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23.01.2025 - 10:30LINDNER-Interview: Mit dieser Politik geht unser Land vor die Hunde
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner MdB gab der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag-Ausgabe) und „augsburger-allgemeine.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Rudi Wais:
Frage: Herr Lindner, wir sitzen hier in Erlangen in ihrem Tourbus. Haben Sie schon mal ausrechnen lassen, wie viele Kilometer Sie in diesem Wahlkampf zurücklegen werden?
Lindner: Es werden viele Tausend Kilometer sein – zu Lande und in der Luft. Auf dem Wasser bin ich, soweit ich das übersehe, nicht unterwegs.
Frage: Sie setzen auf eine Koalition mit der Union. Wirkt das Trauma von 2013 nicht mehr nach? Damals ließ Angela Merkel Ihre Partei am langen Arm verhungern und die FDP flog aus dem Bundestag.
Lindner: Die FDP hatte nie ein Trauma. Wir sind die Partei der Eigenverantwortung, deshalb machen wir nicht andere für unser Schicksal verantwortlich. Frau Merkel war 2009 keine Reformpolitikerin mehr, 2017 war sie endgültig angegrünt. Die FDP ist eine eigenständige Partei, die andere Schwerpunkte und konsequent auf Freiheit setzt. Aber die Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, mehr Konsequenz beim Stopp irregulärer Einwanderung und die Stärkung des Rechtsstaats statt Bürokratie gehen nur mit Schwarz-Gelb.
Frage: Grob gerechnet fehlen sowohl der Union als auch der FDP vier bis fünf Prozentpunkte, um eine solche Koalition zu bilden. Kann man das bis zur Wahl überhaupt noch aufholen?
Lindner: Das geht. Ein Zwischenschritt sind die letzten Umfragen. Die sehen die FDP im Bundestag und sofort gibt es keine Mehrheit für Schwarz-Grün. Aber auch die dann mögliche Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP ist nicht das, was wir brauchen. Wenn allerdings FDP und Union für einen wirklichen Politikwechsel kämpfen, dann lassen sich Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückgewinnen. Die wissen doch, dass die Wahl der AfD nur die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass SPD oder Grüne wieder in der Regierung sitzen.
Frage: Mal ehrlich: Ist ein Großteil dieser Wähler für die etablierten Parteien nicht schon verloren?
Lindner: Nein. Man darf nicht alle Menschen, die die AfD wählen, mit der Partei und ihrer Ideologie in einen Topf werfen. Und abschreiben darf man sie erst recht nicht. AfD zu wählen, ist doch auch ein Signal an die anderen Parteien: Nehmt uns ernst! Eine Rentnerin aus meinem Wahlkreis hat mir beispielsweise erzählt, sie fühle sich nicht mehr sicher, wenn sie wie früher abends nach Köln ins Theater fahre. Diese Bürgerin erwartet, dass der Rechtsstaat überall die öffentliche Sicherheit garantiert. Also müssen wir das liefern.
Frage: Friedrich Merz ist zwar ein strammer Konservativer, seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen aber sind eher liberal. Kostet er die FDP womöglich entscheidende Stimmen?
Lindner: Nein. Friedrich Merz und die Union rücken ja schon wieder von ihren ursprünglichen Positionen ab. Man hört, die Union sei offen für Verhandlungen über Steuererhöhungen und die Lockerung der Schuldenbremse. Sogar Robert Habeck als Wirtschaftsminister im Kabinett Merz können sie sich vorstellen. So gewinnt man natürlich keine Wähler von der AfD für Schwarz-Gelb.
Frage: Die Wirtschaft und der fehlende Reformeifer der anderen Parteien sind ihr großes Thema im Wahlkampf. Haben die schlechten Umfragewerte der Liberalen auch etwas damit zu tun, dass die Menschen in Deutschland vieles wollen, aber keine Veränderungen?
Lindner: Wir haben uns an einen gewissen Komfort gewöhnt, weil es lange gut lief in Deutschland. Aber wir müssen die Realitäten akzeptieren. Aus meiner Zeit als Finanzminister weiß ich, dass andere Länder uns heute ganz anders sehen als früher – nicht mehr als Motor der Weltwirtschaft, sondern als eine Gesellschaft im Abstiegskampf. Das möchte ich ändern. Noch haben wir alle Chancen.
Frage: Sie nehmen sich den innovativen Mut des amerikanischen Unternehmers Elon Musk und den argentinischen Präsidenten Javier Milei zum Vorbild, der seinem Land eine Rosskur verordnet hat, die ihresgleichen sucht. Braucht Deutschland wirklich eine Schocktherapie?
