FDP|
17.10.2021 - 18:36LINDNER-Gastbeitrag: Die FDP bleibt Anwalt der bürgerlichen Mitte
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner schrieb für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montagsausgabe) und „faz.net" den folgenden Gastbeitrag:
Aus der Mitte der Gesellschaft heraus gibt es einen großen Wunsch nach Erneuerung in unserem Land. Dieser Erwartung haben vor allem junge Menschen bei der Bundestagswahl Ausdruck verliehen. Sie wählten überdurchschnittlich oft Freie Demokraten und Grüne. Ihre Wahlentscheidung ist mit der Hoffnung verknüpft, dass sich endlich etwas ändert.
So deutlich der Wunsch nach Aufbruch ist, so sehr stellt der Auftrag der Wählerinnen und Wähler aber auch eine ungekannte Herausforderung dar. Für die FDP gilt das in besonderem Maße. Das Parteiensystem hat sich verändert. Über Jahrzehnte eingeübte Formen der Mehrheitsbildung sind obsolet geworden. Nur eine einzige Zweier-Koalition hätte im Bundestag noch eine Mehrheit: Eine weitere Große Koalition, diesmal unter Führung der SPD. Diese vierte Große Koalition seit 2005 wäre eine Verlängerung des „Weiter so“. Ein solches „Weiter so“ ist abgewählt worden.
Klar ist gleichzeitig: Die Parteien, die sich jetzt auf ein Sondierungspapier verständigt haben, haben sich im Wahlkampf nicht gesucht. Sie kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Programmatische Unterschiede haben sich mit dem Wahltag auch nicht in Luft aufgelöst. Eine Regierungsbeteiligung der FDP muss deshalb immer einen Unterschied machen. 2017 haben wir bewiesen, dass wir in eine Koalition nur dann eintreten können, wenn die Anliegen unserer Wählerinnen und Wähler maßgeblich Berücksichtigung finden. Dieser Maßstab gilt unverändert.
Die Demut vor dem Votum der Bürgerinnen und Bürger gebietet es aber, Gemeinsamkeiten zu finden. Hierin liegt auch die Chance, die dieses Wahlergebnis bietet. Wir können manche Polarisierung überwinden. Es geht nicht darum, gleich eine neue politische Epoche zu begründen. Dringlicher ist, die alltäglichen Probleme der Menschen zu lösen. Uns eint das Ziel, das soziale Aufstiegsversprechen neu mit Leben zu füllen, unsere Gesellschaft zu digitalisieren und zu dekarbonisieren und unseren Wohlstand zu sichern.
Sozialdemokraten und Grüne verstehen sich als Kräfte links der Mitte. In einer künftigen Koalition würde der FDP eine besondere Verantwortung zuwachsen. Im Sondierungspapier ist festgehalten, dass eine neue Regierung auch für diejenigen da sein soll, die ihr nicht die Stimme gegeben haben. Bereits im Wahlkampf haben wir deutlich gemacht, dass es mit uns keinen Linksdrift in Deutschland geben wird. Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Chancengerechtigkeit bleiben die Maßstäbe unseres Handelns – das haben wir in den Jahren der Opposition bewiesen und das gilt auch für jede Art von Regierungsbeteiligung. Die Grundwerte von Freiheit und Selbstbestimmung sind für uns nicht verhandelbar.
Einer Regierung könnten wir deshalb nicht beitreten, die Steuern erhöht oder die Schuldenbremse missachtet. Im Sondierungspapier ist nun klar verankert, dass sich eine künftige Regierung zwingend innerhalb dieser Leitplanken bewegen muss. Eine neue Koalition würde Nachhaltigkeit ohnehin nicht nur im ökologischen, sondern umfassend auch im ökonomischen Sinne verstehen. Mit dem Einstieg in eine Kapitaldeckung bei der Rente zum Beispiel gehen wir einen großen Schritt in diese Richtung. Wir wollen Planungsverfahren beschleunigen, Bürokratie abbauen, privates Kapital zur Bewältigung von Zukunftsaufgaben aktivieren, Bürger und Unternehmen entlasten - beispielsweise bei den Stromkosten. Wir wollen Klimaschutz technologieneutral ermöglichen, unser Land gesellschaftlich modernisieren und endlich ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeits- und Einwanderungsrecht schaffen. Diese und noch viele weitere Punkte im Sondierungspapier zeigen: Wir als Freie Demokraten bleiben der Anwalt und der Ansprechpartner der bürgerlichen Mitte in Deutschland.
