FDP|
03.09.2019 - 13:30KUBICKI-Interview: Offener mit Wählern der AfD umgehen
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz.
Frage: Herr Kubicki, die FDP scheitert bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen an der Fünf-Prozent-Hürde. Klingelt jetzt wieder das Totenglöckchen für Ihre Partei?
Kubicki: Nein, sicher nicht. Dennoch: Die Wahlergebnisse sind eine große Enttäuschung. Das ist ein Tiefschlag für die gesamte Partei. Wir haben uns mehr erwartet. Wir haben ja eine Serie von Wahlen erlebt, bei denen wir um die fünf Prozent herum lagen. Erst Bayern, dann die Europawahl und jetzt die beiden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Unser Auftreten muss deutlich anders werden als bisher, wenn wir die Serie unerfreulicher Wahlergebnisse beenden wollen.
Frage: Die FDP gilt immer noch als Westpartei. Warum tut sie sich im Osten so schwer?
Kubicki: Ja, wir werden immer noch überwiegend als Westpartei wahrgenommen. Wir werden jetzt alle Kraft in den Wahlkampf in Thüringen investieren. Es geht darum, sich mehr um die besondere Situation der Menschen zu kümmern, die auch nach 30 Jahren das Gefühl haben, dass sie im vereinten Deutschland noch immer unter Wert gehandelt werden.
Frage: Union und SPD verlieren deutlich. Die FDP kann davon aber nicht profitieren.
Kubicki: Dass wir uns jetzt wieder in einigen Ländern an der Fünf-Prozent-Hürde aufhalten, ist ein Alarmsignal. Es ist viel in Bewegung im Parteiensystem. Dass Union und SPD so stark verlieren, ist schon bemerkenswert. Die Höhenflüge der Grünen sind im Osten auch erst einmal vorbei. Die Linken haben sich fast halbiert. Das muss allen Beteiligten zu denken geben. Es verändert sich in unserem Gemeinwesen etwas, auf das die demokratischen Parteien bisher keine überzeugende Antwort gefunden haben. Wir müssen uns fragen, ob unser Umgang mit der AfD wirklich der richtige ist. In den vergangenen zwei Jahren hat das jedenfalls nicht dazu geführt, dass sie kleiner geworden ist. Sie ist weiter gewachsen.
Frage: Die AfD legt in Sachsen und Brandenburg deutlich zu. Wie lassen sich deren Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen?
Kubicki: Wenn sechzig Prozent der Menschen in Ostdeutschland wenig mit der Demokratie anfangen können, macht sich das natürlich auch in den Wahlergebnissen bemerkbar. (Anm. d.Red.: Laut einer Allensbach-Umfrage für die FAZ vom Januar 2019 sagten nur 42 Prozent der Ostdeutschen, dass die in Deutschland gelebte Demokratie die beste Staatsform sei.) Es wird nicht ausreichen, die AfD nur auszugrenzen und zu denunzieren. Es hilft wenig, wenn man sich schon darüber freut, dass die AfD nur zweitstärkste Kraft geworden ist. Sich ausschließlich von der AfD abzugrenzen, löst kein Problem. Die Menschen wollen bezahlbaren Wohnraum und Busse und Bahnen, die sie von A nach B bringen. Sie wollen insgesamt eine Perspektive für sich und ihre Region. Wir müssen offener und kommunikativer mit der AfD und ihren Wählerinnen und Wählern umgehen, nicht alles immer automatisch als rechtsradikal brandmarken, was einem nicht gefällt. Diese Demokratie lebt von Meinungsfreiheit und Meinungsstreit. Das findet mittlerweile viel zu wenig statt. Viele Menschen fühlen sich ausgegrenzt, fühlen sich in eine rechte Ecke gestellt, in die sie nicht hineingehören. Unsere Politik der radikalen Abgrenzung hat nicht geholfen – im Gegenteil. Sie hat eher geschadet. Wir müssen mehr argumentieren statt zu denunzieren und eine konstruktive Auseinandersetzung führen.
