Frage: Frau Teuteberg, David Hume sagt: „Es ist selten, dass eine Freiheit irgendwelcher Art mit einem Schlage verloren geht.“ In wieweit beschränkt das Klimapaket der Bundesregierung diese Freiheit?
Teuteberg: Diese Sorge habe ich bei der Klimadebatte insgesamt. Der Absolutheitsanspruch einiger stellt ein grundlegendes Problem dar. Da ist ein Stück Verachtung dafür zu spüren, dass in der Demokratie durch politische Debatten Akzeptanz und Mehrheiten errungen werden müssen. Gerade die Stärken westlicher Demokratien wie Gewaltenteilung, Verhältnismäßigkeit, kritische Öffentlichkeit und Korrekturfähigkeit werden erbarmungslos zur Schwäche umgedeutet.
Frage: Sehen Sie in der „Fridays for Future“-Bewegung einen Fanatismus, der Demokratie und Marktwirtschaft infrage stellt?
Teuteberg: Nicht bei allen dort, aber es gibt einen Hang dazu, sich über andere zu stellen. Wenn keine Bereitschaft gezeigt wird, inhaltlich zu streiten, dann steht das unseren Vorstellungen von Demokratie fundamental entgegen. Und es gibt bei manchen tatsächlich auch die naive Vorstellung, die Marktwirtschaft sei Ursache und nicht Teil der Lösung des Klimaproblems.
Frage: Wie beurteilen Sie den Auftritt von Greta Thunberg vor den UN?
Teuteberg: Der Auftritt ist leider über Vorwürfe und Gefühle nicht hinausgekommen. Wenn derart apokalyptisch über unsere Gesellschaft und die Demokratie gesprochen und dazu mehr applaudiert als nachgedacht wird, ist das ein schlimmes Eingeständnis eigener Ideenlosigkeit und eine Geringschätzung der liberalen Demokratie. Ganz so, als habe es bisher keinerlei gute Umweltpolitik gegeben.
Frage: Sie kritisieren die Debattenkultur anderer. Ihr Parteichef Christian Lindner hat den Klimaaktivisten kürzlich eine Art „Morgenthauplan“ unterstellt. Dieser sah 1944 vor, Deutschland nach der Befreiung vom Hitler-Regime zum Agrarstaat zurechtzustutzen, und die Nazis machten damit Propaganda. Tut dieser Vergleich der Debattenkultur gut?
Teuteberg: Es ist eine Zuspitzung, die als solche verstanden wird. Die Aussage bezieht sich ja erkennbar auf die beabsichtigten Auswirkungen und nicht auf den Ursprung des Plans. Es gibt im internationalen Wettbewerb um Ideen und Wohlstand genug Konkurrenten, die im Kampf um das angebliche oder tatsächliche Wohl der Welt auf eine wirtschaftliche Schwächung Deutschlands hinarbeiten. Deren Geschäft sollten wir nicht unterstützen. Auch nicht mit Deindustrialisierungsromantik.
Frage: Gilt das für die „Fridays for Future“-Bewegung?
Teuteberg: Meist nicht mit bösem Vorsatz, eher als ungewollter Effekt oder falsch eingeschätzter Preis. Im Zweifel ist es ihnen unwichtig, ob Arbeitsplätze von Menschen schnell verschwinden und nicht angemessen ersetzt werden können. Die Klimafrage wird sich nur dann wirkungsvoll lösen lassen, wenn man sie als Wirtschaftsfrage begreift.
Frage: Die FDP führt einen Kurs nach dem Motto „AfD light“. Sie ist migrationskritisch, sie schwenkt auf einen Dialog mit Russland ein und kritisiert nun die Klimapolitik der Bundesregierung, allerdings ohne die Radikalität der AfD an den Tag zu legen.
Teuteberg: Den Begriff „AfD light“ weise ich zurück. Er beinhaltet, diese Partei zum Maßstab zu machen und ihr damit eine ungeheure Deutungsmacht zu geben. Vielmehr war es schon immer unser Grundprinzip, reale Probleme zu benennen und dazu durchdachte Lösungsvorschläge zu machen.
