FDP|
13.09.2005 - 02:00NIEBEL-Interview für die "Rhein-Neckar-Zeitung"
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Dienstag- Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten CHRISTIAN ALTMEIER und MANFRED FRITZ.
Frage: Herr NIEBEL, ein Bündnis aus Union und FDP würde den jüngsten Umfragen zufolge keine Mehrheit mehr erringen. Was läuft im Wahlkampf schief?
NIEBEL: Das ist keine Trendwende. Allen Beteiligten war von vornherein klar, daß diese Wahl sich erst auf den letzten Metern entscheiden wird. Die Menschen wissen nun, daß es knapp wird. Das wird noch einmal einen enormen Motivationsschub bringen, so daß wir zusammen mit der CDU/CSU die rot-grüne Regierung ablösen können. Und zwar mit einem deutlich besseren Ergebnis, als die Umfragen das derzeit nahelegen.
Frage: Haben sie die Aufholjagd von Bundeskanzler GERHARD SCHRÖDER unterschätzt?
NIEBEL: Nein, das haben wir erwartet. Aber man muß Folgendes bedenken: GERHARD SCHRÖDER ist ein virtueller Kanzler. Es wird keine Machtkonstellation geben, in der er nach dem 18. September noch regieren kann. Rot-Grün wird keine Mehrheit mehr bekommen. Das ist an den Umfragen deutlich erkennbar. Eine große Koalition wird es nicht geben. Auch die Union hat ihr heute eine eindeutige Absage erteilt. Selbst wenn es sie gäbe, würde die Union stärker als die SPD und Herr SCHRÖDER nicht Bundeskanzler. Und für eine Koalition mit dem Linksbündnis würde Herr SCHRÖDER ? das hat er mehrfach versichert ? nicht als Kanzler zur Verfügung stehen. Das heißt, seine Amtszeit wird nach dem Schließen der Wahllokale am 18. September unwiderruflich zu Ende gehen.
Frage: Der Wendepunkt in den Umfragen war das TV-Duell. FDP-Chef GUIDO WESTERWELLE hatte ANGELA MERKEL von diesem Duell abgeraten. Hatte er damit also Recht?
NIEBEL: Die FDP war immer der Ansicht, daß die TV-Duelle nicht die politische Wirklichkeit unserer Republik widerspiegeln. Der Kanzler wird nicht vom Volk gewählt. Das Volk wählt Parteien, und die Abgeordneten dieser Parteien wählen den Regierungschef. Deshalb haben wir immer dafür plädiert, zu den sogenannten Elefantenrunden mit den Chefs aller im Bundestag vertretenen Parteien zurückzukommen. Interessant ist aber auch ein Blick auf die Tagesumfragen. In diesen kam der scheidende Kanzler direkt nach dem Duell auf 38 Prozent und hat seitdem kontinuierlich an Zustimmung verloren. Der mediale Hype wirkt also nur kurzfristig. Daher bin ich sehr froh, daß wir mit unserem Bundesparteitag am Sonntag noch einmal sehr deutlich die tragenden politischen Inhalte dargestellt haben. Denn wir sollten von der Bewertung darstellerischer Leistungen wegkommen und uns wieder mehr auf die Programme der Parteien für Deutschlands Zukunft konzentrieren.
Frage: Unionskanzlerkandidatin ANGELA MERKEL scheut bislang die harten Töne im Wahlkampf. Sollte sie noch einen Gang zulegen?
NIEBEL: Ich habe zu Beginn des Wahlkampfes den anderen Generalsekretären der Parteien ein Fairneß-Abkommen vorgeschlagen, um negative Kampagnen, die den politischen Gegner diffamieren, zu verhindern. SPD und Grüne haben dieses Angebot brüsk abgelehnt. Nun wird klar warum: Weil sie von Anfang an einen Schlammschlacht-Wahlkampf geplant haben. Ich denke, es ist besser, wenn wir darauf nicht einsteigen.
Frage: Kommen die politischen Inhalte im Wahlkampf zu kurz?
NIEBEL: Es ist zumindest festzustellen, daß im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verloren gegangen ist, warum wir überhaupt eine Neuwahl haben. Wir wählen ja nicht aus Dankbarkeit, weil GERHARD SCHRÖDER alle unsere Probleme gelöst hat. Sondern wir wählen, weil GERHARD SCHRÖDER gescheitert ist, und zwar durch seine eigenen Leute. Mit der gleichen Truppe tritt er jetzt wieder an. Und da SCHRÖDER nicht Kanzler bleiben wird, muß man auch die Frage stellen, wer kommt in der SPD nach SCHRÖDER und was passiert dann.
