FDP|
07.02.2020 - 10:15LINDNER-Interview: Absicht war lauter, Ergebnis katastrophal
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Rena Lehmann:
Frage: Herr Lindner, warum mussten Sie persönlich nach Erfurt fahren, um Ihren Parteifreund Kemmerich zum Rücktritt zu bewegen?
Lindner: Es darf keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Binnen 24 Stunden ist diese belastende Situation aufgelöst worden. Die FDP in Thüringen wollte zeigen, dass es jenseits von AfD und Linkspartei einen Kandidaten der Mitte gibt. Diese symbolische Absicht war lauter, das Ergebnis aber katastrophal. Die AfD hat unseren Kandidaten gewählt und ihren Kandidaten ganz offensichtlich nur zum Schein ins Verfahren gelassen, um Chaos anzurichten. Das haben wir nun beendet.
Frage: Aber offenbar mussten Sie Kemmerich erst mal überzeugen …
Lindner: In einer krisenhaften Situation hilft mitunter Beratung von außen, um die Lage komplett beurteilen zu können. Herr Kemmerich hatte auch ein Angebot an CDU, SPD und Grüne gerichtet, in dieser Ausnahmesituation überparteilich zu kooperieren. Die Fraktion in Thüringen hat nun die Entscheidung getroffen, den Weg zu Neuwahlen frei zu machen, damit die Wähler neu bewerten können. Jetzt erwarten wir von der CDU die gleiche Konsequenz. Zur Stunde stellt sich die Union in Thüringen gegen Neuwahlen und zeigt keine prinzipielle Distanz zur AfD.
Frage: Mussten Sie mit einer Finte der AfD nicht rechnen?
Lindner: Normalerweise stellt eine Fraktion einen Kandidaten auf, um diesen zu wählen. Das hat die AfD nicht gemacht. Sie hat zwar 23 Stunden Chaos erreicht, aber sich selbst unglaubwürdig gemacht. Sie benennt einen Kandidaten nur zum Schein, um einen anderen Bewerber überraschend geheim zu unterstützen. Unsere Partei steht im Gegensatz zur AfD. Wir sind eine Partei, die an die Kraft des Einzelnen glaubt statt an völkisches Geschwurbel. Wir wollen nicht Ausgrenzung und Abschottung, wir wollen Toleranz und Weltoffenheit. Die AfD wählt einen Ministerpräsidenten, der den Kampf gegen die AfD im Wahlkampf zu seinem Programm erklärt hat. Ich habe diese Unernsthaftigkeit und Verschlagenheit nicht für möglich gehalten.
Frage: Warum hat Kemmerich die Wahl überhaupt angenommen?
Lindner: Er schilderte mir seine Überraschung. Die Neunmalklugen wissen immer im Nachhinein, wie man trotz der Überwältigung in einer solchen Situation spontan richtigliegt. Ich rate zu menschlichen Maßstäben im Umgang mit Fehlern, die rasch selbst korrigiert wurden.
Frage: Wenn nun alles wieder in Ordnung ist, warum stellen Sie an diesem Freitag im Präsidium die Vertrauensfrage?
Lindner: Es hat eine belastende Debatte um meine Partei, den Umgang mit der Krise und sogar Falschmeldungen zu meiner Position gegeben. Deshalb muss ich mich versichern, dass ich das Vertrauen meiner Partei habe.
Frage: Kemmerich hatte also nicht grünes Licht von Ihnen, sich im dritten Wahlgang mit den Stimmen der AfD wählen zu lassen?
Lindner: Sogar das Gegenteil ist der Fall. Eine Abhängigkeit von der AfD kann es unter keinen Umständen geben. Das habe ich in der letzten Zeit persönlich und in Gremiensitzungen unterstrichen. Herr Kemmerich selbst hat bei mir zudem immer die symbolische Bedeutung der Kandidatur und seine Ablehnung der AfD betont. Nachdem nach seiner Wahl nur die CDU zur Zusammenarbeit bereit war, war der Rücktritt absolut unausweichlich. Das war ein Zeichen der politischen Hygiene. Sonst hätte es eine Abhängigkeit von der AfD gegeben.