Lindner: Sicher nicht in der Dimension, wie es in Argentinien nötig war. Aber auch wir benötigen einen ambitionierten Richtungswechsel. Milei hat ein völlig ruiniertes Land vorgefunden und musste mit der Kettensäge arbeiten. So weit sind wir nicht. Aber wir werden in Deutschland nichts erreichen, wenn wir nur die Nagelfeile ansetzen. Um im Bild zu bleiben: Wir brauchen eine Heckenschere, um den Staat und seine Bürokratie richtig herunterzuschneiden und im Haushalt mehr Platz für die Bundeswehr, die Infrastruktur, das Bildungssystem und Steuerentlastungen zu schaffen. Das heißt: Bundesbehörden streichen, Staatsapparat verschlanken, Bürgergeld reformieren, grüne Subventionen herunterfahren.
Frage: An welche Subventionen denken Sie da?
Lindner: Ich denke an den Klima- und Transformationsfonds. Hier bezuschussen wir heute alles Mögliche mit gewaltigen Summen. Das müssen wir massiv reduzieren. Die erneuerbaren Energien etwa sind längst marktreif, die benötigen keine Subventionen mehr. Ihr Ausbau ist inzwischen sogar so schnell vorangeschritten, dass das Netz nicht mehr hinterherkommt. Wir sollten uns deshalb an dem orientieren, was physikalisch möglich und ökonomisch vernünftig ist und nicht an dem, was grüne Parteitage beschließen. Das ruiniert uns. Mit dieser Politik geht unser Land vor die Hunde.
Frage: Ein Thema, um das die Parteien gerne einen Bogen machen, ist die Sozialpolitik. Ob Rente, Pflege oder Krankenkassen – das System wird immer fragiler. Wie würde die FDP die Sozialversicherungen wetterfest machen?
Lindner: Bei der Rente brauchen wir die private Vorsorge für die Jungen. Ich habe deshalb ein Altersvorsorgedepot vorgeschlagen, bei dem der Staat jeden in Wertpapiere investierten Euro mit 20 Cent fördert – ähnlich wie bei der Riester-Rente heute. Durch die Steuerfreiheit der Erträge und den Zinseszinseffekt kommen so auch bei mittleren Einkommen im Laufe des Erwerbslebens hohe sechsstellige Summen zusammen. Diese Reform ist angesichts der demografischen Lage alternativlos. Olaf Scholz ignoriert das. Er macht lieber Wahlkampf mit der Angst vor Rentenkürzungen. Das ist nicht nur eines Kanzlers unwürdig, sondern schlicht gelogen. Rentenkürzungen sind ausgeschlossen.
Frage: Wenn immer weniger Beschäftigte für immer mehr Alte aufkommen sollen: Was heißt das denn noch? Länger arbeiten als bis 67, weniger Arztbesuche und höhere Zuzahlungen in der Apotheke?
Lindner: Im Gesundheitswesen brauchen wir schlicht mehr Effizienz. Teure Doppelbehandlungen vermeiden, die hohen Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen senken: Da müssen wir ran.
Frage: Robert Habeck rechnet anders. Er will auch auf Kapitalerträge Sozialabgaben erheben und die Mehreinnahmen in das Gesundheitssystem pumpen. Wie rechnet denn die FDP?
Lindner: Aus diesem Vorschlag spricht wenig Wissen über die bestehende Besteuerung von Kapitalerträgen. Dividenden und ausgeschüttete Gewinne werden schon jetzt mit über 48 Prozent belastet, weil der Gewinn im Unternehmen und ein zweites Mal beim Aktionär besteuert wird. Außerdem kann Herr Habeck die Frage nicht beantworten, ob nur gesetzlich Versicherte Sozialabgaben auf Zinserträge, Kursgewinne und Dividenden zahlen sollen oder auch privat Versicherte. Dass der Wirtschaftsminister solche Ideen mitten in einer Wirtschaftskrise spontan im Fernsehen artikuliert, ist für sich genommen schon ein Krisensymptom. Wenn Menschen Eigenverantwortung übernehmen und durch Sparsamkeit eine Rücklage aufbauen, sollte der Staat das nicht erschweren, sondern erleichtern. Der Sparerfreibetrag sollte weiter erhöht werden, wie ich das als Minister getan hatte, und eine Spekulationsfrist eingeführt werden, damit bei langen Haltezeiten keine Steuer auf Verkaufsgewinne anfällt.
Frage: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass die von Ihnen geplanten Steuersenkungen den Staat fast 140 Milliarden Euro kosten würden. Wie wollen Sie diese Lücke schließen?
