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20.09.2023 - 12:22BUSCHMANN-Interview: Alles, was weg kann, wollen wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz schreddern
FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann gab der „VRM“ (heute) das folgende Interview. Die Fragen stellten Jens Kleindienst und Frank Kaminski:
Frage: Herr Minister Buschmann, wie wollen Sie den „Bürokratie-Burnout“ verhindern?
Buschmann: Ich habe den Begriff gewählt, weil viele Betriebe so erschöpft sind von den vielen Regeln, dass sie sich gar nicht mehr um ihr Kerngeschäft kümmern können. Was wir jetzt mit den Meseberger Beschlüssen angeschoben haben, soll die Unternehmen um 2,3 Milliarden Euro Bürokratieaufwand entlasten. Aber das ist nur ein erster Schritt. Es wird noch viele weitere benötigen.
Frage: Was haben Sie konkret vor?
Buschmann: Wir planen ein breites Bündel an Maßnahmen: Unternehmen werden Buchungsbelege deutlich kürzer aufbewahren müssen, deutsche Hotelgäste werden keine Meldescheine mehr ausfüllen müssen, viele Dinge, die man bislang schriftlich erledigen muss, sollen künftig digital möglich sein. Und die Bundesregierung arbeitet daran, das Vergaberecht zu entbürokratisieren. Das wäre ein großer Schritt. Viele Handwerksbetriebe trauen sich gar nicht mehr, bei einer Ausschreibung mitzumachen, weil es so kompliziert geworden ist.
Frage: Was ist mit den vielen Tausend Informationspflichten, die Unternehmen erfüllen müssen?
Buschmann: Alles, was weg kann, wollen wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz schreddern. Das Wirtschaftsministerium wird die Informationspflichten überprüfen. Das wird eine spürbare Entlastung. Aber klar: Das allein wird nicht reichen. Denn 57 Prozent des laufenden Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft kommen aus Europa.
Frage: Und wie wollen Sie in Brüssel den Dschungel lichten?
Buschmann: Mit Frankreich wollen wir eine Initiative für Bürokratieabbau auf EU-Ebene starten. Wenn Deutschland und Frankreich sich einig sind, kann man in Brüssel richtig viel bewegen. Trotz der heraufziehenden Europawahlen dürfen wir hier keine Zeit verlieren. Sonst laufen wir noch Gefahr, von einem nationalen Bürokratie-Burnout in eine europäische Bürokratie-Depression zu fallen.
Frage: Was halten Sie von der Idee, neue Gesetze und Verordnungen mit einem Verfallsdatum zu versehen: Nur, was sich bewährt hat, wird verlängert.
Buschmann: Ich bin ein großer Anhänger davon und habe das in der Corona-Zeit auch durchgesetzt. Dieser Weg ist dann gut, wenn man für einen vorübergehenden Zustand etwas regelt. Das reicht aber nicht aus. Wir müssen auch im großen Bestand alter Bestimmungen Licht ins Dickicht bringen.
Frage: Ein Hebel wäre auch die Digitalisierung der Verwaltung. Warum kommt sie in Deutschland so quälend langsam voran?
Buschmann: Ja, das ist ein dickes Brett, was wir da bohren. Und offen gestanden: Ich verstehe es manchmal auch nicht. Als Justizminister bin ich Ende 2021 in eine analog betriebene Behörde gekommen. Das war Standard. Ich habe es dann mit tatkräftiger Unterstützung meines Hauses geschafft, mein Ministerium innerhalb eines Kalenderjahres vollständig auf die E-Akte umzustellen.
Frage: Warum hinken wir bei der Digitalisierung international so weit hinterher?
Buschmann: Zunächst ist eines klar: So wie es jetzt ist, darf es nicht bleiben. Die papiergetriebene Arbeitsweise kostet uns wahnsinnig viel Arbeitskraft. Wir verschwenden hier unsere wichtigste Ressource: gutes Personal. Wir können es uns nicht mehr leisten, Akten durch die Gegend zu kutschieren oder im Archiv zu suchen. Da sind andere Länder schon viel weiter. Um mit diesen aufzuschließen oder gar an diesen vorbeizuziehen, braucht es eine gehörige Kraftanstrengung. Wichtig ist: Wenn Sie an die Spitze einer Leiter klettern wollen, sollten Sie nicht die ganze Zeit nach unten schauen. Sonst wird man ängstlich und das können wir in dieser Situation nicht gebrauchen.