Frage: Wie stehen Sie zu dem Vorstoß von Horst Seehofer, grundsätzlich ein Viertel aller in Seenot geratenen Flüchtlingen aufzunehmen?
Teuteberg: Es ist richtig, nach einer europäischen Regelung zu suchen, aber isoliert eine Quote zuzusichern, die zudem keine Flüchtlings-, sondern eine Migrantenquote ist, halte ich für fragwürdig. Völlig ungelöst bleibt bei Seehofers Vorstoß das Problem der Sekundärmigration innerhalb Europas. Was bringen Quoten überhaupt, wenn die Menschen, die von den verschiedenen europäischen Ländern aufgenommen werden, dort gar nicht bleiben, sondern nach Deutschland weiterwandern? All diese Fragen werden nicht beantwortet.
Frage: Das stimmt, aber auch nicht von Ihnen. Was machen Sie denn nun mit den in Seenot befindlichen Menschen?
Teuteberg: Im Sommer letzten Jahres haben die EU-Minister noch verkündet, es würden in Nordafrika Ausschiffungsplattformen eingerichtet werden. Dort sollte unter humanen Bedingungen geprüft werden, wer schutzberechtigt ist und wer nicht. Statt nun feste Quoten zuzusagen, sollten die europäischen Innenminister alles dafür tun, ihre Ankündigungen umzusetzen. Ziel einer europäischen Migrationspolitik muss es sein, Menschenleben zu retten, ohne ein zynisches Schlepperwesen zu unterstützen. Sie zu gestalten ist Aufgabe demokratisch legitimierter Regierungen und Parlamente und nicht von NGOs. Symbole spielen dabei eine große Rolle und am Montag wurde das Signal nach Afrika gesendet, dass bald wahrscheinlich nach Norden umverteilt wird, wer mit einem Rettungsschiff ans europäische Ufer gebracht wird. An keinem anderen Ort der Welt außer dem Mittelmeer kommen Migranten in großer Zahl auf die Idee, mit untauglichen Booten aufs Meer hinauszufahren. Diese Gefahr gehen verzweifelte Menschen nur deshalb ein, weil die Chancen hoch sind, nach der Rettung dauerhaft in der EU leben zu können. Aus einer Einzelaktion kann schnell ein System zulasten Deutschlands werden. Seehofer schafft den Präzedenzfall, vor dem er vor einem Jahr noch selbst gewarnt hat. Verantwortungsethik muss unsere Migrationspolitik leiten und das gilt auch in Deutschland. Unverständlich und unverantwortlich finde ich, dass CDU und CSU sich da von den Grünen am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Denn sie lassen ihnen sowohl die Blockade gegen die dringend notwendige Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten als auch gegen die Bereitstellung von Abschiebehaftplätzen in den Ländern durchgehen.
Frage: Insgesamt hat sich die Lage entspannt. Es kommen viel weniger Menschen als noch vor Jahren.
Teuteberg: Die Zahlen sind nur im Vergleich zu den Ausnahmejahren 2015 und 2016 gesunken, sie bleiben sehr hoch. Von Steuerung und Kontrolle, von wirklicher Handlungsfähigkeit kann keine Rede sein. Die Zahl der Ausreisepflichtigen in unserem Land steigt immer weiter und in Sachen Türkei-Abkommen und Balkan-Route besteht eine fortwährende Abhängigkeit vom Handeln Dritter wie zum Beispiel Erdogan.
Frage: Was schlagen Sie vor?
Teuteberg: Endlich das umzusetzen, wovon seit Jahren die Rede ist: Frontex aufzustocken und eigene Befugnisse zu geben. Außerdem müssen die Probleme der Sekundärmigration gelöst werden. Noch immer kommen die meisten Menschen, die irgendwo in Europa ankommen, letztlich nach Deutschland.
