FDP|
09.12.2020 - 12:51WISSING-Interview: Existenzen stehen auf dem Spiel
Der FDP-Generalsekretär Dr. Volker Wissing gab „Spiegel Online“ folgendes Interview. Die Fragen stellte Severin Weiland:
Frage: Herr Wissing, die Bundesregierung hat den Unternehmen und Selbstständigen die Auszahlung von Novemberhilfen versprochen. Bis zu 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats können sie ersetzt bekommen. Nun gibt es Probleme mit der Software, die Auszahlung der Gelder verzögert sich. Was ist da los?
Antwort: Die Bundesregierung hat versäumt, die Erfahrungen aus den Auszahlungen in diesem Frühjahr zu evaluieren. Sie ist unvorbereitet in den November-Lockdown gegangen. Der Bund ist immer noch dabei, eine Software programmieren zu lassen, die unabdingbar ist, um die Anträge für die Novemberhilfen zu bearbeiten. Wie wir nun hören, steht den Ländern vor dem 20. Dezember aber keine Software zur Verfügung. Wir können aber keine eigene Software entwickeln, das wäre zeitaufwendig, teuer und würde alles nur noch chaotischer machen. Wir brauchen eine einheitliche Lösung – und die muss der Bund so schnell wie möglich liefern.
Frage: Was heißt das konkret für die Betroffenen?
Antwort: Bis zum 20. Dezember können keine Anträge in den zuständigen Ministerien der Länder bearbeitet werden. Momentan sind uns die Hände gebunden. Das heißt, dass es in diesem Jahr nicht mehr zur Auszahlung der Novemberhilfen kommen wird. Die Novemberhilfen werden zu Januarhilfen.
Frage: Welche Auswirkungen befürchten Sie?
Antwort: Durch die verzögerte Bearbeitung kann es zu Liquiditätsschwierigkeiten kommen und damit stehen Existenzen von Unternehmen auf dem Spiel. Es ist eine sehr ernste Situation. Wir dürfen nicht vergessen, die betroffenen Unternehmen mussten ihren Geschäftsbetrieb bereits seit November runterfahren, haben kaum mehr Einnahmen und jetzt sollen die für November versprochenen Hilfen erst im Januar kommen. Für etliche wird die Hilfe zu spät kommen.
Frage: Nur Steuerberater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer dürfen Anträge für die betroffenen Unternehmen und Selbstständigen stellen. Auch diese Berufsgruppen gehen in die Weihnachts- und Neujahresferien, beklagen zum Teil eine Mehrarbeit. Wie wirkt sich das auf den Zeitplan aus?
Antwort: Wegen der Probleme mit der Software dürften die Novemberhilfen nicht vor dem 10. Januar zur Auszahlung kommen. Und nach unseren Informationen wird die Dezemberhilfe auch erst Mitte Januar beantragt werden können. Hinzu kommt die sogenannte Überbrückungshilfe III, die eigentlich ab Januar den Unternehmen helfen soll. Sie wird offenbar erst Mitte Februar beantragt werden können. Es gibt zu viele unterschiedliche Programme, die gleichzeitig laufen und gleichzeitig administriert werden müssen. Das überfordert Unternehmen und Verwaltung gleichermaßen.
Frage: Aus der Unionsfraktion gibt es den Vorwurf, das Software-Problem sei Sache von SPD-Finanzminister Scholz. Macht sich CDU-Wirtschaftsminister Altmaier einen schlanken Fuß?
Antwort: Ich bin erstaunt, dass die Bundesregierung jetzt die Verantwortung beim Bundesfinanzministerium sieht. Ich frage mich, warum Herr Altmaier die jetzigen Hilfsverfahren bislang immer in der Wirtschaftsministerkonferenz vorgestellt hat? Die Bundesregierung kann den Ländern nicht unterschiedliche Ansprechpartner für die Hilfsprogramme anbieten, wir brauchen einen einheitlichen Ansprechpartner, mit dem wir die Verfahren besprechen können. Derzeit können wir nur festhalten: Das funktioniert so nicht.