Frage: Themenwechsel: Die Zahl neu ankommender Flüchtlinge ist hoch, Kommunen schicken Brandbriefe nach Berlin. Im hessischen Wahlkampf ist die Migrationskrise den Menschen ein zentrales Anliegen. Wie bewerten sie die aktuelle Stimmung?
Buschmann: Wir müssen hier zwei Dinge unterscheiden: Es geht zum einen um Migration von Fachkräften, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt händeringend gesucht werden. Davon haben wir zu wenig. Wir stellen uns zu kompliziert und bürokratisch an, wenn Leute zu uns kommen wollen, die etwas können und die wir brauchen. Und dann gibt es die Migration aus humanitären Gründen von Menschen, die überwiegend vom Sozialstaat leben. Hier darf nicht der Anschein entstehen, jeder könne nach Belieben in unsere sozialen Sicherungssysteme einwandern. Um hier unser Recht besser durchzusetzen, werden wir Änderungen im deutschen Migrationsrecht durchführen und arbeiten auch entsprechend am europäischen Asylrecht. Wir brauchen mehr Ordnung und klare Regeln. Bei Personen, die keinen Schutzanspruch haben, müssen die Zahlen schnell zurückgehen.
Frage: Welche Maßnahmen können dabei helfen, was geht schnell und was nicht?
Buschmann: Wir haben dafür gesorgt, dass die Abschiebezahlen in den letzten Monaten deutlich nach oben gegangen sind. Außerdem hat die Bundesregierung beschlossen, Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten einstufen zu wollen. Das ist wichtig, weil zehn Prozent der Menschen, die kein Bleiberecht haben, über eines dieser beiden Länder einreisen. So können wir sie deutlich schneller abschieben. Und wir müssen schnell zu einem europäischen Asylsystem kommen, das die Prüfung des Asylbegehrens nach einer lückenlosen Erfassung und Registrierung an starken und geschützten Außengrenzen zügig und transparent ermöglicht. Wir müssen Recht und Ordnung konsequenter durchsetzen.
Frage: Von der CDU gibt es den Vorstoß, das individuelle Recht auf Asyl durch eine Kontingentlösung zu ersetzen. Wie bewerten Sie das?
Buschmann: Das deutsche Grundrecht auf Asyl oder die europäische Grundrechtsgewährleistung lassen sich nicht einfach abschaffen. Eine Änderung der EU-Grundrechte dauerte mitunter auch viele Jahre. Und dann gibt es ja auch noch die Genfer Flüchtlingskonvention. Man sollte den Leuten keinen Sand in die Augen streuen mit Scheinlösungen.
Frage: Was schlagen Sie vor?
Buschmann: Entscheidend ist, dass wir die Situation an den europäischen Außengrenzen bewältigen. Erstens, indem wir alle Ankommenden lückenlos erfassen und registrieren. Zweitens mit einem Außengrenzverfahren, bei dem wir beschleunigt über die Anträge von bestimmten Gruppen entscheiden, die wenig Aussicht auf Schutz in der EU haben. Und hier spiele ich den Ball zurück: Sieben Jahre lang war die Große Koalition nicht in der Lage, die Verhandlungen zu einem Europäischen Asylsystem richtig voran zu bringen. Hier sind wir als Ampel einen großen Schritt vorangekommen. Wir hoffen, das restliche Europa zieht nun rasch mit.
Frage: Eine weitere Forderung der CDU sind flächendeckende Kontrollen an den deutschen Außengrenzen. Wie stehen Sie dazu?
Buschmann: Flächendeckende Binnengrenzkontrollen führen ja nicht dazu, dass begrenzte Ressourcen optimal eingesetzt werden. Sie würden dazu führen, dass man es zwar überall ein bisschen was macht, dafür aber nirgendwo mehr richtig. Sinnvoller wäre es, diese Kontrollen dort, wo illegale Grenzübertritte gehäuft stattfinden und solche Grenzkontrollen auch nach den Schengen-Regeln zulässig sind, zu verstärken. Wir brauchen Wirksamkeit statt Symbolpolitik.