Frage: Lassen Sie uns zu Russland kommen. Christian Lindner nimmt mit Blick auf Moskau plötzlich die Position von Wolfgang Kubicki ein und plädiert dafür, den Dialog mit Moskau „tatsächlich zu öffnen“. Hat sich Putins Verhalten geändert, dass nun solcher Dialog möglich wird?
Teuteberg: Ich sehe bei Putin keinen Sinneswandel. Russlands Vorgehen in der Ukraine ist ein klarer Bruch des Völkerrechts. Es war richtig, Sanktionen zu ergreifen und es ist richtig sie aufrechtzuerhalten, solange keine Fortschritte zu verzeichnen sind. Dennoch darf der Dialog mit Putin nicht vor lauter Sanktionen komplett abbrechen. Die FDP steht in der Tradition der Entspannungspolitik, die Scheel und Genscher entworfen hatten. Diese Tradition und noch viel mehr die guten Ergebnisse dieser Politik verpflichten uns heute mehr denn je zur Dialogbereitschaft.
Frage: Putins Russland ist keine saturierte Macht mehr, sondern darauf aus, erneut die Ausmaße der Sowjetunion zu erreichen. Wie kann unter diesen Bedingungen ein Dialog aussehen?
Teuteberg: Sicher nicht auf Kosten unserer osteuropäischen Nachbarn. Wir stehen ohne Wenn und Aber zu unseren Bündnisverpflichtungen.
Frage: Entspricht das Nordstream-2-Projekt den Interessen unseren Nachbarn?
Teuteberg: Das Projekt ist nur ein Aspekt eines generellen Problems: des Abstands zwischen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Außenpolitik. Die Bundesregierung redet gern von Multilateralismus und handelt dann national.
Frage: Hat Trump recht, wenn er beklagt, dass die Deutschen ihre Versprechen in der Verteidigungspolitik brechen?
Teuteberg: Deutschland hat schon weit vor Trump zugesagt, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Wir sollten diese Zusage einhalten. Und zwar um unserer eigenen, gemeinsamen Werte und Interessen willen.
Frage: Lassen Sie uns zum Abschluss zum Liberalismus allgemein kommen. Ein liberales Urgestein wie Burkhard Hirsch klagt, der FDP fehle ein Narrativ, „wie Liberalismus im 21. Jahrhundert aussieht“. Es genüge nicht zu sagen, der Solidaritätszuschlag gehöre abgeschafft. Hat er recht?
Teuteberg: Wir gehen doch schon seit Langem weit darüber hinaus. Bei vielen unserer Angebote und Vorschläge geht es im Kern um eine Frage: Wie schaffen wir Bedingungen, um das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft unter heutigen Verhältnissen weiterhin gut zu erfüllen? Konkret: Wo finden leistungsbereite Arbeitnehmer eine politische Heimat, die keinen Überbietungswettbewerb in der Umverteilung oder bei Steuererhöhungen wollen? Auf welche Weise können wir die Aufstiegschancen aller Menschen erhöhen? Dazu müssen wir die Bildungschancen verbreitern. Bildungschancen sind Aufstiegschancen! Das fängt schon im Kindergarten an, und es hört nie auf, anders als uns andere Parteien weismachen wollen. Die FDP setzt sich für ein lebenslanges Lernen ein, weil wir Zeiten entgegengehen, in denen dies mehr denn je nötig wird. Dabei dient Bildung auch, aber nicht nur den beruflichen Chancen. Es geht insgesamt darum, jeden einzelnen Menschen stark zu machen. Darüber hinaus ist unser Ziel, endlich die Steuerlast so zu verringern, dass sich möglichst viele Menschen mit ihrem selbst verdienten Geld ein Vermögen aufbauen können, um etwa Wohneigentum zu bilden. Es muss möglich sein, sich ein Vermögen zu ersparen, ohne geerbt zu haben. Aufstieg, Bildung und ein Volk von Eigentümern statt Volkseigentum sind wichtige Themen des modernen Liberalismus.
