FDP|
04.10.2007 - 02:00WESTERWELLE-Interview für die "SuperIllu"
Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "SuperIllu" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DIRK BALLER:
Frage: Die Große Koalition hat erst die Halbzeit hinter sich gebracht, Union und SPD streiten sich aber wie die Kesselflicker. Glauben Sie, dass diese Regierung noch bis Sommer 2009 hält, oder laufen Sie sich als Oppositionsführer schon mal warm für vorgezogene Neuwahlen?
WESTERWELLE: Wir sind jederzeit bereit, uns dem Votum der Wählerinnen und Wähler zu stellen. Nach diesen Wochen der Zerrüttung von Schwarz-Rot spricht einiges dafür, dass diese Koalition den regulären Wahltermin im Herbst 2009 nicht erreichen wird.
Frage: 2008 stehen Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Bayern an. Welche Bedeutung hat dies für die politische Lage?
WESTERWELLE: Das wird die ohnehin sehr aufgeladene, aggressive Atmosphäre zwischen den Koalitionsparteien weiter aufheizen. Ich setze jedenfalls darauf, dass bei den nächsten beiden Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen die These widerlegt wird, es gebe in Deutschland jenseits von Schwarz-Rot nur noch für Dreier-Konstellationen eine Perspektive. Ich rechne fest damit, dass Schwarz-Gelb dort Regierungsmehrheiten finden wird. Und in Hamburg muss sich Ole von Beust ernsthaft fragen, ob er seinen bürgerlichen Wählern ein Bündnis mit den Grünen zumuten will - jenen Grünen, die gegen die eigene Führung putschen, weil sie wegen des Drucks der Linkspartei gern wieder radikalpazifistisch wären.
Frage: Wenn man sich die Große Koalition anschaut, reibt man sich verwundert die Augen: CDU-Frau Ursula von der Leyen punktet mit Elterngeld und Krippenplatz-Ausbau - zwei ursprünglich sozialdemokratischen Themen. Ist das der Kampf um die vermeintliche Mitte der Gesellschaft?
WESTERWELLE: Krippenplätze und vorschulische Bildung sind kein sozialdemokratisches Projekt, sondern einfach nur vernünftig. Deshalb haben wir Liberale dort, wo wir Verantwortung tragen, immer auf deren Ausbau hingewirkt; das Gleiche gilt für Ganztagsschulen. Richtig ist: Die Sozialdemokraten werden einerseits von Linksaußen bedrängt, andererseits nimmt ihnen die Union die Butter vom Brot. Das wird sich so lange nicht ändern, wie die SPD ihren Kurs nicht gefunden hat. Wer zwischen dem Pragmatismus eines Kurt Beck und Linksbündnissen à la Wowereit schwankt, vollführt einen Spagat, der eine Partei durchaus zerreißen kann.
Frage: Im Ausland wird Angela Merkel als "Weltstaatsmann" geehrt, kämpft für Klimaschutz und einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat, legt sich mit China an, indem sie den Dalai Lama empfängt. Beim täglichen Regierungsgeschäft in Berlin tritt sie hingegen eher als Moderatorin auf
WESTERWELLE: Angela Merkel erarbeitet sich den Ehrentitel einer "Miss World", aber hier in Deutschland brauchen wir - bei allem Respekt vor außenpolitischen Erfolgen - eine "Miss Germany", die auch zu Hause politische Führung zeigt. So müsste die Kanzlerin jetzt dringend die Innen- und Rechtspolitik zur Chefsache machen und für ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit sorgen. Ihr Verteidigungsminister und ihr Innenminister sind vom eigenen Koalitionspartner SPD heftigst unter der Gürtellinie attackiert worden - niemand von der Opposition hat sich derart aggressiv geäußert. Außerdem bin ich enttäuscht, dass die Bundesregierung immer noch nicht erkannt hat, dass der Aufschwung an der großen Mehrheit unseres Volkes vorbei geht.
Frage: Laut Arbeitsministerium sind die durchschnittlichen Nettolöhne real, also unter Berücksichtigung der Teuerung, in den letzten 15 Jahren nicht etwa gestiegen, sondern um rund 1400 Euro auf 15 845 Euro im Jahr gesunken. Was läuft da schief?
