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29.09.2023 - 09:00DJIR-SARAI-Interview: Die Asylwende muss kommen.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gab dem „Tagesspiegel“ und „tagesspiegel.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Valerie Höhne und Albrecht Meier.
Frage: Herr Djir-Sarai, sind die Grünen ein Sicherheitsrisiko für Deutschland?
Djir-Sarai: Unser Land steht bei der Migrationspolitik vor gewaltigen Herausforderungen. Es ist nicht klug, wenn die Grünen die historische Chance auf eine Einigung auf europäischer Ebene blockieren. Wenn es den demokratischen Parteien nicht gelingt, Lösungen zur Steuerung und Begrenzung der Migration zu präsentieren, profitieren populistische Parteien. Das will ich nicht. Ich begrüße es, dass der Bundeskanzler an die Adresse des grünen Koalitionspartners gerichtet nun klargemacht hat, dass die Asylwende kommen muss.
Frage: Wenn Sie die Grünen wirklich für gefährlich halten, müssten Sie dann nicht die Koalition sofort aufkündigen?
Djir-Sarai: Die Entscheidungsprozesse in der Koalition sind wegen der unterschiedlichen Positionen der Parteien oft lang und intensiv. Bis jetzt wurden aber immer gute Lösungen erreicht. Ich gehe davon aus, dass das auch dieses Mal so sein wird, denn wir haben gerade eine echte Chance auf eine Neuausrichtung der Migrationspolitik, die die Zahlen effektiv begrenzen könnte. Die Blockade der Grünen wäre nicht haltbar gewesen.
Frage: Wenn Sie von den Grünen als „Sicherheitsrisiko“ sprechen, werden auch Erinnerungen an die Koalition zwischen Union und FDP zwischen 2009 und 2013 wach. Damals beschimpften sich FDP und CSU wechselseitig als „Wildsau“ und „Gurkentruppe“. 2013 war die Koalition beendet. Müsste das nicht eine Lehre für Sie sein?
Djir-Sarai: Wir führen eine Sachdebatte zur Migration, bei der sich alle ehrlich machen müssen. Realitätsverweigerung ist gefährlich, sie stärkt die politischen Ränder. Als es um die Einstufung Moldaus und Georgiens zu sicheren Herkunftsstaaten ging, war es wahnsinnig schwer, die Grünen von diesem notwendigen Schritt zu überzeugen. Wir müssen aber noch weiter gehen. Auch die Maghreb-Staaten müssen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden.
Frage: Allerdings stammt nur ein geringer Teil der Asylbewerber in Deutschland aus diesen drei Ländern. Die Auswirkungen wären also überschaubar.
Djir-Sarai: Allein mit der Einstufung von Moldau und Georgien könnte die irreguläre Migration um 10 Prozent gesenkt werden. Aber Sie haben recht, es wäre lediglich ein Baustein. Wir brauchen einen ganzen Instrumentenkasten. Viele Asylbewerber kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Angesichts der Route, die diese Flüchtlinge nehmen, spielt auch das Wiederaufleben des Türkei-Abkommens eine große Rolle. National könnten die Bundesländer schon heute viel dafür tun, dass sich die Zahl der Rückführungen erhöht. Auch die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen könnte sofort erfolgen.
Frage: In Deutschland kann bislang auch Sozialleistungen beziehen, wer ausreisepflichtig ist. Sollte das geändert werden?
Djir-Sarai: Ja. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis antwortete kürzlich auf die Frage, warum so viele Flüchtlinge nach Deutschland weiterziehen, obwohl sie in der EU zunächst in Griechenland angekommen sind, der Grund seien die hohen sozialen Standards in Deutschland. Da müssen wir ran: vermehrt Sachleistungen und Bezahlkarten, die keine Überweisungen in Herkunftsländer ermöglichen.
Frage: Die staatliche Grenzschutzagentur Frontex soll laut FDP-Vorschlag nicht nur die Außengrenzen kontrollieren, sondern auch zur staatlichen Seenotrettung eingesetzt werden.
Djir-Sarai: Die Grenzschutzfähigkeit der EU muss verbessert werden. Und wir müssen Anreize reduzieren, damit Menschen sich nicht auf den gefährlichen Weg begeben. Ich habe eine klare Haltung zur Notwendigkeit von Steuerung, Kontrolle und Begrenzung von Migration. Aber wir würden die Werte der EU verraten, wenn wir Menschen in Not nicht helfen würden.