Lindner: Ich kann diese Zahl nicht bestätigen, aber ja: wir sind sehr ambitioniert. Allerdings ist unser Konzept darauf angelegt, Schritt für Schritt umgesetzt zu werden. Im Gegensatz zu den anderen Parteien machen wir auch Einsparvorschläge, etwa beim Bürgergeld, dem Staatsapparat, der Begrenzung der irregulären Migration oder den grünen Subventionen. Außerdem bringt eine Wirtschaftswende dem Staat auch eine Rendite: Wenn die Wirtschaft in diesem Jahr durch eine gute Reformpolitik um ein halbes, in den nächsten beiden Jahren um jeweils ein Prozent und 2028 um zwei Prozent stärker wachsen würde, hätten wir bis 2029 zusätzliche Steuereinnahmen von mindestens 70 Milliarden Euro jährlich.
Frage: Die von Ihnen geforderte Wirtschaftswende hat zum Bruch der Ampel geführt, der unbeliebtesten Regierung, die Deutschland je hatte. Warum profitiert die FDP davon nicht, wo der Ampelfrust im ganzen Land mit Händen zu greifen war?
Lindner: Wir haben einiges erreicht, etwa Steuerentlastungen und stärkere Bildungsförderung. Eine Wende bei der Migration ist eingeleitet und es gibt Rekordinvestitionen unter Einhaltung der Schuldenbremse. Aber dennoch hat die Leute gestört, dass die FDP überhaupt mit zwei linken Parteien koaliert hat. Dazu gab es 2021 aber keine Alternative. Ich hätte eine Jamaika-Koalition mit Armin Laschet vorgezogen, aber die Union war nach der Wahlniederlage nicht abschlussfähig. Jetzt arbeiten wir unser Profil wieder heraus.
Frage: Was passiert eigentlich, wenn die FDP den Sprung in den Bundestag verpasst? Beim Schweizer Ringier-Verlag werden Sie schon als Vorstandsmitglied gehandelt...
Lindner: Es freut mich, dass man mir auch andere berufliche Perspektiven zutraut. (lacht) Aber ich tue alles, was in meiner Macht steht, damit die FDP mit einem guten Ergebnis als Stimme der Freiheit in den Bundestag kommt. Das Momentum für uns wächst.
LINDNER-Interview: Mit dieser Politik geht unser Land vor die Hunde
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner MdB gab der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag-Ausgabe) und „augsburger-allgemeine.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Rudi Wais:
Frage: Herr Lindner, wir sitzen hier in Erlangen in ihrem Tourbus. Haben Sie schon mal ausrechnen lassen, wie viele Kilometer Sie in diesem Wahlkampf zurücklegen werden?
Lindner: Es werden viele Tausend Kilometer sein – zu Lande und in der Luft. Auf dem Wasser bin ich, soweit ich das übersehe, nicht unterwegs.
Frage: Sie setzen auf eine Koalition mit der Union. Wirkt das Trauma von 2013 nicht mehr nach? Damals ließ Angela Merkel Ihre Partei am langen Arm verhungern und die FDP flog aus dem Bundestag.
Lindner: Die FDP hatte nie ein Trauma. Wir sind die Partei der Eigenverantwortung, deshalb machen wir nicht andere für unser Schicksal verantwortlich. Frau Merkel war 2009 keine Reformpolitikerin mehr, 2017 war sie endgültig angegrünt. Die FDP ist eine eigenständige Partei, die andere Schwerpunkte und konsequent auf Freiheit setzt. Aber die Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, mehr Konsequenz beim Stopp irregulärer Einwanderung und die Stärkung des Rechtsstaats statt Bürokratie gehen nur mit Schwarz-Gelb.
Frage: Grob gerechnet fehlen sowohl der Union als auch der FDP vier bis fünf Prozentpunkte, um eine solche Koalition zu bilden. Kann man das bis zur Wahl überhaupt noch aufholen?
Lindner: Das geht. Ein Zwischenschritt sind die letzten Umfragen. Die sehen die FDP im Bundestag und sofort gibt es keine Mehrheit für Schwarz-Grün. Aber auch die dann mögliche Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP ist nicht das, was wir brauchen. Wenn allerdings FDP und Union für einen wirklichen Politikwechsel kämpfen, dann lassen sich Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückgewinnen. Die wissen doch, dass die Wahl der AfD nur die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass SPD oder Grüne wieder in der Regierung sitzen.
Frage: Mal ehrlich: Ist ein Großteil dieser Wähler für die etablierten Parteien nicht schon verloren?