Frage: Wie viele Stimmen Ihrer Parteifreunde reichen Ihnen denn bei der Vertrauensfrage, um im Amt zu bleiben?
Lindner: Der heutige Tag und die klare Trennlinie zur AfD erlauben mir zunächst einmal selbst, mein Amt fortzusetzen. Dafür erhoffe ich mir eine breite Rückendeckung.
Frage: Hat Kemmerich für einen möglichen weiteren Wahlkampf in Thüringen Ihre Rückendeckung?
Lindner: Er hat seine Integrität verteidigt. Jetzt ist aber erst einmal das nächste Ziel, die CDU zu bewegen, den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Und ich erwarte von der CDU eine ähnlich klare Abgrenzung zur AfD, wie wir sie nun dokumentiert haben. Die CDU Thüringen hat gestern einen Beschluss gefasst, der eine Hintertür für eine Zusammenarbeit mit der AfD offenlässt. Das ist wachsweich.
Frage: Werden wir es künftig häufiger erleben, dass die Regierungsbildung quasi unmöglich wird?
Lindner: Die AfD verstößt mit dem Chaos ja sogar gegen ihre eigenen Werte. Daraus muss man sicherlich seine Lehre ziehen.
Frage: Lässt sich der Kurs halten, nie und nirgends mit der AfD zusammenzuarbeiten?
Lindner: Der Abgrenzungskurs ist zwingend erforderlich, wenn unser Land seine politische Kultur behalten will. Wir müssen uns mit den Wählerinnen und Wählern beschäftigen, die die Ränder stark machen. Für mich ist der Schlüssel eine andere Politik. Die Menschen wollen nicht ärgerliche Bürokratie im Alltag, aber ein funktionierendes Management der Zuwanderung nach Deutschland. Sie wollen das Klima schützen, aber nicht Verbote erhalten, sondern technologische Lösungen aufgezeigt bekommen. Der Weg muss sein, die Mitte durch andere Politik wieder stark zu machen.
LINDNER-Interview: Absicht war lauter, Ergebnis katastrophal
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Rena Lehmann:
Frage: Herr Lindner, warum mussten Sie persönlich nach Erfurt fahren, um Ihren Parteifreund Kemmerich zum Rücktritt zu bewegen?
Lindner: Es darf keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Binnen 24 Stunden ist diese belastende Situation aufgelöst worden. Die FDP in Thüringen wollte zeigen, dass es jenseits von AfD und Linkspartei einen Kandidaten der Mitte gibt. Diese symbolische Absicht war lauter, das Ergebnis aber katastrophal. Die AfD hat unseren Kandidaten gewählt und ihren Kandidaten ganz offensichtlich nur zum Schein ins Verfahren gelassen, um Chaos anzurichten. Das haben wir nun beendet.
Frage: Aber offenbar mussten Sie Kemmerich erst mal überzeugen …
Lindner: In einer krisenhaften Situation hilft mitunter Beratung von außen, um die Lage komplett beurteilen zu können. Herr Kemmerich hatte auch ein Angebot an CDU, SPD und Grüne gerichtet, in dieser Ausnahmesituation überparteilich zu kooperieren. Die Fraktion in Thüringen hat nun die Entscheidung getroffen, den Weg zu Neuwahlen frei zu machen, damit die Wähler neu bewerten können. Jetzt erwarten wir von der CDU die gleiche Konsequenz. Zur Stunde stellt sich die Union in Thüringen gegen Neuwahlen und zeigt keine prinzipielle Distanz zur AfD.
Frage: Mussten Sie mit einer Finte der AfD nicht rechnen?