Frage: Sie sind selbst als Kind nach Deutschland geflohen. Verändert Ihre persönliche Geschichte Ihren Blick auf diese Debatte?
Djir-Sarai: Definitiv. Zuwanderung ist eine Bereicherung, sofern die Integration gelingt. Menschen, die ihre Heimat verlassen und hierhinkommen, haben Träume und Ziele. Aber wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, denjenigen, denen Hilfe zusteht, zu helfen, dann ist das ein Problem. Integration ist Voraussetzung dafür, dass Menschen die Chance haben, ihren Weg zu gehen. Das muss ein Staat leisten. Im Moment gelingt das angesichts der Höhe der Migrationszahlen aber nicht, das gehört zur Wahrheit dazu.
Frage: Trägt diese Situation zum Aufstieg der AfD bei?
Djir-Sarai: Viele Menschen drohen, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu verlieren. Das darf nicht sein. Daher müssen wir jetzt handeln: Mehr sichere Herkunftsstaaten, konsequente Rückführungen, Priorisierung von Sachleistungen, Sicherung der EU-Außengrenzen.
Frage: Was helfen könnte: Sich mit der Union an einen Tisch zu setzen, die die Hand beim Thema Migration ausgestreckt hat.
Djir-Sarai: Parteiübergreifende Lösungen wären bei solch einer großen Herausforderung gut. Die Union hat eine besondere Verantwortung, denn viele Reformen hätten schon in der Ära Merkel kommen müssen. Wir können uns jederzeit an einen Tisch setzen. Nur: Wenn ich sehe, dass die Union große Reden schwingt, aber in den Bundesländern, in denen sie regiert, keine der bereits umsetzbaren Maßnahmen ergreift, kommen mir Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.
Frage: Am 8. Oktober wird in Hessen und Bayern gewählt. Können Sie garantieren, dass die Ampel hält, selbst wenn die Liberalen es weder in Bayern noch in Hessen über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen?
Djir-Sarai: Ich ziehe aus Landtagswahlen keine bundespolitischen Schlussfolgerungen. Jede Landtagswahl ist anders. Allerdings: Migration und die wirtschaftliche Lage im Land sind zentrale Themen, bei denen die Koalition beweisen muss, dass sie handlungsfähig ist.
DJIR-SARAI-Interview: Die Asylwende muss kommen.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gab dem „Tagesspiegel“ und „tagesspiegel.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Valerie Höhne und Albrecht Meier.
Frage: Herr Djir-Sarai, sind die Grünen ein Sicherheitsrisiko für Deutschland?
Djir-Sarai: Unser Land steht bei der Migrationspolitik vor gewaltigen Herausforderungen. Es ist nicht klug, wenn die Grünen die historische Chance auf eine Einigung auf europäischer Ebene blockieren. Wenn es den demokratischen Parteien nicht gelingt, Lösungen zur Steuerung und Begrenzung der Migration zu präsentieren, profitieren populistische Parteien. Das will ich nicht. Ich begrüße es, dass der Bundeskanzler an die Adresse des grünen Koalitionspartners gerichtet nun klargemacht hat, dass die Asylwende kommen muss.
Frage: Wenn Sie die Grünen wirklich für gefährlich halten, müssten Sie dann nicht die Koalition sofort aufkündigen?
Djir-Sarai: Die Entscheidungsprozesse in der Koalition sind wegen der unterschiedlichen Positionen der Parteien oft lang und intensiv. Bis jetzt wurden aber immer gute Lösungen erreicht. Ich gehe davon aus, dass das auch dieses Mal so sein wird, denn wir haben gerade eine echte Chance auf eine Neuausrichtung der Migrationspolitik, die die Zahlen effektiv begrenzen könnte. Die Blockade der Grünen wäre nicht haltbar gewesen.
Frage: Wenn Sie von den Grünen als „Sicherheitsrisiko“ sprechen, werden auch Erinnerungen an die Koalition zwischen Union und FDP zwischen 2009 und 2013 wach. Damals beschimpften sich FDP und CSU wechselseitig als „Wildsau“ und „Gurkentruppe“. 2013 war die Koalition beendet. Müsste das nicht eine Lehre für Sie sein?
Djir-Sarai: Wir führen eine Sachdebatte zur Migration, bei der sich alle ehrlich machen müssen. Realitätsverweigerung ist gefährlich, sie stärkt die politischen Ränder. Als es um die Einstufung Moldaus und Georgiens zu sicheren Herkunftsstaaten ging, war es wahnsinnig schwer, die Grünen von diesem notwendigen Schritt zu überzeugen. Wir müssen aber noch weiter gehen. Auch die Maghreb-Staaten müssen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden.