TEUTEBERG-Interview: Seehofer schafft den Präzedenzfall
Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg gab der "Welt am Sonntag" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten Johannes Boie, Marcus Heithecker und Jacques Schuster.
Frage: Frau Teuteberg, David Hume sagt: „Es ist selten, dass eine Freiheit irgendwelcher Art mit einem Schlage verloren geht.“ In wieweit beschränkt das Klimapaket der Bundesregierung diese Freiheit?
Teuteberg: Diese Sorge habe ich bei der Klimadebatte insgesamt. Der Absolutheitsanspruch einiger stellt ein grundlegendes Problem dar. Da ist ein Stück Verachtung dafür zu spüren, dass in der Demokratie durch politische Debatten Akzeptanz und Mehrheiten errungen werden müssen. Gerade die Stärken westlicher Demokratien wie Gewaltenteilung, Verhältnismäßigkeit, kritische Öffentlichkeit und Korrekturfähigkeit werden erbarmungslos zur Schwäche umgedeutet.
Frage: Sehen Sie in der „Fridays for Future“-Bewegung einen Fanatismus, der Demokratie und Marktwirtschaft infrage stellt?
Teuteberg: Nicht bei allen dort, aber es gibt einen Hang dazu, sich über andere zu stellen. Wenn keine Bereitschaft gezeigt wird, inhaltlich zu streiten, dann steht das unseren Vorstellungen von Demokratie fundamental entgegen. Und es gibt bei manchen tatsächlich auch die naive Vorstellung, die Marktwirtschaft sei Ursache und nicht Teil der Lösung des Klimaproblems.
Frage: Wie beurteilen Sie den Auftritt von Greta Thunberg vor den UN?
Teuteberg: Der Auftritt ist leider über Vorwürfe und Gefühle nicht hinausgekommen. Wenn derart apokalyptisch über unsere Gesellschaft und die Demokratie gesprochen und dazu mehr applaudiert als nachgedacht wird, ist das ein schlimmes Eingeständnis eigener Ideenlosigkeit und eine Geringschätzung der liberalen Demokratie. Ganz so, als habe es bisher keinerlei gute Umweltpolitik gegeben.
Frage: Sie kritisieren die Debattenkultur anderer. Ihr Parteichef Christian Lindner hat den Klimaaktivisten kürzlich eine Art „Morgenthauplan“ unterstellt. Dieser sah 1944 vor, Deutschland nach der Befreiung vom Hitler-Regime zum Agrarstaat zurechtzustutzen, und die Nazis machten damit Propaganda. Tut dieser Vergleich der Debattenkultur gut?
Teuteberg: Es ist eine Zuspitzung, die als solche verstanden wird. Die Aussage bezieht sich ja erkennbar auf die beabsichtigten Auswirkungen und nicht auf den Ursprung des Plans. Es gibt im internationalen Wettbewerb um Ideen und Wohlstand genug Konkurrenten, die im Kampf um das angebliche oder tatsächliche Wohl der Welt auf eine wirtschaftliche Schwächung Deutschlands hinarbeiten. Deren Geschäft sollten wir nicht unterstützen. Auch nicht mit Deindustrialisierungsromantik.
Frage: Gilt das für die „Fridays for Future“-Bewegung?
Teuteberg: Meist nicht mit bösem Vorsatz, eher als ungewollter Effekt oder falsch eingeschätzter Preis. Im Zweifel ist es ihnen unwichtig, ob Arbeitsplätze von Menschen schnell verschwinden und nicht angemessen ersetzt werden können. Die Klimafrage wird sich nur dann wirkungsvoll lösen lassen, wenn man sie als Wirtschaftsfrage begreift.
Frage: Die FDP führt einen Kurs nach dem Motto „AfD light“. Sie ist migrationskritisch, sie schwenkt auf einen Dialog mit Russland ein und kritisiert nun die Klimapolitik der Bundesregierung, allerdings ohne die Radikalität der AfD an den Tag zu legen.