Lindner: Nein. Man darf nicht alle Menschen, die die AfD wählen, mit der Partei und ihrer Ideologie in einen Topf werfen. Und abschreiben darf man sie erst recht nicht. AfD zu wählen, ist doch auch ein Signal an die anderen Parteien: Nehmt uns ernst! Eine Rentnerin aus meinem Wahlkreis hat mir beispielsweise erzählt, sie fühle sich nicht mehr sicher, wenn sie wie früher abends nach Köln ins Theater fahre. Diese Bürgerin erwartet, dass der Rechtsstaat überall die öffentliche Sicherheit garantiert. Also müssen wir das liefern.
Frage: Friedrich Merz ist zwar ein strammer Konservativer, seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen aber sind eher liberal. Kostet er die FDP womöglich entscheidende Stimmen?
Lindner: Nein. Friedrich Merz und die Union rücken ja schon wieder von ihren ursprünglichen Positionen ab. Man hört, die Union sei offen für Verhandlungen über Steuererhöhungen und die Lockerung der Schuldenbremse. Sogar Robert Habeck als Wirtschaftsminister im Kabinett Merz können sie sich vorstellen. So gewinnt man natürlich keine Wähler von der AfD für Schwarz-Gelb.
Frage: Die Wirtschaft und der fehlende Reformeifer der anderen Parteien sind ihr großes Thema im Wahlkampf. Haben die schlechten Umfragewerte der Liberalen auch etwas damit zu tun, dass die Menschen in Deutschland vieles wollen, aber keine Veränderungen?
Lindner: Wir haben uns an einen gewissen Komfort gewöhnt, weil es lange gut lief in Deutschland. Aber wir müssen die Realitäten akzeptieren. Aus meiner Zeit als Finanzminister weiß ich, dass andere Länder uns heute ganz anders sehen als früher – nicht mehr als Motor der Weltwirtschaft, sondern als eine Gesellschaft im Abstiegskampf. Das möchte ich ändern. Noch haben wir alle Chancen.
Frage: Sie nehmen sich den innovativen Mut des amerikanischen Unternehmers Elon Musk und den argentinischen Präsidenten Javier Milei zum Vorbild, der seinem Land eine Rosskur verordnet hat, die ihresgleichen sucht. Braucht Deutschland wirklich eine Schocktherapie?
Lindner: Sicher nicht in der Dimension, wie es in Argentinien nötig war. Aber auch wir benötigen einen ambitionierten Richtungswechsel. Milei hat ein völlig ruiniertes Land vorgefunden und musste mit der Kettensäge arbeiten. So weit sind wir nicht. Aber wir werden in Deutschland nichts erreichen, wenn wir nur die Nagelfeile ansetzen. Um im Bild zu bleiben: Wir brauchen eine Heckenschere, um den Staat und seine Bürokratie richtig herunterzuschneiden und im Haushalt mehr Platz für die Bundeswehr, die Infrastruktur, das Bildungssystem und Steuerentlastungen zu schaffen. Das heißt: Bundesbehörden streichen, Staatsapparat verschlanken, Bürgergeld reformieren, grüne Subventionen herunterfahren.
Frage: An welche Subventionen denken Sie da?
Lindner: Ich denke an den Klima- und Transformationsfonds. Hier bezuschussen wir heute alles Mögliche mit gewaltigen Summen. Das müssen wir massiv reduzieren. Die erneuerbaren Energien etwa sind längst marktreif, die benötigen keine Subventionen mehr. Ihr Ausbau ist inzwischen sogar so schnell vorangeschritten, dass das Netz nicht mehr hinterherkommt. Wir sollten uns deshalb an dem orientieren, was physikalisch möglich und ökonomisch vernünftig ist und nicht an dem, was grüne Parteitage beschließen. Das ruiniert uns. Mit dieser Politik geht unser Land vor die Hunde.
Frage: Ein Thema, um das die Parteien gerne einen Bogen machen, ist die Sozialpolitik. Ob Rente, Pflege oder Krankenkassen – das System wird immer fragiler. Wie würde die FDP die Sozialversicherungen wetterfest machen?
Lindner: Bei der Rente brauchen wir die private Vorsorge für die Jungen. Ich habe deshalb ein Altersvorsorgedepot vorgeschlagen, bei dem der Staat jeden in Wertpapiere investierten Euro mit 20 Cent fördert – ähnlich wie bei der Riester-Rente heute. Durch die Steuerfreiheit der Erträge und den Zinseszinseffekt kommen so auch bei mittleren Einkommen im Laufe des Erwerbslebens hohe sechsstellige Summen zusammen. Diese Reform ist angesichts der demografischen Lage alternativlos. Olaf Scholz ignoriert das. Er macht lieber Wahlkampf mit der Angst vor Rentenkürzungen. Das ist nicht nur eines Kanzlers unwürdig, sondern schlicht gelogen. Rentenkürzungen sind ausgeschlossen.