Frage: Was schlagen Sie vor?
Antwort: Die Bundesregierung muss zunächst einmal aufhören, interne Diskussionen über die Zuständigkeit der Aushilfsmodalitäten zu führen. Sie sollte alles unternehmen, um die Verfahren so einfach und so unbürokratisch wie möglich zu gestalten. Nachdem die Kanzlerin bereits Oktober einen zweiten Lockdown gefordert hat, ist es völlig unverständlich, dass erst im Januar Gelder fließen können.
Frage: Nun heißt es, Wirtschafts- und Finanzministerium hätten sich darauf geeinigt, die Abschlagszahlungen für November und Dezember von 10.000 Euro auf 50.000 zu erhöhen. Eine Maßnahme, die helfen kann?
Antwort: Auf jeden Fall. Das war auch der Vorschlag der Länder, daher begrüße ich die Aufstockung bei der Abschlagszahlung ausdrücklich. Wenn Unternehmen 200.000 oder 300.000 Euro für Hilfsanträge stellen, wären 10.000 Euro nur eine kleine Linderung in einer ohnehin angespannten Lage. Wichtiger wäre es aber, Novemberhilfen im November und nicht erst im Januar auszuzahlen.
Frage: Ein härterer Lockdown nach Weihnachten bis in den Januar hinein wird immer wahrscheinlicher. Was heißt das für die Hilfen?
Antwort: Das wird die Verfahren zur Antragsstellung noch einmal erschweren. Dafür müsste ein Unternehmen wohl zwei Anträge einreichen – zum einen für ein paar Tage im Dezember und zum anderen für den Beginn des Januars. Möglicherweise muss die Bundesregierung dafür ein weiteres Extra-Hilfsprogramm auflegen, es wäre dann das siebte in der Corona-Pandemie. Ich befürchte, Unternehmer und Selbstständige verzweifeln langsam an den immer neuen Maßnahmen. Der gutgemeinte Aktionismus der Bundesregierung schafft Verwirrung und zusätzliche Verunsicherung.
WISSING-Interview: Existenzen stehen auf dem Spiel
Der FDP-Generalsekretär Dr. Volker Wissing gab „Spiegel Online“ folgendes Interview. Die Fragen stellte Severin Weiland:
Frage: Herr Wissing, die Bundesregierung hat den Unternehmen und Selbstständigen die Auszahlung von Novemberhilfen versprochen. Bis zu 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats können sie ersetzt bekommen. Nun gibt es Probleme mit der Software, die Auszahlung der Gelder verzögert sich. Was ist da los?
Antwort: Die Bundesregierung hat versäumt, die Erfahrungen aus den Auszahlungen in diesem Frühjahr zu evaluieren. Sie ist unvorbereitet in den November-Lockdown gegangen. Der Bund ist immer noch dabei, eine Software programmieren zu lassen, die unabdingbar ist, um die Anträge für die Novemberhilfen zu bearbeiten. Wie wir nun hören, steht den Ländern vor dem 20. Dezember aber keine Software zur Verfügung. Wir können aber keine eigene Software entwickeln, das wäre zeitaufwendig, teuer und würde alles nur noch chaotischer machen. Wir brauchen eine einheitliche Lösung – und die muss der Bund so schnell wie möglich liefern.
Frage: Was heißt das konkret für die Betroffenen?
Antwort: Bis zum 20. Dezember können keine Anträge in den zuständigen Ministerien der Länder bearbeitet werden. Momentan sind uns die Hände gebunden. Das heißt, dass es in diesem Jahr nicht mehr zur Auszahlung der Novemberhilfen kommen wird. Die Novemberhilfen werden zu Januarhilfen.
Frage: Welche Auswirkungen befürchten Sie?
Antwort: Durch die verzögerte Bearbeitung kann es zu Liquiditätsschwierigkeiten kommen und damit stehen Existenzen von Unternehmen auf dem Spiel. Es ist eine sehr ernste Situation. Wir dürfen nicht vergessen, die betroffenen Unternehmen mussten ihren Geschäftsbetrieb bereits seit November runterfahren, haben kaum mehr Einnahmen und jetzt sollen die für November versprochenen Hilfen erst im Januar kommen. Für etliche wird die Hilfe zu spät kommen.