Frage: Und wer kommt Ihrer Ansicht nach SCHRÖDER?
NIEBEL: Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, gibt es eine Mehrheit links der Mitte. Dann gibt es geschmeidige Persönlichkeiten wie SIGMAR GABRIEL, KLAUS WOWEREIT oder ANDREA NAHLES, die die Entscheidung treffen müssen, ob sie selbst im Kanzleramt sitzen und Macht haben, oder als Juniorpartner in einer großen Koalition bei Frau MERKEL auf dem Schoß. Ich bin fest davon überzeugt: Wo eine Mehrheit ist, da bildet sich auch eine Regierung links der Mitte.
Frage: SIGMAR GABRIEL hat am Sonntag auch eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ins Spiel gebracht. Schließen Sie das kategorisch aus?
NIEBEL: Ja, wir schließen eine Ampel kategorisch aus und haben das auch auf unserem Parteitag am Sonntag ausdrücklich so beschlossen. In unserem Wahlaufruf steht klipp und klar, daß die FDP nur gemeinsam mit der Union eine Regierung bilden wird. Alle anderen Konstellationen sind ausgeschlossen..
Frage: Auch wenn Sie dadurch ein rot-rot-grünes Bündnis verhindern könnten?
NIEBEL: Wir wollen das rot-grüne Elend beenden und nicht auf irgendeine Weise künstlich verlängern. Wir werden regieren mit der CDU/CSU - oder wir gehen in die Opposition.
Frage: Noch einmal zurück zu den Inhalten: Im Zentrum der Begründung für die Neuwahl stand ja das Thema Arbeit, in Form der mangelnden Gefolgschaft für SCHRÖDER bei weiteren Arbeitsmarktreformen. Im Wahlkampf steht dieses Thema aber nicht so im Mittelpunkt, wie es das eigentlich tun sollte. Oder sehen Sie das anders?
NIEBEL: Ja und Nein. Wenn wir über Steuern reden und über ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem, wie die FDP dies als einzige Partei in Gesetzesform vorgelegt hat, dann machen wir das nicht als Selbstzweck. Es ist Mittel zum Zweck der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wir wollen damit die Möglichkeit schaffen, daß Betriebe investieren und Privatleute konsumieren können und daß dadurch wirtschaftliche Wachstumsimpulse gesetzt werden. Das muß flankiert werden von Veränderungen im Arbeitsrecht, von Bürokratieabbau aber auch von einer Neuordnung der Verwaltung der Arbeitslosigkeit.
Frage: Wir haben inzwischen allerdings einen steuerpolitischen Ideenwettlauf, in dem der Finanzexperte in ANGELA MERKELS Kompetenzteam, PAUL KIRCHHOF, noch viel weiter geht, als die FDP.
NIEBEL: Wir wollen zu einem einfacheren, niedrigeren und gerechteren Steuersystem kommen. Im Gegensatz zu Professor KIRCHHOF, der diese Frage aus dem Blickwinkel eines Wissenschaftlers beleuchtet, sehen wir diese Frage auch unter dem politischen Blickwinkel, was durchsetzbar ist. Deswegen haben wir einen fertigen Gesetzentwurf für einen Stufentarif bei den Steuern vorgelegt. Wir haben mit HERMANN OTTO SOLMS jemanden für Steuern und Finanzen in unserem Kompetenzteam, der nicht nur theoretisch weiß, wie es geht, sondern auch, wie man es praktisch umsetzen kann.
Frage: Hat Herr SOLMS denn Chancen, in einer schwarz-gelben Koalition Finanzminister zu werden? Schließlich hat ANGELA MERKEL den Posten schon PAUL KIRCHHOF zugesagt.
NIEBEL: Wir haben ganz bewußt ein Kompetenzteam vorgestellt, in dem die Personen bestimmten Themen zugeordnet sind. Nur in einem einzigen Fall haben wir gesagt, welches Ministeramt wir mit welcher Person anstreben: Wir wollen, daß WOLFGANG GERHARDT der nächste Außenminister der Bundesrepublik Deutschland wird. Auch bei ihm ist der Weltfrieden in guten Händen ? so wie es bei SCHEEL, GENSCHER und KINKEL der Fall gewesen ist.
