FDP|
01.12.2020 - 11:15BEER: Ein Jahr nach Amtsantritt – von der Leyen bleibt Ankündigungspräsidentin
Über den aktuellen Zustand der EU, ein Jahr nach Ursula von der Leyens Amtsantritt, erklärt die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Nicola Beer:
Die EU ist weit entfernt von einer Sternstunde. Sie ist außenpolitisch so gut wie unsichtbar, innenpolitisch zerstritten über Migration, Haushalt und Rechtsstaatsmechanismus. Statt des angekündigten Mann-auf dem-Mond-Moments sucht die EU noch nach der nächsten Bushaltestelle auf dem Weg zu den Sternen.
Mehr Führungsstärke statt Nachjustieren – das hätte einer EU-Kommission im Frühjahr gut zu Gesicht gestanden, als es um die Existenz von Schengen ging. Zu zögerlich war hier die Stimme der EU-Kommission als Hüterin der Verträge.
Der vollmundig gestellte Anspruch an eine geopolitische Union lief bislang ins Leere. Hinter den kernigen Worten darf man sich die Frage stellen, warum etwa in der EU-China-Politik, als ein Beispiel von vielen, davon nichts zu spüren ist. Hier gab es mehr als eine Gelegenheit, neue Vorzeichen in den EU-China-Beziehungen zu setzen, sei es mit Blick auf die aggressive Haltung Pekings gegenüber Hongkong oder jüngst Taiwan als auch im Hinblick auf Chinas Kommunikationspropaganda während der Corona-Pandemie. Stattdessen sieht die EU von der Seitenlinie zu, wie China seinerseits mit den ASEAN-Staaten und in der Asien-Pazifik-Region die größte Freihandelszone der Welt schafft.
Die Corona-Pandemie hat das Jahr völlig neu getaktet. Dies politisch nicht anzuerkennen wäre schlicht unredlich. Dass es der EU-Kommission gelungen ist, direkte Hilfe wie das SURE-Programm auf den Weg zu bringen, bedarf des Respekts. Gleiches gilt für die errungene gemeinschaftliche Beschaffung von Schutzausrüstung und die jüngst erfolgreich abgeschlossenen Verträge für Corona-Impfstoffe. Beim einmalig geschnürten 750-Milliarden-Euro Hilfsprogramm ist die Rechnung noch nicht gemacht. Einmalig als Hilfe gestaltet, hat es seine Berechtigung und es ist der EU-Kommission zuzuschreiben, dies mit Erfolg durchgesetzt zu haben. Ob damit nicht doch die Schuldenunion durch die Hintertür eingeführt wird, bleibt leider noch abzuwarten.
Insgesamt konnte von der Leyen einige (späte) Akzente setzen, doch ist es ihr nicht gelungen, eine eigene, mutige Vision für Europa voranzutreiben – was nicht zuletzt daran liegt, dass sie sich ein Jahr nach Amtsantritt noch immer nicht freigespielt hat von den Mitgliedsstaaten. Solange ihr die Hauptstädte soufflieren, bleibt eine selbstbewusste EU mit mehr internationalem Gewicht Wunschdenken.
BEER: Ein Jahr nach Amtsantritt – von der Leyen bleibt Ankündigungspräsidentin
Über den aktuellen Zustand der EU, ein Jahr nach Ursula von der Leyens Amtsantritt, erklärt die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Nicola Beer:
Die EU ist weit entfernt von einer Sternstunde. Sie ist außenpolitisch so gut wie unsichtbar, innenpolitisch zerstritten über Migration, Haushalt und Rechtsstaatsmechanismus. Statt des angekündigten Mann-auf dem-Mond-Moments sucht die EU noch nach der nächsten Bushaltestelle auf dem Weg zu den Sternen.
Mehr Führungsstärke statt Nachjustieren – das hätte einer EU-Kommission im Frühjahr gut zu Gesicht gestanden, als es um die Existenz von Schengen ging. Zu zögerlich war hier die Stimme der EU-Kommission als Hüterin der Verträge.
Der vollmundig gestellte Anspruch an eine geopolitische Union lief bislang ins Leere. Hinter den kernigen Worten darf man sich die Frage stellen, warum etwa in der EU-China-Politik, als ein Beispiel von vielen, davon nichts zu spüren ist. Hier gab es mehr als eine Gelegenheit, neue Vorzeichen in den EU-China-Beziehungen zu setzen, sei es mit Blick auf die aggressive Haltung Pekings gegenüber Hongkong oder jüngst Taiwan als auch im Hinblick auf Chinas Kommunikationspropaganda während der Corona-Pandemie. Stattdessen sieht die EU von der Seitenlinie zu, wie China seinerseits mit den ASEAN-Staaten und in der Asien-Pazifik-Region die größte Freihandelszone der Welt schafft.
Die Corona-Pandemie hat das Jahr völlig neu getaktet. Dies politisch nicht anzuerkennen wäre schlicht unredlich. Dass es der EU-Kommission gelungen ist, direkte Hilfe wie das SURE-Programm auf den Weg zu bringen, bedarf des Respekts. Gleiches gilt für die errungene gemeinschaftliche Beschaffung von Schutzausrüstung und die jüngst erfolgreich abgeschlossenen Verträge für Corona-Impfstoffe. Beim einmalig geschnürten 750-Milliarden-Euro Hilfsprogramm ist die Rechnung noch nicht gemacht. Einmalig als Hilfe gestaltet, hat es seine Berechtigung und es ist der EU-Kommission zuzuschreiben, dies mit Erfolg durchgesetzt zu haben. Ob damit nicht doch die Schuldenunion durch die Hintertür eingeführt wird, bleibt leider noch abzuwarten.
Insgesamt konnte von der Leyen einige (späte) Akzente setzen, doch ist es ihr nicht gelungen, eine eigene, mutige Vision für Europa voranzutreiben – was nicht zuletzt daran liegt, dass sie sich ein Jahr nach Amtsantritt noch immer nicht freigespielt hat von den Mitgliedsstaaten. Solange ihr die Hauptstädte soufflieren, bleibt eine selbstbewusste EU mit mehr internationalem Gewicht Wunschdenken.