Teuteberg: Den Begriff „AfD light“ weise ich zurück. Er beinhaltet, diese Partei zum Maßstab zu machen und ihr damit eine ungeheure Deutungsmacht zu geben. Vielmehr war es schon immer unser Grundprinzip, reale Probleme zu benennen und dazu durchdachte Lösungsvorschläge zu machen.
Frage: Wie stehen Sie zu dem Vorstoß von Horst Seehofer, grundsätzlich ein Viertel aller in Seenot geratenen Flüchtlingen aufzunehmen?
Teuteberg: Es ist richtig, nach einer europäischen Regelung zu suchen, aber isoliert eine Quote zuzusichern, die zudem keine Flüchtlings-, sondern eine Migrantenquote ist, halte ich für fragwürdig. Völlig ungelöst bleibt bei Seehofers Vorstoß das Problem der Sekundärmigration innerhalb Europas. Was bringen Quoten überhaupt, wenn die Menschen, die von den verschiedenen europäischen Ländern aufgenommen werden, dort gar nicht bleiben, sondern nach Deutschland weiterwandern? All diese Fragen werden nicht beantwortet.
Frage: Das stimmt, aber auch nicht von Ihnen. Was machen Sie denn nun mit den in Seenot befindlichen Menschen?
Teuteberg: Im Sommer letzten Jahres haben die EU-Minister noch verkündet, es würden in Nordafrika Ausschiffungsplattformen eingerichtet werden. Dort sollte unter humanen Bedingungen geprüft werden, wer schutzberechtigt ist und wer nicht. Statt nun feste Quoten zuzusagen, sollten die europäischen Innenminister alles dafür tun, ihre Ankündigungen umzusetzen. Ziel einer europäischen Migrationspolitik muss es sein, Menschenleben zu retten, ohne ein zynisches Schlepperwesen zu unterstützen. Sie zu gestalten ist Aufgabe demokratisch legitimierter Regierungen und Parlamente und nicht von NGOs. Symbole spielen dabei eine große Rolle und am Montag wurde das Signal nach Afrika gesendet, dass bald wahrscheinlich nach Norden umverteilt wird, wer mit einem Rettungsschiff ans europäische Ufer gebracht wird. An keinem anderen Ort der Welt außer dem Mittelmeer kommen Migranten in großer Zahl auf die Idee, mit untauglichen Booten aufs Meer hinauszufahren. Diese Gefahr gehen verzweifelte Menschen nur deshalb ein, weil die Chancen hoch sind, nach der Rettung dauerhaft in der EU leben zu können. Aus einer Einzelaktion kann schnell ein System zulasten Deutschlands werden. Seehofer schafft den Präzedenzfall, vor dem er vor einem Jahr noch selbst gewarnt hat. Verantwortungsethik muss unsere Migrationspolitik leiten und das gilt auch in Deutschland. Unverständlich und unverantwortlich finde ich, dass CDU und CSU sich da von den Grünen am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Denn sie lassen ihnen sowohl die Blockade gegen die dringend notwendige Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten als auch gegen die Bereitstellung von Abschiebehaftplätzen in den Ländern durchgehen.
Frage: Insgesamt hat sich die Lage entspannt. Es kommen viel weniger Menschen als noch vor Jahren.
Teuteberg: Die Zahlen sind nur im Vergleich zu den Ausnahmejahren 2015 und 2016 gesunken, sie bleiben sehr hoch. Von Steuerung und Kontrolle, von wirklicher Handlungsfähigkeit kann keine Rede sein. Die Zahl der Ausreisepflichtigen in unserem Land steigt immer weiter und in Sachen Türkei-Abkommen und Balkan-Route besteht eine fortwährende Abhängigkeit vom Handeln Dritter wie zum Beispiel Erdogan.
Frage: Was schlagen Sie vor?
Teuteberg: Endlich das umzusetzen, wovon seit Jahren die Rede ist: Frontex aufzustocken und eigene Befugnisse zu geben. Außerdem müssen die Probleme der Sekundärmigration gelöst werden. Noch immer kommen die meisten Menschen, die irgendwo in Europa ankommen, letztlich nach Deutschland.