Frage: Die FDP hat auf ihrem Parteitag eine Zweitstimmenkampagne beschlossen. Ist das nicht ein Nullsummenspiel, weil sie diese Stimmen der Union abnehmen?
NIEBEL: Nein, überhaupt nicht. Wir haben von Anfang an auf unsere Plakate das Wort Zweitstimme gedruckt, weil wir der Überzeugung sind: Wenn wir neben dem Regierungs- auch einen Politikwechsel wollen, brauchen wir eine starke FDP in der Regierung. Darüber hinaus geht es auch darum, die Möglichkeiten des Wahlrechts auszunutzen. In Baden-Württemberg etwa setzt die CDU darauf, alle Direktmandate zu gewinnen. Daher wäre es nur logisch, wenn alle CDU-Wähler der FDP ihre Zweitstimme geben würden, um mit einer großen Zahl an Überhangmandaten ein möglichst solides Polster für eine schwarz-gelbe Koalition zu schaffen.
Frage: Wird die FDP als eigenständige Partei im schwarz-gelben Lager genügend wahrgenommen?
NIEBEL: Ich denke, wir machen recht erfolgreich deutlich, wo die Unterschiede zwischen CDU, CSU und FDP liegen. Wir sind zum Beispiel der Ansicht, daß man die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte senken kann, ohne die Mehrwertsteuer erhöhen zu müssen. Wir haben vorgerechnet, wie das geht und damit eine goldene Brücke gebaut, auf die die Union sich in Koalitionsverhandlungen begeben kann. Auch bei den Freiheitsrechten war es immer die Aufgabe der FDP, das Unfugpotential der anderen Parteien im Zaum zu halten. Das wollen wir auch weiterhin so handhaben.
Frage: Die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung ist für die Union zum Symbol für ihre Ehrlichkeit im Wahlkampf geworden. Wird es nicht sehr schwierig, sie davon abzubringen?
NIEBEL: Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen haben wir gefordert, aus der Steinkohle-Subvention auszusteigen. Alle haben damals gesagt, das schafft ihr sowieso nicht. Und jetzt steht der Einstieg in den Ausstieg im Koalitionsvertrag. Koalitionsverhandlungen haben eben eigene Regeln.
NIEBEL-Interview für die "Rhein-Neckar-Zeitung"
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Dienstag- Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten CHRISTIAN ALTMEIER und MANFRED FRITZ.
Frage: Herr NIEBEL, ein Bündnis aus Union und FDP würde den jüngsten Umfragen zufolge keine Mehrheit mehr erringen. Was läuft im Wahlkampf schief?
NIEBEL: Das ist keine Trendwende. Allen Beteiligten war von vornherein klar, daß diese Wahl sich erst auf den letzten Metern entscheiden wird. Die Menschen wissen nun, daß es knapp wird. Das wird noch einmal einen enormen Motivationsschub bringen, so daß wir zusammen mit der CDU/CSU die rot-grüne Regierung ablösen können. Und zwar mit einem deutlich besseren Ergebnis, als die Umfragen das derzeit nahelegen.
Frage: Haben sie die Aufholjagd von Bundeskanzler GERHARD SCHRÖDER unterschätzt?
NIEBEL: Nein, das haben wir erwartet. Aber man muß Folgendes bedenken: GERHARD SCHRÖDER ist ein virtueller Kanzler. Es wird keine Machtkonstellation geben, in der er nach dem 18. September noch regieren kann. Rot-Grün wird keine Mehrheit mehr bekommen. Das ist an den Umfragen deutlich erkennbar. Eine große Koalition wird es nicht geben. Auch die Union hat ihr heute eine eindeutige Absage erteilt. Selbst wenn es sie gäbe, würde die Union stärker als die SPD und Herr SCHRÖDER nicht Bundeskanzler. Und für eine Koalition mit dem Linksbündnis würde Herr SCHRÖDER ? das hat er mehrfach versichert ? nicht als Kanzler zur Verfügung stehen. Das heißt, seine Amtszeit wird nach dem Schließen der Wahllokale am 18. September unwiderruflich zu Ende gehen.
Frage: Der Wendepunkt in den Umfragen war das TV-Duell. FDP-Chef GUIDO WESTERWELLE hatte ANGELA MERKEL von diesem Duell abgeraten. Hatte er damit also Recht?