Dies gilt umso mehr, als dass die Unionsparteien zurzeit nur bedingt handlungs- und regierungsfähig sind. Die inhaltlichen Überschneidungen mit der Union waren und sind in vielen Bereichen zweifelsohne groß. Schon in der Vergangenheit aber stellten CDU und CSU ihr Programm nach einer Wahl allzu oft zur Disposition. Dies erschwerte die Zusammenarbeit. Mittlerweile werden im Hinblick auf die Union auch Regierungswille, innere Geschlossenheit und Bereitschaft zu vertrauensvoller Kooperation öffentlich diskutiert. Beides wäre jedoch die Voraussetzung, um eine stabile Regierung für Deutschland bilden zu können. Die Unionsparteien haben es seit der Bundestagswahl außerdem nicht vermocht, Bündnis 90/Die Grünen für eine gemeinsame Zusammenarbeit zu gewinnen.
Wir Freie Demokraten wissen, dass es ohne Partner nicht geht, wenn Fortschritt erreicht werden soll. Die Sondierungsgespräche waren trotz aller Unterschiede in der Sache von Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt. Gerade Menschen aus der bürgerlichen Mitte unseres Landes schätzen es, wenn nicht der Eindruck haften bleibt, politischen Akteuren ginge es in erster Linie um die Befriedigung eigener Bedürfnisse. Denn nicht zuletzt ist Regieren auch eine Frage des Stils. Diese neue Form der politischen Kultur möchte ich gerne fortsetzen.
LINDNER-Gastbeitrag: Die FDP bleibt Anwalt der bürgerlichen Mitte
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner schrieb für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montagsausgabe) und „faz.net" den folgenden Gastbeitrag:
Aus der Mitte der Gesellschaft heraus gibt es einen großen Wunsch nach Erneuerung in unserem Land. Dieser Erwartung haben vor allem junge Menschen bei der Bundestagswahl Ausdruck verliehen. Sie wählten überdurchschnittlich oft Freie Demokraten und Grüne. Ihre Wahlentscheidung ist mit der Hoffnung verknüpft, dass sich endlich etwas ändert.
So deutlich der Wunsch nach Aufbruch ist, so sehr stellt der Auftrag der Wählerinnen und Wähler aber auch eine ungekannte Herausforderung dar. Für die FDP gilt das in besonderem Maße. Das Parteiensystem hat sich verändert. Über Jahrzehnte eingeübte Formen der Mehrheitsbildung sind obsolet geworden. Nur eine einzige Zweier-Koalition hätte im Bundestag noch eine Mehrheit: Eine weitere Große Koalition, diesmal unter Führung der SPD. Diese vierte Große Koalition seit 2005 wäre eine Verlängerung des „Weiter so“. Ein solches „Weiter so“ ist abgewählt worden.
Klar ist gleichzeitig: Die Parteien, die sich jetzt auf ein Sondierungspapier verständigt haben, haben sich im Wahlkampf nicht gesucht. Sie kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Programmatische Unterschiede haben sich mit dem Wahltag auch nicht in Luft aufgelöst. Eine Regierungsbeteiligung der FDP muss deshalb immer einen Unterschied machen. 2017 haben wir bewiesen, dass wir in eine Koalition nur dann eintreten können, wenn die Anliegen unserer Wählerinnen und Wähler maßgeblich Berücksichtigung finden. Dieser Maßstab gilt unverändert.