WESTERWELLE: Der größte Preistreiber und Abkassierer ist die Bundesregierung. Sie sorgt mit ständig steigenden Steuern und Abgaben dafür, dass die Menschen in diesem Lande, die hart arbeiten, um sich und ihre Familien zu ernähren, netto immer weniger in der Tasche haben. Deshalb fordern wir Liberale ein einfacheres und gerechteres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen, das die arbeitenden Menschen spürbar entlastet. Und ich sage hier klipp und klar: Die FDP wird keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, in dem nicht eine solche Steuerreform mit einer wirklichen Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger verbindlich festgeschrieben ist.
Frage: Aber der Finanzminister sagt: Für Steuersenkungen sei kein Geld da, erst müsse er den Haushalt sanieren
WESTERWELLE: Und damit will sich Herr Steinbrück viel zu viel Zeit lassen - nämlich bis 2011. Dabei könnte er schon im nächsten Jahr einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen, wenn diese Bundesregierung endlich sparsam und verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgehen würde. Im übrigen steht die von uns geforderte Steuerreform keineswegs im Gegensatz zur Haushaltssanierung - im Gegenteil: Mit niedrigeren Steuern schaffen wir die Grundlage dafür, dass Wirtschaft und Konsum dauerhaft wachsen, die Kaufkraft zunimmt und Arbeitsplätze entstehen. Das alles sind die besten Voraussetzungen, um auch die Staatsfinanzen dauerhaft in Ordnung zu bringen. Denn Steuern kann nur zahlen, wer Arbeit hat.
Frage: Klaus Wowereit hat in einem Interview gesagt, er könne sich vorstellen, dass ein Schwuler Bundeskanzler wird. Sie auch?
WESTERWELLE: Wir leben zum Glück in einer Zeit, wo ein Politiker danach beurteilt wird, was er im Arbeitszimmer tut - und nicht im Schlafzimmer. Insofern lautet meine generelle Antwort "Ja". Wenn es um Klaus Wowereit im Speziellen geht, dann sind seine Ambitionen unübersehbar, sich an die Spitze eines Linksbündnisses im Bund zu setzen, wenn erst einmal Beck, Steinmeier und Co. bei der SPD ausgedient haben. Ich jedenfalls traue den Schwüren der SPD-Spitze, niemals mit der Linken im Bund zu koalieren, nicht von hier bis zur Haustür! Für unser Land wäre es schlimm, wenn es von Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün regiert würde - mit Klaus Wowereit oder ohne ihn.
WESTERWELLE-Interview für die "SuperIllu"
Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "SuperIllu" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DIRK BALLER:
Frage: Die Große Koalition hat erst die Halbzeit hinter sich gebracht, Union und SPD streiten sich aber wie die Kesselflicker. Glauben Sie, dass diese Regierung noch bis Sommer 2009 hält, oder laufen Sie sich als Oppositionsführer schon mal warm für vorgezogene Neuwahlen?
WESTERWELLE: Wir sind jederzeit bereit, uns dem Votum der Wählerinnen und Wähler zu stellen. Nach diesen Wochen der Zerrüttung von Schwarz-Rot spricht einiges dafür, dass diese Koalition den regulären Wahltermin im Herbst 2009 nicht erreichen wird.
Frage: 2008 stehen Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Bayern an. Welche Bedeutung hat dies für die politische Lage?
WESTERWELLE: Das wird die ohnehin sehr aufgeladene, aggressive Atmosphäre zwischen den Koalitionsparteien weiter aufheizen. Ich setze jedenfalls darauf, dass bei den nächsten beiden Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen die These widerlegt wird, es gebe in Deutschland jenseits von Schwarz-Rot nur noch für Dreier-Konstellationen eine Perspektive. Ich rechne fest damit, dass Schwarz-Gelb dort Regierungsmehrheiten finden wird. Und in Hamburg muss sich Ole von Beust ernsthaft fragen, ob er seinen bürgerlichen Wählern ein Bündnis mit den Grünen zumuten will - jenen Grünen, die gegen die eigene Führung putschen, weil sie wegen des Drucks der Linkspartei gern wieder radikalpazifistisch wären.
Frage: Wenn man sich die Große Koalition anschaut, reibt man sich verwundert die Augen: CDU-Frau Ursula von der Leyen punktet mit Elterngeld und Krippenplatz-Ausbau - zwei ursprünglich sozialdemokratischen Themen. Ist das der Kampf um die vermeintliche Mitte der Gesellschaft?
