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17.08.2022 - 13:54STARK-WATZINGER/BRANDMANN-Gastbeitrag: Nein, ein Pflichtdienst tut nicht gut
FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger und die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen Franziska Brandmann schrieben für „Spiegel Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Deutschland sieht sich aktuell mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Ausgerechnet in dieser Zeit stoßen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter des Landes wieder einmal eine Debatte über einen sogenannten sozialen Pflichtdienst an.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Frage in den Raum gestellt, »ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen«. CDU-Chef Friedrich Merz zeigt nun Sympathie für diesen Gedanken; er tendiere in »Richtung verpflichtendes Jahr«.
Die Debatte ist im Grunde eine über das Verständnis von bürgerlichen Pflichten in unserer Gesellschaft. Muss man wirklich einen sozialen Pflichtdienst ausüben, um sich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen? Können Bürgerinnen und Bürger nicht selbst entscheiden, wie sie der Gesellschaft dienen?
Der Pflichtdienst soll vor allem für junge Menschen gelten. Gerade auf die Union ist Verlass, wenn es darum geht, jungen Menschen durch Pflichten vermeintlich Anstand beizubringen. Doch eine so enorme Einschränkung der freien Entscheidung von Bürgerinnen und Bürgern ist nicht deshalb verhältnismäßiger, weil die Betroffenen jung sind. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat schon 2016 große Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer allgemeinen Dienstpflicht geäußert. Zudem engagieren sich bereits sehr viele junge Menschen ehrenamtlich – weshalb die Frage im Raum steht, ob es nicht besser wäre, dieses freiwillige Engagement zu fördern.
Die Pflichtdienst-Debatte war noch nie so fehl am Platz wie jetzt. Wegen der Coronapandemie haben gerade junge Menschen vieles, was sonst die Jugend ausmacht, nicht erleben können: Unterricht fiel aus, Treffen mit Gleichaltrigen waren zeitweilig verboten, Abschlussfeiern wurden gestrichen. Wer das als »Luxusproblem« kleinreden möchte, sei an seine eigene Jugend erinnert – oder auf die vielen Studien zu diesem Thema hingewiesen. Diese belegen, dass die Coronapandemie und die Einschränkungen, die mit ihr einhergingen, zu einem starken Anstieg psychischer Probleme bei Jugendlichen geführt haben. Wer nun, da sich eine Normalisierung des Lebens endlich einstellt, genau diesen jungen Menschen einen Pflichtdienst vorschreiben will, sollte sich selbst in der Empathie üben, die hier anderen Leuten anerzogen werden soll.
Dass Friedrich Merz einerseits selbst sagt, dass die letzten Jahre gerade für junge Menschen »eine Zeit von Entbehrung und Einsamkeit« waren und die Politik gegenüber jungen Menschen Fehler gemacht habe, er andererseits aber mitteilt, dies sei kein Argument gegen einen sozialen Pflichtdienst, ist offenbarend. Denn einen Vorschlag, um diese politischen Fehler, die er selbst eingesteht, zu korrigieren, hat Merz noch nicht gemacht. Wenn nun die erste Maßnahme, die ihm für die junge Generation einfällt, keine Initiative für mentale Gesundheit, sondern ein Pflichtdienst ist, dann spricht das Bände.
Die teilweise prekäre Lage, der sich viele, vorwiegend soziale Berufe ausgesetzt sehen, ließe sich durch einen Pflichtdienst (wenn überhaupt) nur oberflächlich bekämpfen. Dort werden dringend Fachkräfte gesucht. Aber diese können nicht durch ungelernte, zwangsverpflichtete Jugendliche ersetzt werden. Anderes zu suggerieren, ist ein Schlag ins Gesicht ausgebildeter Fachkräfte.
Sich gegen eine Dienstpflicht auszusprechen, bedeutet nicht, Freiwilligendienste für die Gesellschaft abzulehnen. Im Gegenteil: Wir rufen jeden jungen Menschen dazu auf, diese Chance wahrzunehmen und so einzigartige Erfahrungen zu sammeln. Dienste wie das Freiwillige Soziale Jahr sollten attraktiver gestaltet werden, etwa durch eine angemessene Bezahlung. Und falls es den Vertretern eines Pflichtdiensts darum gehen sollte, Begegnungsräume zu schaffen, wollen wir festhalten: Freiwillig begegnet es sich schöner.
