FDP|
26.11.2005 - 01:00WESTERWELLE-Interview für die "Nordwest-Zeitung"
Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Nordwest-Zeitung" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte GUNARS REICHENBACHS.
Frage: Herr Westerwelle, wie tief sitzt in diesen Tagen der Stachel, daß nicht Sie in der neuen Bundesregierung sitzen?
WESTERWELLE: Wir hätten in der Bundesregierung sitzen können, wenn wir bereit gewesen wären, unser Wahlversprechen - keine Ampel zu machen und Rot/Grün zu beenden - zu brechen. Insoweit war es eine selbstbewußte und durchdachte Entscheidung...
Frage: ...und eine richtige, wenn Sie den aktuellen Koalitionsvertrag lesen?
WESTERWELLE: Es kann kein Fehler sein, wenn sich wenigstens eine Partei an das hält, was sie im Wahlkampf versprochen hat. Die Mühen der Ebene, die als Opposition vor uns liegen, werden entscheidend dadurch gemildert, daß wir das beste Wahlergebnis seit der deutschen Einheit hatten.
Frage: Sie sprachen von einer wackligen Koalition. Warum?
WESTERWELLE: Wenn mehrere Dutzend Abgeordnete aus der Regierungskoalition in einer geheimen Abstimmung bei der Wahl der Kanzlerin mit Nein stimmen, dann spricht es dafür, daß unter der Decke größere Risse sind. Das Regierungsgebäude der Großen Koalition ist deshalb wackliger als der Name vermuten läßt.
Frage: Wie viele Jahre hält Schwarz/Rot durch?
WESTERWELLE: Daß diese Koalition die ganze Legislaturperiode durchhält, dafür sprechen die rekordverdächtigen Steuererhöhungen. Beide großen Parteien müssen eine große Furcht vor dem Wähler haben. Das ist auch der Grund, warum die Mehrwertsteuer im relativ wahlarmen Jahr 2007 angehoben wird. Andererseits: Wenn die Regierung sich wirklich an den Koalitionsvertrag hält, wird sie scheitern. Dann gibt es die Möglichkeit, daß die Koalition schon vor 2009 platzt.
Frage: Wie und wo will die FDP als größte Oppositionsfraktion im Bundestag die Große Koalition jagen?
WESTERWELLE: Die FDP muß nichts anders tun, als die Union daran zu erinnern, was sie mit uns gemeinsam im Wahlkampf vereinbart hat: Die Union wollte ein niedrigeres und gerechteres Steuersystem. Darauf haben wir uns gemeinsam mit der Union drei Wochen vor dem Wahltag festgelegt. Heraus kommt jetzt das größte Steuererhöhungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Und wenn eine Bundesregierung vom Bürger verlangt, er müsse den Gürtel enger schnallen, dann ist es ebenso frech wie dreist, den Regierungsapparat aufzublähen: Ein Ministerium mehr, zwei Bundesminister mehr und insgesamt 70 Regierungsmitglieder aus den beiden Fraktionen - das ist reif für das Guinnessbuch der Rekorde.
Frage: Hat die Union ihre Wahlversprechen gebrochen?
WESTERWELLE: Beide, Union und SPD. Die Union hat versprochen, eine höhere Mehrwertsteuer in die Senkung der Lohnnebenkosten zu stecken. Das kommt nicht. Und die SPD hatte versprochen, eine "Merkel-Steuer" werde es nicht geben. Die Kompromißfindung zwischen beiden ist einmalig in der Politik. Die SPD wollte keine höhere Mehrwertsteuer, die Union zwei Prozentpunkte mehr und getroffen hat man sich bei drei Prozent.
Frage: Das Kabinett streicht die Eigenheimzulage und schließt Steuerschlupflöcher. Müßten Sie nicht Beifall zollen, daß die Axt an den Subventionsdschungel gelegt wird?
WESTERWELLE: Wir wollten und wollen, daß die steuerlichen Ausnahmetatbestände und die Subventionen abgebaut werden. Aber das Geld muß investiert werden in die Senkung der Steuersätze, sonst ist es für die Volkswirtschaft und die Betroffenen eine satte Steuererhöhung. Und den Bürgern bei der Eigenheimzulage, bei Pendlerpauschale und beim Weihnachtsgeld Sparen abzuverlangen, gleichzeitig aber die eigene Regierung aufzublähen, ist unglaubwürdig. Union und SPD predigen Wasser und trinken selbst Wein.
Frage: Ist die FDP nach dem guten Abschneiden bei der Bundestagswahl und dem jüngsten Mitgliederzuwachs auf dem Weg zur Volkspartei?
WESTERWELLE: Die FDP war immer eine Partei für das ganze Volk. Der Liberalismus ist nicht die Angelegenheit einer bestimmten Einkommensklasse, sondern ist die Idee von Freiheit und Verantwortung. Daß wir seit der Wahl mittlerweile 2500 Neueintritte haben, ist für eine Partei unserer Größenordnung spektakulär. Es sieht so aus, als hielte dieser Zulauf an. Offenbar ist die Große Koalition mit dem staatsbürokratischen Vertrag die beste Werbung für die FDP.
Frage: Heißt die neue Strategie "groß und mächtig, statt klein und fein"?
WESTERWELLE: Wir wollen wachsen, das müssen wir nicht verschweigen. Es liegt im Interesse der ganzen Republik, wenn es im Bundestag wenigstens eine Kraft gibt, die nicht sozialdemokratische Umverteilungspolitik zum Ziel hat, sondern eine marktwirtschaftliche Erneuerung. Denn alles, was man verteilen will, muß erst mal erwirtschaftet werden.