Die Demut vor dem Votum der Bürgerinnen und Bürger gebietet es aber, Gemeinsamkeiten zu finden. Hierin liegt auch die Chance, die dieses Wahlergebnis bietet. Wir können manche Polarisierung überwinden. Es geht nicht darum, gleich eine neue politische Epoche zu begründen. Dringlicher ist, die alltäglichen Probleme der Menschen zu lösen. Uns eint das Ziel, das soziale Aufstiegsversprechen neu mit Leben zu füllen, unsere Gesellschaft zu digitalisieren und zu dekarbonisieren und unseren Wohlstand zu sichern.
Sozialdemokraten und Grüne verstehen sich als Kräfte links der Mitte. In einer künftigen Koalition würde der FDP eine besondere Verantwortung zuwachsen. Im Sondierungspapier ist festgehalten, dass eine neue Regierung auch für diejenigen da sein soll, die ihr nicht die Stimme gegeben haben. Bereits im Wahlkampf haben wir deutlich gemacht, dass es mit uns keinen Linksdrift in Deutschland geben wird. Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Chancengerechtigkeit bleiben die Maßstäbe unseres Handelns – das haben wir in den Jahren der Opposition bewiesen und das gilt auch für jede Art von Regierungsbeteiligung. Die Grundwerte von Freiheit und Selbstbestimmung sind für uns nicht verhandelbar.
Einer Regierung könnten wir deshalb nicht beitreten, die Steuern erhöht oder die Schuldenbremse missachtet. Im Sondierungspapier ist nun klar verankert, dass sich eine künftige Regierung zwingend innerhalb dieser Leitplanken bewegen muss. Eine neue Koalition würde Nachhaltigkeit ohnehin nicht nur im ökologischen, sondern umfassend auch im ökonomischen Sinne verstehen. Mit dem Einstieg in eine Kapitaldeckung bei der Rente zum Beispiel gehen wir einen großen Schritt in diese Richtung. Wir wollen Planungsverfahren beschleunigen, Bürokratie abbauen, privates Kapital zur Bewältigung von Zukunftsaufgaben aktivieren, Bürger und Unternehmen entlasten - beispielsweise bei den Stromkosten. Wir wollen Klimaschutz technologieneutral ermöglichen, unser Land gesellschaftlich modernisieren und endlich ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeits- und Einwanderungsrecht schaffen. Diese und noch viele weitere Punkte im Sondierungspapier zeigen: Wir als Freie Demokraten bleiben der Anwalt und der Ansprechpartner der bürgerlichen Mitte in Deutschland.
Dies gilt umso mehr, als dass die Unionsparteien zurzeit nur bedingt handlungs- und regierungsfähig sind. Die inhaltlichen Überschneidungen mit der Union waren und sind in vielen Bereichen zweifelsohne groß. Schon in der Vergangenheit aber stellten CDU und CSU ihr Programm nach einer Wahl allzu oft zur Disposition. Dies erschwerte die Zusammenarbeit. Mittlerweile werden im Hinblick auf die Union auch Regierungswille, innere Geschlossenheit und Bereitschaft zu vertrauensvoller Kooperation öffentlich diskutiert. Beides wäre jedoch die Voraussetzung, um eine stabile Regierung für Deutschland bilden zu können. Die Unionsparteien haben es seit der Bundestagswahl außerdem nicht vermocht, Bündnis 90/Die Grünen für eine gemeinsame Zusammenarbeit zu gewinnen.
Wir Freie Demokraten wissen, dass es ohne Partner nicht geht, wenn Fortschritt erreicht werden soll. Die Sondierungsgespräche waren trotz aller Unterschiede in der Sache von Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt. Gerade Menschen aus der bürgerlichen Mitte unseres Landes schätzen es, wenn nicht der Eindruck haften bleibt, politischen Akteuren ginge es in erster Linie um die Befriedigung eigener Bedürfnisse. Denn nicht zuletzt ist Regieren auch eine Frage des Stils. Diese neue Form der politischen Kultur möchte ich gerne fortsetzen.