NIEBEL: Die FDP war immer der Ansicht, daß die TV-Duelle nicht die politische Wirklichkeit unserer Republik widerspiegeln. Der Kanzler wird nicht vom Volk gewählt. Das Volk wählt Parteien, und die Abgeordneten dieser Parteien wählen den Regierungschef. Deshalb haben wir immer dafür plädiert, zu den sogenannten Elefantenrunden mit den Chefs aller im Bundestag vertretenen Parteien zurückzukommen. Interessant ist aber auch ein Blick auf die Tagesumfragen. In diesen kam der scheidende Kanzler direkt nach dem Duell auf 38 Prozent und hat seitdem kontinuierlich an Zustimmung verloren. Der mediale Hype wirkt also nur kurzfristig. Daher bin ich sehr froh, daß wir mit unserem Bundesparteitag am Sonntag noch einmal sehr deutlich die tragenden politischen Inhalte dargestellt haben. Denn wir sollten von der Bewertung darstellerischer Leistungen wegkommen und uns wieder mehr auf die Programme der Parteien für Deutschlands Zukunft konzentrieren.
Frage: Unionskanzlerkandidatin ANGELA MERKEL scheut bislang die harten Töne im Wahlkampf. Sollte sie noch einen Gang zulegen?
NIEBEL: Ich habe zu Beginn des Wahlkampfes den anderen Generalsekretären der Parteien ein Fairneß-Abkommen vorgeschlagen, um negative Kampagnen, die den politischen Gegner diffamieren, zu verhindern. SPD und Grüne haben dieses Angebot brüsk abgelehnt. Nun wird klar warum: Weil sie von Anfang an einen Schlammschlacht-Wahlkampf geplant haben. Ich denke, es ist besser, wenn wir darauf nicht einsteigen.
Frage: Kommen die politischen Inhalte im Wahlkampf zu kurz?
NIEBEL: Es ist zumindest festzustellen, daß im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verloren gegangen ist, warum wir überhaupt eine Neuwahl haben. Wir wählen ja nicht aus Dankbarkeit, weil GERHARD SCHRÖDER alle unsere Probleme gelöst hat. Sondern wir wählen, weil GERHARD SCHRÖDER gescheitert ist, und zwar durch seine eigenen Leute. Mit der gleichen Truppe tritt er jetzt wieder an. Und da SCHRÖDER nicht Kanzler bleiben wird, muß man auch die Frage stellen, wer kommt in der SPD nach SCHRÖDER und was passiert dann.
Frage: Und wer kommt Ihrer Ansicht nach SCHRÖDER?
NIEBEL: Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, gibt es eine Mehrheit links der Mitte. Dann gibt es geschmeidige Persönlichkeiten wie SIGMAR GABRIEL, KLAUS WOWEREIT oder ANDREA NAHLES, die die Entscheidung treffen müssen, ob sie selbst im Kanzleramt sitzen und Macht haben, oder als Juniorpartner in einer großen Koalition bei Frau MERKEL auf dem Schoß. Ich bin fest davon überzeugt: Wo eine Mehrheit ist, da bildet sich auch eine Regierung links der Mitte.
Frage: SIGMAR GABRIEL hat am Sonntag auch eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ins Spiel gebracht. Schließen Sie das kategorisch aus?
NIEBEL: Ja, wir schließen eine Ampel kategorisch aus und haben das auch auf unserem Parteitag am Sonntag ausdrücklich so beschlossen. In unserem Wahlaufruf steht klipp und klar, daß die FDP nur gemeinsam mit der Union eine Regierung bilden wird. Alle anderen Konstellationen sind ausgeschlossen..
Frage: Auch wenn Sie dadurch ein rot-rot-grünes Bündnis verhindern könnten?
NIEBEL: Wir wollen das rot-grüne Elend beenden und nicht auf irgendeine Weise künstlich verlängern. Wir werden regieren mit der CDU/CSU - oder wir gehen in die Opposition.
Frage: Noch einmal zurück zu den Inhalten: Im Zentrum der Begründung für die Neuwahl stand ja das Thema Arbeit, in Form der mangelnden Gefolgschaft für SCHRÖDER bei weiteren Arbeitsmarktreformen. Im Wahlkampf steht dieses Thema aber nicht so im Mittelpunkt, wie es das eigentlich tun sollte. Oder sehen Sie das anders?