WESTERWELLE-Interview für die "Nordwest-Zeitung"
Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Nordwest-Zeitung" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte GUNARS REICHENBACHS.
Frage: Herr Westerwelle, wie tief sitzt in diesen Tagen der Stachel, daß nicht Sie in der neuen Bundesregierung sitzen?
WESTERWELLE: Wir hätten in der Bundesregierung sitzen können, wenn wir bereit gewesen wären, unser Wahlversprechen - keine Ampel zu machen und Rot/Grün zu beenden - zu brechen. Insoweit war es eine selbstbewußte und durchdachte Entscheidung...
Frage: ...und eine richtige, wenn Sie den aktuellen Koalitionsvertrag lesen?
WESTERWELLE: Es kann kein Fehler sein, wenn sich wenigstens eine Partei an das hält, was sie im Wahlkampf versprochen hat. Die Mühen der Ebene, die als Opposition vor uns liegen, werden entscheidend dadurch gemildert, daß wir das beste Wahlergebnis seit der deutschen Einheit hatten.
Frage: Sie sprachen von einer wackligen Koalition. Warum?
WESTERWELLE: Wenn mehrere Dutzend Abgeordnete aus der Regierungskoalition in einer geheimen Abstimmung bei der Wahl der Kanzlerin mit Nein stimmen, dann spricht es dafür, daß unter der Decke größere Risse sind. Das Regierungsgebäude der Großen Koalition ist deshalb wackliger als der Name vermuten läßt.
Frage: Wie viele Jahre hält Schwarz/Rot durch?
WESTERWELLE: Daß diese Koalition die ganze Legislaturperiode durchhält, dafür sprechen die rekordverdächtigen Steuererhöhungen. Beide großen Parteien müssen eine große Furcht vor dem Wähler haben. Das ist auch der Grund, warum die Mehrwertsteuer im relativ wahlarmen Jahr 2007 angehoben wird. Andererseits: Wenn die Regierung sich wirklich an den Koalitionsvertrag hält, wird sie scheitern. Dann gibt es die Möglichkeit, daß die Koalition schon vor 2009 platzt.
Frage: Wie und wo will die FDP als größte Oppositionsfraktion im Bundestag die Große Koalition jagen?
WESTERWELLE: Die FDP muß nichts anders tun, als die Union daran zu erinnern, was sie mit uns gemeinsam im Wahlkampf vereinbart hat: Die Union wollte ein niedrigeres und gerechteres Steuersystem. Darauf haben wir uns gemeinsam mit der Union drei Wochen vor dem Wahltag festgelegt. Heraus kommt jetzt das größte Steuererhöhungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Und wenn eine Bundesregierung vom Bürger verlangt, er müsse den Gürtel enger schnallen, dann ist es ebenso frech wie dreist, den Regierungsapparat aufzublähen: Ein Ministerium mehr, zwei Bundesminister mehr und insgesamt 70 Regierungsmitglieder aus den beiden Fraktionen - das ist reif für das Guinnessbuch der Rekorde.
Frage: Hat die Union ihre Wahlversprechen gebrochen?
WESTERWELLE: Beide, Union und SPD. Die Union hat versprochen, eine höhere Mehrwertsteuer in die Senkung der Lohnnebenkosten zu stecken. Das kommt nicht. Und die SPD hatte versprochen, eine "Merkel-Steuer" werde es nicht geben. Die Kompromißfindung zwischen beiden ist einmalig in der Politik. Die SPD wollte keine höhere Mehrwertsteuer, die Union zwei Prozentpunkte mehr und getroffen hat man sich bei drei Prozent.
Frage: Das Kabinett streicht die Eigenheimzulage und schließt Steuerschlupflöcher. Müßten Sie nicht Beifall zollen, daß die Axt an den Subventionsdschungel gelegt wird?
WESTERWELLE: Wir wollten und wollen, daß die steuerlichen Ausnahmetatbestände und die Subventionen abgebaut werden. Aber das Geld muß investiert werden in die Senkung der Steuersätze, sonst ist es für die Volkswirtschaft und die Betroffenen eine satte Steuererhöhung. Und den Bürgern bei der Eigenheimzulage, bei Pendlerpauschale und beim Weihnachtsgeld Sparen abzuverlangen, gleichzeitig aber die eigene Regierung aufzublähen, ist unglaubwürdig. Union und SPD predigen Wasser und trinken selbst Wein.
Frage: Ist die FDP nach dem guten Abschneiden bei der Bundestagswahl und dem jüngsten Mitgliederzuwachs auf dem Weg zur Volkspartei?
WESTERWELLE: Die FDP war immer eine Partei für das ganze Volk. Der Liberalismus ist nicht die Angelegenheit einer bestimmten Einkommensklasse, sondern ist die Idee von Freiheit und Verantwortung. Daß wir seit der Wahl mittlerweile 2500 Neueintritte haben, ist für eine Partei unserer Größenordnung spektakulär. Es sieht so aus, als hielte dieser Zulauf an. Offenbar ist die Große Koalition mit dem staatsbürokratischen Vertrag die beste Werbung für die FDP.
Frage: Heißt die neue Strategie "groß und mächtig, statt klein und fein"?
WESTERWELLE: Wir wollen wachsen, das müssen wir nicht verschweigen. Es liegt im Interesse der ganzen Republik, wenn es im Bundestag wenigstens eine Kraft gibt, die nicht sozialdemokratische Umverteilungspolitik zum Ziel hat, sondern eine marktwirtschaftliche Erneuerung. Denn alles, was man verteilen will, muß erst mal erwirtschaftet werden.