KUBICKI-Interview: Offener mit Wählern der AfD umgehen
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz.
Frage: Herr Kubicki, die FDP scheitert bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen an der Fünf-Prozent-Hürde. Klingelt jetzt wieder das Totenglöckchen für Ihre Partei?
Kubicki: Nein, sicher nicht. Dennoch: Die Wahlergebnisse sind eine große Enttäuschung. Das ist ein Tiefschlag für die gesamte Partei. Wir haben uns mehr erwartet. Wir haben ja eine Serie von Wahlen erlebt, bei denen wir um die fünf Prozent herum lagen. Erst Bayern, dann die Europawahl und jetzt die beiden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Unser Auftreten muss deutlich anders werden als bisher, wenn wir die Serie unerfreulicher Wahlergebnisse beenden wollen.
Frage: Die FDP gilt immer noch als Westpartei. Warum tut sie sich im Osten so schwer?
Kubicki: Ja, wir werden immer noch überwiegend als Westpartei wahrgenommen. Wir werden jetzt alle Kraft in den Wahlkampf in Thüringen investieren. Es geht darum, sich mehr um die besondere Situation der Menschen zu kümmern, die auch nach 30 Jahren das Gefühl haben, dass sie im vereinten Deutschland noch immer unter Wert gehandelt werden.
Frage: Union und SPD verlieren deutlich. Die FDP kann davon aber nicht profitieren.
Kubicki: Dass wir uns jetzt wieder in einigen Ländern an der Fünf-Prozent-Hürde aufhalten, ist ein Alarmsignal. Es ist viel in Bewegung im Parteiensystem. Dass Union und SPD so stark verlieren, ist schon bemerkenswert. Die Höhenflüge der Grünen sind im Osten auch erst einmal vorbei. Die Linken haben sich fast halbiert. Das muss allen Beteiligten zu denken geben. Es verändert sich in unserem Gemeinwesen etwas, auf das die demokratischen Parteien bisher keine überzeugende Antwort gefunden haben. Wir müssen uns fragen, ob unser Umgang mit der AfD wirklich der richtige ist. In den vergangenen zwei Jahren hat das jedenfalls nicht dazu geführt, dass sie kleiner geworden ist. Sie ist weiter gewachsen.
Frage: Die AfD legt in Sachsen und Brandenburg deutlich zu. Wie lassen sich deren Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen?
Kubicki: Wenn sechzig Prozent der Menschen in Ostdeutschland wenig mit der Demokratie anfangen können, macht sich das natürlich auch in den Wahlergebnissen bemerkbar. (Anm. d.Red.: Laut einer Allensbach-Umfrage für die FAZ vom Januar 2019 sagten nur 42 Prozent der Ostdeutschen, dass die in Deutschland gelebte Demokratie die beste Staatsform sei.) Es wird nicht ausreichen, die AfD nur auszugrenzen und zu denunzieren. Es hilft wenig, wenn man sich schon darüber freut, dass die AfD nur zweitstärkste Kraft geworden ist. Sich ausschließlich von der AfD abzugrenzen, löst kein Problem. Die Menschen wollen bezahlbaren Wohnraum und Busse und Bahnen, die sie von A nach B bringen. Sie wollen insgesamt eine Perspektive für sich und ihre Region. Wir müssen offener und kommunikativer mit der AfD und ihren Wählerinnen und Wählern umgehen, nicht alles immer automatisch als rechtsradikal brandmarken, was einem nicht gefällt. Diese Demokratie lebt von Meinungsfreiheit und Meinungsstreit. Das findet mittlerweile viel zu wenig statt. Viele Menschen fühlen sich ausgegrenzt, fühlen sich in eine rechte Ecke gestellt, in die sie nicht hineingehören. Unsere Politik der radikalen Abgrenzung hat nicht geholfen – im Gegenteil. Sie hat eher geschadet. Wir müssen mehr argumentieren statt zu denunzieren und eine konstruktive Auseinandersetzung führen.