STARK-WATZINGER/BRANDMANN-Gastbeitrag: Nein, ein Pflichtdienst tut nicht gut
FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger und die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen Franziska Brandmann schrieben für „Spiegel Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Deutschland sieht sich aktuell mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Ausgerechnet in dieser Zeit stoßen hochrangige Vertreterinnen und Vertreter des Landes wieder einmal eine Debatte über einen sogenannten sozialen Pflichtdienst an.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Frage in den Raum gestellt, »ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen«. CDU-Chef Friedrich Merz zeigt nun Sympathie für diesen Gedanken; er tendiere in »Richtung verpflichtendes Jahr«.
Die Debatte ist im Grunde eine über das Verständnis von bürgerlichen Pflichten in unserer Gesellschaft. Muss man wirklich einen sozialen Pflichtdienst ausüben, um sich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen? Können Bürgerinnen und Bürger nicht selbst entscheiden, wie sie der Gesellschaft dienen?
Der Pflichtdienst soll vor allem für junge Menschen gelten. Gerade auf die Union ist Verlass, wenn es darum geht, jungen Menschen durch Pflichten vermeintlich Anstand beizubringen. Doch eine so enorme Einschränkung der freien Entscheidung von Bürgerinnen und Bürgern ist nicht deshalb verhältnismäßiger, weil die Betroffenen jung sind. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat schon 2016 große Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer allgemeinen Dienstpflicht geäußert. Zudem engagieren sich bereits sehr viele junge Menschen ehrenamtlich – weshalb die Frage im Raum steht, ob es nicht besser wäre, dieses freiwillige Engagement zu fördern.
Die Pflichtdienst-Debatte war noch nie so fehl am Platz wie jetzt. Wegen der Coronapandemie haben gerade junge Menschen vieles, was sonst die Jugend ausmacht, nicht erleben können: Unterricht fiel aus, Treffen mit Gleichaltrigen waren zeitweilig verboten, Abschlussfeiern wurden gestrichen. Wer das als »Luxusproblem« kleinreden möchte, sei an seine eigene Jugend erinnert – oder auf die vielen Studien zu diesem Thema hingewiesen. Diese belegen, dass die Coronapandemie und die Einschränkungen, die mit ihr einhergingen, zu einem starken Anstieg psychischer Probleme bei Jugendlichen geführt haben. Wer nun, da sich eine Normalisierung des Lebens endlich einstellt, genau diesen jungen Menschen einen Pflichtdienst vorschreiben will, sollte sich selbst in der Empathie üben, die hier anderen Leuten anerzogen werden soll.
Dass Friedrich Merz einerseits selbst sagt, dass die letzten Jahre gerade für junge Menschen »eine Zeit von Entbehrung und Einsamkeit« waren und die Politik gegenüber jungen Menschen Fehler gemacht habe, er andererseits aber mitteilt, dies sei kein Argument gegen einen sozialen Pflichtdienst, ist offenbarend. Denn einen Vorschlag, um diese politischen Fehler, die er selbst eingesteht, zu korrigieren, hat Merz noch nicht gemacht. Wenn nun die erste Maßnahme, die ihm für die junge Generation einfällt, keine Initiative für mentale Gesundheit, sondern ein Pflichtdienst ist, dann spricht das Bände.
Die teilweise prekäre Lage, der sich viele, vorwiegend soziale Berufe ausgesetzt sehen, ließe sich durch einen Pflichtdienst (wenn überhaupt) nur oberflächlich bekämpfen. Dort werden dringend Fachkräfte gesucht. Aber diese können nicht durch ungelernte, zwangsverpflichtete Jugendliche ersetzt werden. Anderes zu suggerieren, ist ein Schlag ins Gesicht ausgebildeter Fachkräfte.
Sich gegen eine Dienstpflicht auszusprechen, bedeutet nicht, Freiwilligendienste für die Gesellschaft abzulehnen. Im Gegenteil: Wir rufen jeden jungen Menschen dazu auf, diese Chance wahrzunehmen und so einzigartige Erfahrungen zu sammeln. Dienste wie das Freiwillige Soziale Jahr sollten attraktiver gestaltet werden, etwa durch eine angemessene Bezahlung. Und falls es den Vertretern eines Pflichtdiensts darum gehen sollte, Begegnungsräume zu schaffen, wollen wir festhalten: Freiwillig begegnet es sich schöner.