Frage: Wenn immer weniger Beschäftigte für immer mehr Alte aufkommen sollen: Was heißt das denn noch? Länger arbeiten als bis 67, weniger Arztbesuche und höhere Zuzahlungen in der Apotheke?
Lindner: Im Gesundheitswesen brauchen wir schlicht mehr Effizienz. Teure Doppelbehandlungen vermeiden, die hohen Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen senken: Da müssen wir ran.
Frage: Robert Habeck rechnet anders. Er will auch auf Kapitalerträge Sozialabgaben erheben und die Mehreinnahmen in das Gesundheitssystem pumpen. Wie rechnet denn die FDP?
Lindner: Aus diesem Vorschlag spricht wenig Wissen über die bestehende Besteuerung von Kapitalerträgen. Dividenden und ausgeschüttete Gewinne werden schon jetzt mit über 48 Prozent belastet, weil der Gewinn im Unternehmen und ein zweites Mal beim Aktionär besteuert wird. Außerdem kann Herr Habeck die Frage nicht beantworten, ob nur gesetzlich Versicherte Sozialabgaben auf Zinserträge, Kursgewinne und Dividenden zahlen sollen oder auch privat Versicherte. Dass der Wirtschaftsminister solche Ideen mitten in einer Wirtschaftskrise spontan im Fernsehen artikuliert, ist für sich genommen schon ein Krisensymptom. Wenn Menschen Eigenverantwortung übernehmen und durch Sparsamkeit eine Rücklage aufbauen, sollte der Staat das nicht erschweren, sondern erleichtern. Der Sparerfreibetrag sollte weiter erhöht werden, wie ich das als Minister getan hatte, und eine Spekulationsfrist eingeführt werden, damit bei langen Haltezeiten keine Steuer auf Verkaufsgewinne anfällt.
Frage: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass die von Ihnen geplanten Steuersenkungen den Staat fast 140 Milliarden Euro kosten würden. Wie wollen Sie diese Lücke schließen?
Lindner: Ich kann diese Zahl nicht bestätigen, aber ja: wir sind sehr ambitioniert. Allerdings ist unser Konzept darauf angelegt, Schritt für Schritt umgesetzt zu werden. Im Gegensatz zu den anderen Parteien machen wir auch Einsparvorschläge, etwa beim Bürgergeld, dem Staatsapparat, der Begrenzung der irregulären Migration oder den grünen Subventionen. Außerdem bringt eine Wirtschaftswende dem Staat auch eine Rendite: Wenn die Wirtschaft in diesem Jahr durch eine gute Reformpolitik um ein halbes, in den nächsten beiden Jahren um jeweils ein Prozent und 2028 um zwei Prozent stärker wachsen würde, hätten wir bis 2029 zusätzliche Steuereinnahmen von mindestens 70 Milliarden Euro jährlich.
Frage: Die von Ihnen geforderte Wirtschaftswende hat zum Bruch der Ampel geführt, der unbeliebtesten Regierung, die Deutschland je hatte. Warum profitiert die FDP davon nicht, wo der Ampelfrust im ganzen Land mit Händen zu greifen war?
Lindner: Wir haben einiges erreicht, etwa Steuerentlastungen und stärkere Bildungsförderung. Eine Wende bei der Migration ist eingeleitet und es gibt Rekordinvestitionen unter Einhaltung der Schuldenbremse. Aber dennoch hat die Leute gestört, dass die FDP überhaupt mit zwei linken Parteien koaliert hat. Dazu gab es 2021 aber keine Alternative. Ich hätte eine Jamaika-Koalition mit Armin Laschet vorgezogen, aber die Union war nach der Wahlniederlage nicht abschlussfähig. Jetzt arbeiten wir unser Profil wieder heraus.
Frage: Was passiert eigentlich, wenn die FDP den Sprung in den Bundestag verpasst? Beim Schweizer Ringier-Verlag werden Sie schon als Vorstandsmitglied gehandelt...
Lindner: Es freut mich, dass man mir auch andere berufliche Perspektiven zutraut. (lacht) Aber ich tue alles, was in meiner Macht steht, damit die FDP mit einem guten Ergebnis als Stimme der Freiheit in den Bundestag kommt. Das Momentum für uns wächst.