Frage: Lassen Sie uns zu Russland kommen. Christian Lindner nimmt mit Blick auf Moskau plötzlich die Position von Wolfgang Kubicki ein und plädiert dafür, den Dialog mit Moskau „tatsächlich zu öffnen“. Hat sich Putins Verhalten geändert, dass nun solcher Dialog möglich wird?
Teuteberg: Ich sehe bei Putin keinen Sinneswandel. Russlands Vorgehen in der Ukraine ist ein klarer Bruch des Völkerrechts. Es war richtig, Sanktionen zu ergreifen und es ist richtig sie aufrechtzuerhalten, solange keine Fortschritte zu verzeichnen sind. Dennoch darf der Dialog mit Putin nicht vor lauter Sanktionen komplett abbrechen. Die FDP steht in der Tradition der Entspannungspolitik, die Scheel und Genscher entworfen hatten. Diese Tradition und noch viel mehr die guten Ergebnisse dieser Politik verpflichten uns heute mehr denn je zur Dialogbereitschaft.
Frage: Putins Russland ist keine saturierte Macht mehr, sondern darauf aus, erneut die Ausmaße der Sowjetunion zu erreichen. Wie kann unter diesen Bedingungen ein Dialog aussehen?
Teuteberg: Sicher nicht auf Kosten unserer osteuropäischen Nachbarn. Wir stehen ohne Wenn und Aber zu unseren Bündnisverpflichtungen.
Frage: Entspricht das Nordstream-2-Projekt den Interessen unseren Nachbarn?
Teuteberg: Das Projekt ist nur ein Aspekt eines generellen Problems: des Abstands zwischen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Außenpolitik. Die Bundesregierung redet gern von Multilateralismus und handelt dann national.
Frage: Hat Trump recht, wenn er beklagt, dass die Deutschen ihre Versprechen in der Verteidigungspolitik brechen?
Teuteberg: Deutschland hat schon weit vor Trump zugesagt, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Wir sollten diese Zusage einhalten. Und zwar um unserer eigenen, gemeinsamen Werte und Interessen willen.
Frage: Lassen Sie uns zum Abschluss zum Liberalismus allgemein kommen. Ein liberales Urgestein wie Burkhard Hirsch klagt, der FDP fehle ein Narrativ, „wie Liberalismus im 21. Jahrhundert aussieht“. Es genüge nicht zu sagen, der Solidaritätszuschlag gehöre abgeschafft. Hat er recht?
Teuteberg: Wir gehen doch schon seit Langem weit darüber hinaus. Bei vielen unserer Angebote und Vorschläge geht es im Kern um eine Frage: Wie schaffen wir Bedingungen, um das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft unter heutigen Verhältnissen weiterhin gut zu erfüllen? Konkret: Wo finden leistungsbereite Arbeitnehmer eine politische Heimat, die keinen Überbietungswettbewerb in der Umverteilung oder bei Steuererhöhungen wollen? Auf welche Weise können wir die Aufstiegschancen aller Menschen erhöhen? Dazu müssen wir die Bildungschancen verbreitern. Bildungschancen sind Aufstiegschancen! Das fängt schon im Kindergarten an, und es hört nie auf, anders als uns andere Parteien weismachen wollen. Die FDP setzt sich für ein lebenslanges Lernen ein, weil wir Zeiten entgegengehen, in denen dies mehr denn je nötig wird. Dabei dient Bildung auch, aber nicht nur den beruflichen Chancen. Es geht insgesamt darum, jeden einzelnen Menschen stark zu machen. Darüber hinaus ist unser Ziel, endlich die Steuerlast so zu verringern, dass sich möglichst viele Menschen mit ihrem selbst verdienten Geld ein Vermögen aufbauen können, um etwa Wohneigentum zu bilden. Es muss möglich sein, sich ein Vermögen zu ersparen, ohne geerbt zu haben. Aufstieg, Bildung und ein Volk von Eigentümern statt Volkseigentum sind wichtige Themen des modernen Liberalismus.