BUSCHMANN-Interview: Alles, was weg kann, wollen wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz schreddern
FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann gab der „VRM“ (heute) das folgende Interview. Die Fragen stellten Jens Kleindienst und Frank Kaminski:
Frage: Herr Minister Buschmann, wie wollen Sie den „Bürokratie-Burnout“ verhindern?
Buschmann: Ich habe den Begriff gewählt, weil viele Betriebe so erschöpft sind von den vielen Regeln, dass sie sich gar nicht mehr um ihr Kerngeschäft kümmern können. Was wir jetzt mit den Meseberger Beschlüssen angeschoben haben, soll die Unternehmen um 2,3 Milliarden Euro Bürokratieaufwand entlasten. Aber das ist nur ein erster Schritt. Es wird noch viele weitere benötigen.
Frage: Was haben Sie konkret vor?
Buschmann: Wir planen ein breites Bündel an Maßnahmen: Unternehmen werden Buchungsbelege deutlich kürzer aufbewahren müssen, deutsche Hotelgäste werden keine Meldescheine mehr ausfüllen müssen, viele Dinge, die man bislang schriftlich erledigen muss, sollen künftig digital möglich sein. Und die Bundesregierung arbeitet daran, das Vergaberecht zu entbürokratisieren. Das wäre ein großer Schritt. Viele Handwerksbetriebe trauen sich gar nicht mehr, bei einer Ausschreibung mitzumachen, weil es so kompliziert geworden ist.
Frage: Was ist mit den vielen Tausend Informationspflichten, die Unternehmen erfüllen müssen?
Buschmann: Alles, was weg kann, wollen wir mit dem Bürokratieentlastungsgesetz schreddern. Das Wirtschaftsministerium wird die Informationspflichten überprüfen. Das wird eine spürbare Entlastung. Aber klar: Das allein wird nicht reichen. Denn 57 Prozent des laufenden Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft kommen aus Europa.
Frage: Und wie wollen Sie in Brüssel den Dschungel lichten?
Buschmann: Mit Frankreich wollen wir eine Initiative für Bürokratieabbau auf EU-Ebene starten. Wenn Deutschland und Frankreich sich einig sind, kann man in Brüssel richtig viel bewegen. Trotz der heraufziehenden Europawahlen dürfen wir hier keine Zeit verlieren. Sonst laufen wir noch Gefahr, von einem nationalen Bürokratie-Burnout in eine europäische Bürokratie-Depression zu fallen.
Frage: Was halten Sie von der Idee, neue Gesetze und Verordnungen mit einem Verfallsdatum zu versehen: Nur, was sich bewährt hat, wird verlängert.
Buschmann: Ich bin ein großer Anhänger davon und habe das in der Corona-Zeit auch durchgesetzt. Dieser Weg ist dann gut, wenn man für einen vorübergehenden Zustand etwas regelt. Das reicht aber nicht aus. Wir müssen auch im großen Bestand alter Bestimmungen Licht ins Dickicht bringen.
Frage: Ein Hebel wäre auch die Digitalisierung der Verwaltung. Warum kommt sie in Deutschland so quälend langsam voran?
Buschmann: Ja, das ist ein dickes Brett, was wir da bohren. Und offen gestanden: Ich verstehe es manchmal auch nicht. Als Justizminister bin ich Ende 2021 in eine analog betriebene Behörde gekommen. Das war Standard. Ich habe es dann mit tatkräftiger Unterstützung meines Hauses geschafft, mein Ministerium innerhalb eines Kalenderjahres vollständig auf die E-Akte umzustellen.
Frage: Warum hinken wir bei der Digitalisierung international so weit hinterher?
Buschmann: Zunächst ist eines klar: So wie es jetzt ist, darf es nicht bleiben. Die papiergetriebene Arbeitsweise kostet uns wahnsinnig viel Arbeitskraft. Wir verschwenden hier unsere wichtigste Ressource: gutes Personal. Wir können es uns nicht mehr leisten, Akten durch die Gegend zu kutschieren oder im Archiv zu suchen. Da sind andere Länder schon viel weiter. Um mit diesen aufzuschließen oder gar an diesen vorbeizuziehen, braucht es eine gehörige Kraftanstrengung. Wichtig ist: Wenn Sie an die Spitze einer Leiter klettern wollen, sollten Sie nicht die ganze Zeit nach unten schauen. Sonst wird man ängstlich und das können wir in dieser Situation nicht gebrauchen.