Frage: Allerdings stammt nur ein geringer Teil der Asylbewerber in Deutschland aus diesen drei Ländern. Die Auswirkungen wären also überschaubar.
Djir-Sarai: Allein mit der Einstufung von Moldau und Georgien könnte die irreguläre Migration um 10 Prozent gesenkt werden. Aber Sie haben recht, es wäre lediglich ein Baustein. Wir brauchen einen ganzen Instrumentenkasten. Viele Asylbewerber kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Angesichts der Route, die diese Flüchtlinge nehmen, spielt auch das Wiederaufleben des Türkei-Abkommens eine große Rolle. National könnten die Bundesländer schon heute viel dafür tun, dass sich die Zahl der Rückführungen erhöht. Auch die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen könnte sofort erfolgen.
Frage: In Deutschland kann bislang auch Sozialleistungen beziehen, wer ausreisepflichtig ist. Sollte das geändert werden?
Djir-Sarai: Ja. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis antwortete kürzlich auf die Frage, warum so viele Flüchtlinge nach Deutschland weiterziehen, obwohl sie in der EU zunächst in Griechenland angekommen sind, der Grund seien die hohen sozialen Standards in Deutschland. Da müssen wir ran: vermehrt Sachleistungen und Bezahlkarten, die keine Überweisungen in Herkunftsländer ermöglichen.
Frage: Die staatliche Grenzschutzagentur Frontex soll laut FDP-Vorschlag nicht nur die Außengrenzen kontrollieren, sondern auch zur staatlichen Seenotrettung eingesetzt werden.
Djir-Sarai: Die Grenzschutzfähigkeit der EU muss verbessert werden. Und wir müssen Anreize reduzieren, damit Menschen sich nicht auf den gefährlichen Weg begeben. Ich habe eine klare Haltung zur Notwendigkeit von Steuerung, Kontrolle und Begrenzung von Migration. Aber wir würden die Werte der EU verraten, wenn wir Menschen in Not nicht helfen würden.
Frage: Sie sind selbst als Kind nach Deutschland geflohen. Verändert Ihre persönliche Geschichte Ihren Blick auf diese Debatte?
Djir-Sarai: Definitiv. Zuwanderung ist eine Bereicherung, sofern die Integration gelingt. Menschen, die ihre Heimat verlassen und hierhinkommen, haben Träume und Ziele. Aber wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, denjenigen, denen Hilfe zusteht, zu helfen, dann ist das ein Problem. Integration ist Voraussetzung dafür, dass Menschen die Chance haben, ihren Weg zu gehen. Das muss ein Staat leisten. Im Moment gelingt das angesichts der Höhe der Migrationszahlen aber nicht, das gehört zur Wahrheit dazu.
Frage: Trägt diese Situation zum Aufstieg der AfD bei?
Djir-Sarai: Viele Menschen drohen, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen zu verlieren. Das darf nicht sein. Daher müssen wir jetzt handeln: Mehr sichere Herkunftsstaaten, konsequente Rückführungen, Priorisierung von Sachleistungen, Sicherung der EU-Außengrenzen.
Frage: Was helfen könnte: Sich mit der Union an einen Tisch zu setzen, die die Hand beim Thema Migration ausgestreckt hat.
Djir-Sarai: Parteiübergreifende Lösungen wären bei solch einer großen Herausforderung gut. Die Union hat eine besondere Verantwortung, denn viele Reformen hätten schon in der Ära Merkel kommen müssen. Wir können uns jederzeit an einen Tisch setzen. Nur: Wenn ich sehe, dass die Union große Reden schwingt, aber in den Bundesländern, in denen sie regiert, keine der bereits umsetzbaren Maßnahmen ergreift, kommen mir Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.
Frage: Am 8. Oktober wird in Hessen und Bayern gewählt. Können Sie garantieren, dass die Ampel hält, selbst wenn die Liberalen es weder in Bayern noch in Hessen über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen?
Djir-Sarai: Ich ziehe aus Landtagswahlen keine bundespolitischen Schlussfolgerungen. Jede Landtagswahl ist anders. Allerdings: Migration und die wirtschaftliche Lage im Land sind zentrale Themen, bei denen die Koalition beweisen muss, dass sie handlungsfähig ist.