NIEBEL: Ja und Nein. Wenn wir über Steuern reden und über ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem, wie die FDP dies als einzige Partei in Gesetzesform vorgelegt hat, dann machen wir das nicht als Selbstzweck. Es ist Mittel zum Zweck der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wir wollen damit die Möglichkeit schaffen, daß Betriebe investieren und Privatleute konsumieren können und daß dadurch wirtschaftliche Wachstumsimpulse gesetzt werden. Das muß flankiert werden von Veränderungen im Arbeitsrecht, von Bürokratieabbau aber auch von einer Neuordnung der Verwaltung der Arbeitslosigkeit.
Frage: Wir haben inzwischen allerdings einen steuerpolitischen Ideenwettlauf, in dem der Finanzexperte in ANGELA MERKELS Kompetenzteam, PAUL KIRCHHOF, noch viel weiter geht, als die FDP.
NIEBEL: Wir wollen zu einem einfacheren, niedrigeren und gerechteren Steuersystem kommen. Im Gegensatz zu Professor KIRCHHOF, der diese Frage aus dem Blickwinkel eines Wissenschaftlers beleuchtet, sehen wir diese Frage auch unter dem politischen Blickwinkel, was durchsetzbar ist. Deswegen haben wir einen fertigen Gesetzentwurf für einen Stufentarif bei den Steuern vorgelegt. Wir haben mit HERMANN OTTO SOLMS jemanden für Steuern und Finanzen in unserem Kompetenzteam, der nicht nur theoretisch weiß, wie es geht, sondern auch, wie man es praktisch umsetzen kann.
Frage: Hat Herr SOLMS denn Chancen, in einer schwarz-gelben Koalition Finanzminister zu werden? Schließlich hat ANGELA MERKEL den Posten schon PAUL KIRCHHOF zugesagt.
NIEBEL: Wir haben ganz bewußt ein Kompetenzteam vorgestellt, in dem die Personen bestimmten Themen zugeordnet sind. Nur in einem einzigen Fall haben wir gesagt, welches Ministeramt wir mit welcher Person anstreben: Wir wollen, daß WOLFGANG GERHARDT der nächste Außenminister der Bundesrepublik Deutschland wird. Auch bei ihm ist der Weltfrieden in guten Händen ? so wie es bei SCHEEL, GENSCHER und KINKEL der Fall gewesen ist.
Frage: Die FDP hat auf ihrem Parteitag eine Zweitstimmenkampagne beschlossen. Ist das nicht ein Nullsummenspiel, weil sie diese Stimmen der Union abnehmen?
NIEBEL: Nein, überhaupt nicht. Wir haben von Anfang an auf unsere Plakate das Wort Zweitstimme gedruckt, weil wir der Überzeugung sind: Wenn wir neben dem Regierungs- auch einen Politikwechsel wollen, brauchen wir eine starke FDP in der Regierung. Darüber hinaus geht es auch darum, die Möglichkeiten des Wahlrechts auszunutzen. In Baden-Württemberg etwa setzt die CDU darauf, alle Direktmandate zu gewinnen. Daher wäre es nur logisch, wenn alle CDU-Wähler der FDP ihre Zweitstimme geben würden, um mit einer großen Zahl an Überhangmandaten ein möglichst solides Polster für eine schwarz-gelbe Koalition zu schaffen.
Frage: Wird die FDP als eigenständige Partei im schwarz-gelben Lager genügend wahrgenommen?
NIEBEL: Ich denke, wir machen recht erfolgreich deutlich, wo die Unterschiede zwischen CDU, CSU und FDP liegen. Wir sind zum Beispiel der Ansicht, daß man die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte senken kann, ohne die Mehrwertsteuer erhöhen zu müssen. Wir haben vorgerechnet, wie das geht und damit eine goldene Brücke gebaut, auf die die Union sich in Koalitionsverhandlungen begeben kann. Auch bei den Freiheitsrechten war es immer die Aufgabe der FDP, das Unfugpotential der anderen Parteien im Zaum zu halten. Das wollen wir auch weiterhin so handhaben.
Frage: Die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung ist für die Union zum Symbol für ihre Ehrlichkeit im Wahlkampf geworden. Wird es nicht sehr schwierig, sie davon abzubringen?
NIEBEL: Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen haben wir gefordert, aus der Steinkohle-Subvention auszusteigen. Alle haben damals gesagt, das schafft ihr sowieso nicht. Und jetzt steht der Einstieg in den Ausstieg im Koalitionsvertrag. Koalitionsverhandlungen haben eben eigene Regeln.