Frage: Themenwechsel: Die Zahl neu ankommender Flüchtlinge ist hoch, Kommunen schicken Brandbriefe nach Berlin. Im hessischen Wahlkampf ist die Migrationskrise den Menschen ein zentrales Anliegen. Wie bewerten sie die aktuelle Stimmung?
Buschmann: Wir müssen hier zwei Dinge unterscheiden: Es geht zum einen um Migration von Fachkräften, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt händeringend gesucht werden. Davon haben wir zu wenig. Wir stellen uns zu kompliziert und bürokratisch an, wenn Leute zu uns kommen wollen, die etwas können und die wir brauchen. Und dann gibt es die Migration aus humanitären Gründen von Menschen, die überwiegend vom Sozialstaat leben. Hier darf nicht der Anschein entstehen, jeder könne nach Belieben in unsere sozialen Sicherungssysteme einwandern. Um hier unser Recht besser durchzusetzen, werden wir Änderungen im deutschen Migrationsrecht durchführen und arbeiten auch entsprechend am europäischen Asylrecht. Wir brauchen mehr Ordnung und klare Regeln. Bei Personen, die keinen Schutzanspruch haben, müssen die Zahlen schnell zurückgehen.
Frage: Welche Maßnahmen können dabei helfen, was geht schnell und was nicht?
Buschmann: Wir haben dafür gesorgt, dass die Abschiebezahlen in den letzten Monaten deutlich nach oben gegangen sind. Außerdem hat die Bundesregierung beschlossen, Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten einstufen zu wollen. Das ist wichtig, weil zehn Prozent der Menschen, die kein Bleiberecht haben, über eines dieser beiden Länder einreisen. So können wir sie deutlich schneller abschieben. Und wir müssen schnell zu einem europäischen Asylsystem kommen, das die Prüfung des Asylbegehrens nach einer lückenlosen Erfassung und Registrierung an starken und geschützten Außengrenzen zügig und transparent ermöglicht. Wir müssen Recht und Ordnung konsequenter durchsetzen.
Frage: Von der CDU gibt es den Vorstoß, das individuelle Recht auf Asyl durch eine Kontingentlösung zu ersetzen. Wie bewerten Sie das?
Buschmann: Das deutsche Grundrecht auf Asyl oder die europäische Grundrechtsgewährleistung lassen sich nicht einfach abschaffen. Eine Änderung der EU-Grundrechte dauerte mitunter auch viele Jahre. Und dann gibt es ja auch noch die Genfer Flüchtlingskonvention. Man sollte den Leuten keinen Sand in die Augen streuen mit Scheinlösungen.
Frage: Was schlagen Sie vor?
Buschmann: Entscheidend ist, dass wir die Situation an den europäischen Außengrenzen bewältigen. Erstens, indem wir alle Ankommenden lückenlos erfassen und registrieren. Zweitens mit einem Außengrenzverfahren, bei dem wir beschleunigt über die Anträge von bestimmten Gruppen entscheiden, die wenig Aussicht auf Schutz in der EU haben. Und hier spiele ich den Ball zurück: Sieben Jahre lang war die Große Koalition nicht in der Lage, die Verhandlungen zu einem Europäischen Asylsystem richtig voran zu bringen. Hier sind wir als Ampel einen großen Schritt vorangekommen. Wir hoffen, das restliche Europa zieht nun rasch mit.
Frage: Eine weitere Forderung der CDU sind flächendeckende Kontrollen an den deutschen Außengrenzen. Wie stehen Sie dazu?
Buschmann: Flächendeckende Binnengrenzkontrollen führen ja nicht dazu, dass begrenzte Ressourcen optimal eingesetzt werden. Sie würden dazu führen, dass man es zwar überall ein bisschen was macht, dafür aber nirgendwo mehr richtig. Sinnvoller wäre es, diese Kontrollen dort, wo illegale Grenzübertritte gehäuft stattfinden und solche Grenzkontrollen auch nach den Schengen-Regeln zulässig sind, zu verstärken. Wir brauchen Wirksamkeit statt Symbolpolitik.