Lindner: Normalerweise stellt eine Fraktion einen Kandidaten auf, um diesen zu wählen. Das hat die AfD nicht gemacht. Sie hat zwar 23 Stunden Chaos erreicht, aber sich selbst unglaubwürdig gemacht. Sie benennt einen Kandidaten nur zum Schein, um einen anderen Bewerber überraschend geheim zu unterstützen. Unsere Partei steht im Gegensatz zur AfD. Wir sind eine Partei, die an die Kraft des Einzelnen glaubt statt an völkisches Geschwurbel. Wir wollen nicht Ausgrenzung und Abschottung, wir wollen Toleranz und Weltoffenheit. Die AfD wählt einen Ministerpräsidenten, der den Kampf gegen die AfD im Wahlkampf zu seinem Programm erklärt hat. Ich habe diese Unernsthaftigkeit und Verschlagenheit nicht für möglich gehalten.
Frage: Warum hat Kemmerich die Wahl überhaupt angenommen?
Lindner: Er schilderte mir seine Überraschung. Die Neunmalklugen wissen immer im Nachhinein, wie man trotz der Überwältigung in einer solchen Situation spontan richtigliegt. Ich rate zu menschlichen Maßstäben im Umgang mit Fehlern, die rasch selbst korrigiert wurden.
Frage: Wenn nun alles wieder in Ordnung ist, warum stellen Sie an diesem Freitag im Präsidium die Vertrauensfrage?
Lindner: Es hat eine belastende Debatte um meine Partei, den Umgang mit der Krise und sogar Falschmeldungen zu meiner Position gegeben. Deshalb muss ich mich versichern, dass ich das Vertrauen meiner Partei habe.
Frage: Kemmerich hatte also nicht grünes Licht von Ihnen, sich im dritten Wahlgang mit den Stimmen der AfD wählen zu lassen?
Lindner: Sogar das Gegenteil ist der Fall. Eine Abhängigkeit von der AfD kann es unter keinen Umständen geben. Das habe ich in der letzten Zeit persönlich und in Gremiensitzungen unterstrichen. Herr Kemmerich selbst hat bei mir zudem immer die symbolische Bedeutung der Kandidatur und seine Ablehnung der AfD betont. Nachdem nach seiner Wahl nur die CDU zur Zusammenarbeit bereit war, war der Rücktritt absolut unausweichlich. Das war ein Zeichen der politischen Hygiene. Sonst hätte es eine Abhängigkeit von der AfD gegeben.
Frage: Wie viele Stimmen Ihrer Parteifreunde reichen Ihnen denn bei der Vertrauensfrage, um im Amt zu bleiben?
Lindner: Der heutige Tag und die klare Trennlinie zur AfD erlauben mir zunächst einmal selbst, mein Amt fortzusetzen. Dafür erhoffe ich mir eine breite Rückendeckung.
Frage: Hat Kemmerich für einen möglichen weiteren Wahlkampf in Thüringen Ihre Rückendeckung?
Lindner: Er hat seine Integrität verteidigt. Jetzt ist aber erst einmal das nächste Ziel, die CDU zu bewegen, den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Und ich erwarte von der CDU eine ähnlich klare Abgrenzung zur AfD, wie wir sie nun dokumentiert haben. Die CDU Thüringen hat gestern einen Beschluss gefasst, der eine Hintertür für eine Zusammenarbeit mit der AfD offenlässt. Das ist wachsweich.
Frage: Werden wir es künftig häufiger erleben, dass die Regierungsbildung quasi unmöglich wird?
Lindner: Die AfD verstößt mit dem Chaos ja sogar gegen ihre eigenen Werte. Daraus muss man sicherlich seine Lehre ziehen.
Frage: Lässt sich der Kurs halten, nie und nirgends mit der AfD zusammenzuarbeiten?
Lindner: Der Abgrenzungskurs ist zwingend erforderlich, wenn unser Land seine politische Kultur behalten will. Wir müssen uns mit den Wählerinnen und Wählern beschäftigen, die die Ränder stark machen. Für mich ist der Schlüssel eine andere Politik. Die Menschen wollen nicht ärgerliche Bürokratie im Alltag, aber ein funktionierendes Management der Zuwanderung nach Deutschland. Sie wollen das Klima schützen, aber nicht Verbote erhalten, sondern technologische Lösungen aufgezeigt bekommen. Der Weg muss sein, die Mitte durch andere Politik wieder stark zu machen.