26.03.2014FDPGroße Koalition

BEER-Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

„Die Große Koalition ist einhundert Tage im Amt. Nach dieser Schonfrist ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme. Schwarze und rote Sozialdemokraten beanspruchen, für die großen Aufgaben und die kleinen Leute da zu sein. Seit der Affäre um Edathy wissen wir jedoch, dass die Große Koalition vor allem die eigenen Leute und deren Vorteil im Blick hat. Vor den Herausforderungen unserer Zeit oder gar der Zukunft schreckt die Große Koalition hingegen zurück. Es hilft nicht, viel Gas zu geben, wenn man den Rückwärtsgang eingelegt hat. Statt durch Investitionen in Bildung, Forschung und Innovationen mehr Chancen für mehr Menschen in Deutschland zu schaffen, verheizen Union und SPD nicht nur die Reformerfolge der Vergangenheit, sondern auch noch die Zukunft der aktuellen und der kommenden Generationen. Mit Blick auf zentrale Regierungsvorhaben wird klar: Der Schaden der Großen Koalition ist groß, ihr Nutzen für die Menschen klein.

Dies beginnt mit der Haushaltspolitik, die nicht ohne Taschenspielertricks auskommt. Rekordsteuereinnahmen von über 570 Mrd. Euro reichen offensichtlich nicht aus, um den Ausgabendrang von Union und SPD zu befriedigen. Das Geld wird ausgegeben, als gäbe es kein Morgen mehr. Alleine die sogenannten prioritären Maßnahmen verschlingen mindestens 23 Mrd. Euro zusätzlich bis zum Ende der Legislaturperiode. Um diese Ausgabenorgie zu verhüllen, werden die Beitragsmittel aus den Sozialversicherungen zweckentfremdet. Das kommt einer Veruntreuung von Beitragsmitteln gleich. Eine zukunftsfähige und generationengerechte Politik braucht hingegen eine echte Schwarze Null im Haushalt und der Einstieg in die Schuldentilgung.

Die Rentenpolitik ist ein Sammelsurium milliardenschwerer Wahlversprechen. Ob es bei den veranschlagten 160 Mrd. Euro bleibt, ist mehr als fraglich. Zudem besteht die Gefahr einer Frühverrentungswelle, die zusätzliche Kosten verursacht und den Fachkräftemangel verschärft. Damit macht die Große Koalition eine Rolle rückwärts. Die Zeche dafür müssen alle zahlen. Zuerst werden die Rücklagen der Rentenversicherung geplündert, dann folgen ab 2017 höhere Steuern und mehr Schulden. Die Rente muss stattdessen enkelfit gemacht werden, durch einen flexiblen Renteneintritt und eine gestärkte betriebliche und private Vorsorge.

Auch in der Arbeitsmarktpolitik ist durch die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns großer Schaden zu erwarten. Er wird sich zum Jobkiller und Chancentod entwickeln. Unter Berücksichtigung der arbeitsmarktpolitischen und rentenpolitischen Vorhaben der Großen Koalition kommt das Bundesfinanzministerium auf bis zu 1,8 Mio. gefährdete Jobs. Treffen wird dies vor allem Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, Zweitverdiener oder Jugendliche. Deutschland braucht im Gegensatz dazu wirksame Chancenpolitik, die durch mehr Investitionen in Bildung Aufstieg ermöglicht. Die Tarifautonomie muss erhalten bleiben, nach Branchen und Regionen differenzierte Lohnuntergrenzen haben sich bewährt.

In der Energiepolitik wird gepfuscht. Die Energiewende ist in einer Sackgasse. Einen echten Neustart, der die unaufhörlich steigenden Energiepreise bremst, gibt es nicht. Es droht eine schleichende Deindustrialisierung, die unseren Wohlstand gefährdet. Die Reformpläne von Union und SPD sind nicht mutig genug und führen im Ergebnis dazu, dass Energie für alle noch teurer wird. Mit dem planwirtschaftlichen Erneuerbare-Energien-Gesetz wird die Wende nicht gelingen. Die Lösung: mehr Markt, mehr Europa und die Absenkung der Stromsteuer, um den Strompreis in den Griff zu bekommen.

Die explodierenden Energiepreise, die heimliche Steuererhöhung aus der kalten Progression und die steigenden Sozialversicherungsbeiträge werden zur Belastungsprobe für die Menschen. Alleine die kalte Progression kostet nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes 56 Mrd. Euro bis 2017. Die gesetzlich vorgeschriebene Beitragssenkung bei der Rente hat die Große Koalition bereits ausgehebelt, für die Pflege ist ein steigender Beitrag explizit angekündigt. Die Mitte in Deutschland wird zur gekniffenen Mitte. Gegen diese Belastungserhöhung unter der Tarnkappe helfen nur die Abschaffung der kalten Progression, die Reform der sozialen Sicherungssysteme und ein europäischer Energiemarkt.

Schließlich betreibe die Große Koalition den Ausverkauf in der Bürgerrechtspolitik, durch ihre inkonsequente Haltung gegenüber den USA und die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Zudem blockiert sie eine europäische Datenschutzgrundverordnung. Die Bürger haben Anspruch auf konsequenten Schutz vor Ausspähung. Um den Druck auf die USA bis zu einem No-Spy-Abkommen aufrecht zu erhalten, müssen sowohl das Safe Harbour-Abkommen als auch das SWIFT-Abkommen ausgesetzt werden. Und in Deutschland muss die anlasslose Vorratsdatenspeicherung vom Tisch.

Die Menschen in unserem Land können mehr. Sie haben eine bessere Politik verdient, die nicht die Reformen verfrühstückt, sondern in die Zukunft investiert. Dem wird die XXL-Koalition nicht gerecht.“

Social Media Button