30.01.2014FDPGroße Koalition

BEER-Gastbeitrag für „Handelsblatt Online"

Berlin. Die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Sich rarzumachen gilt gemeinhin als Versuch, das Interesse an der eigenen Person zu steigern. Eine Bundeskanzlerin hat das eigentlich nicht nötig, möchte man meinen. Trotzdem hat Angela Merkel sich lange Zeit gelassen – mit den Koalitionsverhandlungen und ihrer ersten Regierungserklärung. Seit sechs Wochen ist die schwarz-rote Bundesregierung im Amt. Die Bundestagswahl ist bereits über vier Monate her. Viel Zeit ist vergangen.

Nun hat es die Bundeskanzlerin also endlich getan. Hat ihre Zurückhaltung aufgegeben und den Bürgerinnen und Bürgern die Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit dargelegt, wie es heißt. Doch wer nun Wegweisendes erwartete, wurde enttäuscht. Statt Schwerpunkte zu setzen, ist die Kanzlerin lieber den leichten Weg gegangen. Sie hat, wie stets, Konflikt und Kontroversen vermieden. Sie hat den Blick auf die Herausforderungen der Zukunft vernebelt und stattdessen die Gegenwart mit dem Weichzeichner belegt.

Die Beschreibung der Ausgangslage ist richtig. Deutschland geht es so gut wie lange nicht. Das hat – endlich der Wahlkampfrhetorik müde – jüngst sogar Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den Leitlinien seiner Wirtschaftspolitik eingeräumt. Aber was tut die neue Regierung in Zukunft, um den Erfolgskurs der vergangenen vier Jahre fortzusetzen? Wie will sie die Zukunft gestalten? Den demografischen Wandel? Die Energiewende? Die Globalisierung? Die Bewältigung der europäischen Schuldenkrise? Hier bleiben die Kanzlerin und ihre Große Koalition die entscheidenden Antworten schuldig – schlimmer noch: Sie erweckt den Anschein, dass Rückschritt Fortschritt bedeuten könnte.

Doch wie sich zusätzliche Schuldenaufnahme, steigende Sozialversicherungsbeiträge, drohende Frühverrentungswelle, Verteuerung des Standorts Deutschland von Energie bis Arbeit mit Merkels Vorstellung eines Wachstumsmotors und Stabilitätsankers Deutschland vereinbaren lassen soll, ist völlig unverständlich. Die Kanzlerin flüchtet sich in teure soziale Wohltaten und wohlklingende Prosa, Problemlösungen werden bestenfalls vertagt.

Wer wie Merkel die Quellen des guten Lebens für alle erschließen will, der darf sie nicht zum Versiegen bringen. Das Geld muss erst erwirtschaftet werden, bevor es verteilt werden kann. In der Privatwirtschaft. Mit mehr Beschäftigten, durch Aktivierung der eigenen Potenziale bei Frauen, Älteren und Arbeitslosen genauso wie durch qualifizierte Zuwanderung. Und jeder Euro kann auch nur einmal ausgegeben werden. Eine schrumpfende und alternde Gesellschaft kann sich kein Rentenpaket von 160 Milliarden leisten, das die Rentenreserve plündert und ab 2017 höhere Steuern oder neue Schulden benötigt. Jedes Unternehmen in Deutschland müsste ein solches Vorhaben mit 852 Milliarden bilanzieren. Wer soll das wie erarbeiten?

Wer die Zukunft Deutschlands wirklich gestalten will, der braucht Mut zur Gestaltung. Der muss den Mut zu einer grundlegenden Veränderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes haben, die für mehr Markt und europäisches Denken sorgt. Der muss den Mut haben, unser Rentensystem weiter an die Erfordernisse einer alternden Gesellschaft anzupassen, indem er den Renteneintritt flexibler macht und neben der gesetzlichen Rente auch die betriebliche und private Vorsorge stärkt. Wer Deutschland und Europa stärken will, der muss konsequent und ohne Abstriche zur Entwicklung der Stabilitätsunion stehen. Wer die Zukunft gestalten will, der muss auf Bildung und Vielfalt setzen, auf qualifizierte Zuwanderung, auf gesellschaftliche Offenheit. Wer die Verheißungen des Internets bewahren, ja erfüllen will, der muss eine umfassende Neuordnung unserer Sicherheitsarchitektur wagen, damit Freiheit und Sicherheit wieder in Balance kommen. Und wer für die Zukunft vorsorgen will, der kommt nicht umhin, dafür zu sorgen, dass der Staat endlich mit dem Geld auskommt, das er einnimmt. All dies leistet diese Große Koalition und diese Bundeskanzlerin nicht. Das können die Menschen in Deutschland nicht hinnehmen.

 

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