Frage: Nur Steuerberater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer dürfen Anträge für die betroffenen Unternehmen und Selbstständigen stellen. Auch diese Berufsgruppen gehen in die Weihnachts- und Neujahresferien, beklagen zum Teil eine Mehrarbeit. Wie wirkt sich das auf den Zeitplan aus?
Antwort: Wegen der Probleme mit der Software dürften die Novemberhilfen nicht vor dem 10. Januar zur Auszahlung kommen. Und nach unseren Informationen wird die Dezemberhilfe auch erst Mitte Januar beantragt werden können. Hinzu kommt die sogenannte Überbrückungshilfe III, die eigentlich ab Januar den Unternehmen helfen soll. Sie wird offenbar erst Mitte Februar beantragt werden können. Es gibt zu viele unterschiedliche Programme, die gleichzeitig laufen und gleichzeitig administriert werden müssen. Das überfordert Unternehmen und Verwaltung gleichermaßen.
Frage: Aus der Unionsfraktion gibt es den Vorwurf, das Software-Problem sei Sache von SPD-Finanzminister Scholz. Macht sich CDU-Wirtschaftsminister Altmaier einen schlanken Fuß?
Antwort: Ich bin erstaunt, dass die Bundesregierung jetzt die Verantwortung beim Bundesfinanzministerium sieht. Ich frage mich, warum Herr Altmaier die jetzigen Hilfsverfahren bislang immer in der Wirtschaftsministerkonferenz vorgestellt hat? Die Bundesregierung kann den Ländern nicht unterschiedliche Ansprechpartner für die Hilfsprogramme anbieten, wir brauchen einen einheitlichen Ansprechpartner, mit dem wir die Verfahren besprechen können. Derzeit können wir nur festhalten: Das funktioniert so nicht.
Frage: Was schlagen Sie vor?
Antwort: Die Bundesregierung muss zunächst einmal aufhören, interne Diskussionen über die Zuständigkeit der Aushilfsmodalitäten zu führen. Sie sollte alles unternehmen, um die Verfahren so einfach und so unbürokratisch wie möglich zu gestalten. Nachdem die Kanzlerin bereits Oktober einen zweiten Lockdown gefordert hat, ist es völlig unverständlich, dass erst im Januar Gelder fließen können.
Frage: Nun heißt es, Wirtschafts- und Finanzministerium hätten sich darauf geeinigt, die Abschlagszahlungen für November und Dezember von 10.000 Euro auf 50.000 zu erhöhen. Eine Maßnahme, die helfen kann?
Antwort: Auf jeden Fall. Das war auch der Vorschlag der Länder, daher begrüße ich die Aufstockung bei der Abschlagszahlung ausdrücklich. Wenn Unternehmen 200.000 oder 300.000 Euro für Hilfsanträge stellen, wären 10.000 Euro nur eine kleine Linderung in einer ohnehin angespannten Lage. Wichtiger wäre es aber, Novemberhilfen im November und nicht erst im Januar auszuzahlen.
Frage: Ein härterer Lockdown nach Weihnachten bis in den Januar hinein wird immer wahrscheinlicher. Was heißt das für die Hilfen?
Antwort: Das wird die Verfahren zur Antragsstellung noch einmal erschweren. Dafür müsste ein Unternehmen wohl zwei Anträge einreichen – zum einen für ein paar Tage im Dezember und zum anderen für den Beginn des Januars. Möglicherweise muss die Bundesregierung dafür ein weiteres Extra-Hilfsprogramm auflegen, es wäre dann das siebte in der Corona-Pandemie. Ich befürchte, Unternehmer und Selbstständige verzweifeln langsam an den immer neuen Maßnahmen. Der gutgemeinte Aktionismus der Bundesregierung schafft Verwirrung und zusätzliche Verunsicherung.