zweite tragende Säule, um der Kultur die ihr zustehende bedeutende Rolle innerhalb unserer Gesellschaft zu sichern. Wir müssen gewährleisten, dass der vielfältige Zugang zu Kunst und Kultur unabhängig von sozialer Herkunft und Bildungsniveau erhalten bleibt. Daran werden wir gemessen. Wir sind eine Kulturnation und können es uns nicht leisten, auf dem Gebiet der kulturellen Bildung zu schwächeln. Die Verbesserung der kulturellen Bildung ist eine Zukunftsaufgabe von höchster Priorität. Kulturelle Bildung fördert gesellschaftliche Teilhabe, Integration, Chancengerechtigkeit und persönliche Entfaltung für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft. Erfreulich ist aus meiner Sicht, dass bei der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen der außerschulische Bereich eine immer größere Rolle spielt. In vielen Städten finden sich Spielstätten und Theater, in denen ausschließlich kulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche auf dem Programm stehen. In diesem Zusammenhang sei außerdem auf die Bedeutung der zahlreichen Angebote privater wie auch öffentlicher Einrichtungen verwiesen, von den Laien- und Amateurensemble über örtliche gemeinnützig betriebene Museen bis hin zu Kunstvereinen, die mit ihren breit gefächerten Angeboten für die Vielfalt unseres Kulturlebens sowie für die Förderung kultureller Bildung unentbehrlich sind. Für dieses stete Engagement gebührt ihnen unser Dank und unsere Unterstützung.

Kulturelle Vielfalt fördern

Die kulturelle Vielfalt Deutschlands ist geprägt und wird bereichert durch den interkulturellen Austausch in unserem Land genauso wie durch den Austausch mit unseren internationalen Partnern. Kultur darf nicht an Grenzen enden, nicht an ethnischen, religiösen oder nationalen – und auch nicht im Kopf! Ich bekenne mich zur Förderung des interkulturellen Austauschs in Kunst und Wissenschaft. Hier sind die Akteure der „Freien Szene“ und der „Soziokultur“ mit ihrem bedeutenden Beitrag zu erwähnen. Sie sind eine unverzichtbare Ergänzung zu den traditionellen Kulturinstitutionen. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es von grundlegendem Interesse, dass die „Freie Szene“ und die „Soziokultur“ ihren Aufgaben gerecht werden können. Sie tragen dazu bei, neue Gruppen für die Kultur zu begeistern und sind durch ihre Mobilität ein wesentlicher Faktor in strukturschwachen Regionen.

Überlebensfähigkeit der Künstler und Kulturtreibenden sichern

Kreative und Künstler sind wie wir alle auf wirtschaftliche und finanzielle Absicherung angewiesen. Hier die geeigneten Rahmenbedingungen zu setzen, ist eine der vordringlichen Aufgaben des Gesetzgebers. Kultur- und Kreativwirtschaft ist ohne den umfassenden Schutz geistigen Eigentums nicht lebensfähig. Es ist im ureigenen Interesse jeder Gesellschaft, diesen Schutz zu gewährleisten. Eine zivilisierte Gesellschaft muss daran gemessen werden, welchen Wert sie geistigem Eigentum zumisst. Dies gilt umso mehr angesichts der weiter fortschreitenden Digitalisierung. Bestehende Rechtsunsicherheiten in unserer digitalisierten Welt müssen durch ein modernes Urheberrecht ausgeräumt werden. Hier geht es um den Respekt vor der Leistung von Künstlern und Kreativen, aber auch um ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit. Gleichwohl plädiere ich für den fairen Interessenausgleich zwischen Urhebern und Rechteinhabern einerseits und Nutzern andererseits. Ein freier Informationsfluss und der Zugang zu Wissen und Innovationen müssen gewährleistet sein. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass allein aufgrund der Möglichkeiten der digitalen Welt kostenlose Nutzungsrechte dort gefordert werden, wo sie in der analogen Welt selbstverständlich zu einer Entlohnung des Urhebers geführt hätten. Im Zentrum muss auch in Zukunft der Schutz der kreativen Leistung stehen. Wir müssen eine verstärkte internationale Zusammenarbeit vorantreiben, um die Rechtedurchsetzung sicherzustellen.

Aus gutem Grund hat die FDP Anfang der achtziger Jahre die Künstlersozialversicherung als Instrument sozialer Sicherheit mitbegründet. Sie ist eine der tragenden Säulen der sozialen Absicherung von selbständigen Künstlerinnen und Künstlern. Die Künstler-sozialversicherung muss erhalten und weiterentwickelt werden. Die Versicherungspflicht soll im Interesse der Betroffenen transparent gestaltet sein. Auch hier plädieren wir für einen fairen Ausgleich zwischen Versicherten und Verwertern. Um die Akzeptanz langfristig zu sichern, ist es erforderlich, den Kostendruck auf Künstler, Publizisten und Verwerter zu mindern. Wir Liberalen sprechen uns für eine behutsame Reform der Künstlersozialversicherung aus. Insbesondere soll in Zukunft vermieden werden, dass für künstlerische Leistungen Beiträge gezahlt werden, wenn die Erbringer der Leistung gar nicht Mitglied der Künstlersozialversicherung sind. Darüber hinaus müssen die Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern verstetigt beziehungsweise bei Bedarf neu angepasst werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich zudem auf die unbefriedigende Situation beim Handel mit Kunstwerken hinweisen. Ich fordere die Bundesländer auf, sich endlich auf eine Durchführungsverordnung zu einigen, die eine Pauschalmargenbesteuerung im Kunsthandel ermöglicht. Hier wurde schon viel zu viel Zeit vergeudet und dadurch dem Kunsthandel großer Schaden zugefügt.

TTIP: etwas mehr Gelassenheit

Ich habe großes Verständnis für das Unbehagen und Stirnrunzeln, welches die Verhandlungen über das TTIP bei vielen Kulturschaffenden auslöst. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Anliegen von kultureller Bedeutung zu schützen. In der ganzen Diskussion beklage ich allerdings, dass zu oft mit den Ängsten der Betroffenen gespielt wird. Deshalb gilt für uns: Informieren statt Ängste schüren, mehr Gelassenheit statt Panikmache. Die Sorge, dass die Kulturförderung durch die öffentliche Hand gefährdet sei, ist beispielsweise unbegründet. Die Europäische Kommission hat von Anfang an klar gestellt, dass sie nur ein TTIP verhandelt und abschließen wird, bei dem die Kulturförderung durch die öffentliche Hand zukünftig selbstverständlich weiter möglich ist. Auf die verschiedenen Bereiche künstlerischen Schaffens sollten wir jedoch gemeinsam ein wachsames Auge haben. Gleichwohl gilt für mich auch im Bereich der Kultur, dass wir uns Chancen nicht von vornherein verbauen sollten.

„Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“. Diese Aussage von Friedrich Schiller stellt treffend den Zusammenhang von Kultur und Freiheit dar. Freiheit wiederum ist ohne Mut nicht vorstellbar. Deshalb sollte Mut zur Grundtugend jedes Kulturpolitikers gehören. Die Kultur selbst braucht die passenden Rahmenbedingungen und ansonsten nur die Freiheit, sich entfalten zu können.

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