WESTERWELLE: Krippenplätze und vorschulische Bildung sind kein sozialdemokratisches Projekt, sondern einfach nur vernünftig. Deshalb haben wir Liberale dort, wo wir Verantwortung tragen, immer auf deren Ausbau hingewirkt; das Gleiche gilt für Ganztagsschulen. Richtig ist: Die Sozialdemokraten werden einerseits von Linksaußen bedrängt, andererseits nimmt ihnen die Union die Butter vom Brot. Das wird sich so lange nicht ändern, wie die SPD ihren Kurs nicht gefunden hat. Wer zwischen dem Pragmatismus eines Kurt Beck und Linksbündnissen à la Wowereit schwankt, vollführt einen Spagat, der eine Partei durchaus zerreißen kann.
Frage: Im Ausland wird Angela Merkel als "Weltstaatsmann" geehrt, kämpft für Klimaschutz und einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat, legt sich mit China an, indem sie den Dalai Lama empfängt. Beim täglichen Regierungsgeschäft in Berlin tritt sie hingegen eher als Moderatorin auf
WESTERWELLE: Angela Merkel erarbeitet sich den Ehrentitel einer "Miss World", aber hier in Deutschland brauchen wir - bei allem Respekt vor außenpolitischen Erfolgen - eine "Miss Germany", die auch zu Hause politische Führung zeigt. So müsste die Kanzlerin jetzt dringend die Innen- und Rechtspolitik zur Chefsache machen und für ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit sorgen. Ihr Verteidigungsminister und ihr Innenminister sind vom eigenen Koalitionspartner SPD heftigst unter der Gürtellinie attackiert worden - niemand von der Opposition hat sich derart aggressiv geäußert. Außerdem bin ich enttäuscht, dass die Bundesregierung immer noch nicht erkannt hat, dass der Aufschwung an der großen Mehrheit unseres Volkes vorbei geht.
Frage: Laut Arbeitsministerium sind die durchschnittlichen Nettolöhne real, also unter Berücksichtigung der Teuerung, in den letzten 15 Jahren nicht etwa gestiegen, sondern um rund 1400 Euro auf 15 845 Euro im Jahr gesunken. Was läuft da schief?
WESTERWELLE: Der größte Preistreiber und Abkassierer ist die Bundesregierung. Sie sorgt mit ständig steigenden Steuern und Abgaben dafür, dass die Menschen in diesem Lande, die hart arbeiten, um sich und ihre Familien zu ernähren, netto immer weniger in der Tasche haben. Deshalb fordern wir Liberale ein einfacheres und gerechteres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen, das die arbeitenden Menschen spürbar entlastet. Und ich sage hier klipp und klar: Die FDP wird keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, in dem nicht eine solche Steuerreform mit einer wirklichen Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger verbindlich festgeschrieben ist.
Frage: Aber der Finanzminister sagt: Für Steuersenkungen sei kein Geld da, erst müsse er den Haushalt sanieren
WESTERWELLE: Und damit will sich Herr Steinbrück viel zu viel Zeit lassen - nämlich bis 2011. Dabei könnte er schon im nächsten Jahr einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen, wenn diese Bundesregierung endlich sparsam und verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgehen würde. Im übrigen steht die von uns geforderte Steuerreform keineswegs im Gegensatz zur Haushaltssanierung - im Gegenteil: Mit niedrigeren Steuern schaffen wir die Grundlage dafür, dass Wirtschaft und Konsum dauerhaft wachsen, die Kaufkraft zunimmt und Arbeitsplätze entstehen. Das alles sind die besten Voraussetzungen, um auch die Staatsfinanzen dauerhaft in Ordnung zu bringen. Denn Steuern kann nur zahlen, wer Arbeit hat.
Frage: Klaus Wowereit hat in einem Interview gesagt, er könne sich vorstellen, dass ein Schwuler Bundeskanzler wird. Sie auch?
WESTERWELLE: Wir leben zum Glück in einer Zeit, wo ein Politiker danach beurteilt wird, was er im Arbeitszimmer tut - und nicht im Schlafzimmer. Insofern lautet meine generelle Antwort "Ja". Wenn es um Klaus Wowereit im Speziellen geht, dann sind seine Ambitionen unübersehbar, sich an die Spitze eines Linksbündnisses im Bund zu setzen, wenn erst einmal Beck, Steinmeier und Co. bei der SPD ausgedient haben. Ich jedenfalls traue den Schwüren der SPD-Spitze, niemals mit der Linken im Bund zu koalieren, nicht von hier bis zur Haustür! Für unser Land wäre es schlimm, wenn es von Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün regiert würde - mit Klaus Wowereit oder ohne ihn.