FDP|
02.09.2019 - 11:45Ein zu kleiner Schritt nach vorn
Die FDP hat es nicht in die Landtage in Sachsen und Brandenburg geschafft. – auch aufgrund taktischer Wahlentscheidungen. Gerade die Polarisierung in den letzten Wochen vor der Wahl hat den Freien Demokraten in beiden Ländern enorm geschadet. Denn angesichts der massiven Zuwächse für die AfD in den Umfragen, wollten viele Wähler die Partei als stärkste Kraft noch verhindern. Das hat die FDP viele Stimmen gekostet. FDP-Chef Christian Lindner rief die Parteien in Berlin zu einem Umdenken im Umgang mit den Wählern der AfD auf und verlangte "parteiübergreifende Lösungen" bei den wichtigen Themen Klimaschutz und Migration. Statt die AfD und ihre Wähler zu dämonisieren sollte die Bundesregierung daran arbeiten, “die Probleme, die diese Partei groß gemacht haben, endlich anzugehen“. Die FDP-Spitzenkandidaten in Sachsen und Brandenburg, Holger Zastrow und Hans-Peter Goetz, traten am Montagabend von allen Ämtern zurück und machten den Weg für einen Neuanfang frei.
Lindner plädierte dafür, in der Klimapolitik und beim Thema Migration parteiübergreifende Lösungen zu finden. Dem Angebot von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, einen Klimakonsens zu finden, seien bisher keine Taten gefolgt, monierte er. "Das geht auch zu Lasten der Glaubwürdigkeit der etablierten Politik insgesamt. Die Vorsitzende einer Regierungspartei macht Ankündigungen und es folgt nichts nach."
Auch gebe es bislang "kein Einwanderungsmanagement, das Weltoffenheit, Toleranz, Ordnung und Kontrolle" vereine. Dass die Politik bisher außer Stande gewesen sei, diese Probleme zu lösen, habe zur Protestwahl in Brandenburg und Sachsen beigetragen. Oft genug gehe es auch um Fragen des Grundgesetzes. Da wäre es sinnvoll zu einer überparteilichen Verständigung zu kommen, "um endlich aus der politischen Mitte heraus Probleme zu lösen die die Menschen adressieren."
FDP hält an Kurs fest
Sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen stand die FDP bis kurz vor der Wahl stabil bei fünf Prozent oder mehr. Obwohl die Freien Demokraten hinzugewonnen haben, sind sie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Dass es in beiden Ländern nicht mit dem Einzug in den Landtag geklappt hat, liege unter anderem daran, dass viele Wähler sich aus taktischen Gründen für SPD und CDU entschieden haben, sind die Freien Demokraten überzeugt
“Wir haben viel Zuspruch erhalten“, hob Lindner hervor, der zahlreiche Veranstaltungen in den Ländern besucht hatte. Deswegen könne er den Freien Demokraten auch "eine grundlegende Veränderung ihres Kurses nicht empfehlen“. Mit Blick auf die jetzt anstehenden Analysen in den Gremien und der Klausurtagung der Bundestagsfraktion in dieser Woche in Jena stellte Lindner aber klar: "Wir hängen unser Fähnchen nicht nach dem Wind." Die FDP solle bei ihren inhaltlichen Grundpositionen bleiben. "Klar wir könnten jetzt versuchen zu werden wie AfD oder Grüne. Aber da macht man sich doch überflüssig."
Sein Fazit: “Es hat leider nicht gereicht, aber der umgekehrte Weg wäre eben nicht sinnvoll. Wir haben kein Minus, sondern ein Plus. Wir müssen nur schauen, dass das Plus in der nächsten Zeit größer wird. Wir schauen jetzt nach Thüringen. Da gibt es auch eine Gestaltungs Option für die FDP. Da werden die Karten neu gemischt."
Zastrow: Sachsen stehen schwierige Jahre bevor
Sachsens FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow sprach von einem "bitteren Tag". Am Ende hätten sich die Wähler taktisch entschieden. Es sei nur noch darum gegangen, wer stärkste Partei werde, CDU oder AfD. "Auf den letzten Metern hat es diese unglückliche Zuspitzung auf ein Elefantenrennen gegeben", sagte Zastrow. "Da dagegen zu halten, ist schwer." Er zeigte Verständnis für die Entscheidung zahlreicher Bürger der CDU ihre Stimme zu geben, um ein zu starkes Abschneiden der AfD zu verhindern. Wäre die AfD stärkste Kraft geworden, hätte dies dem Ansehen des Landes sehr geschadet, betonte er. "Trotzdem haben sie damit die Partei gewählt, die für das Entstehen der AfD mitverantwortlich ist". Er sieht schwierige Zeiten auf Sachsen zukommen, zumal auch eine Opposition aus der Mitte jetzt fehlt: "Wir haben als Opposition nur die Ränder und als Regierung eine CDU, die mit SPD und Grünen Kompromisse machen wird, die in Sachsen nicht ankommen werden."
Der Landesvorstand der FDP Sachsen zieht jetzt personelle Konsequenzen: Er tritt geschlossen zurück. Auch Parteichef Holger Zastrow wird seinen Posten zur Verfügung stellen. Generalsekretär Torsten Herbst erklärte, damit übernehme der Vorstand die Verantwortung für das bittere 4,5-Prozent-Ergebnis der Landtagswahl. Auf einen Parteitag am 2. November soll ein neuer Vorstand gewählt werden.
Wir konnten mit unseren Argumenten nicht durchdringen
Goetz: Wir haben gekämpft wie noch nie
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg erläuterte: "Die einen haben mit Ängsten zu Klima, die anderen mit Ängsten zur Migration gearbeitet. Wir hatten da Probleme, mit unseren guten Argumenten aus der Mitte durchzudringen", so Teuteberg im phoenix-Interview. Viele Probleme in den beiden Ländern seien so gar nicht zur Sprache gekommen.
"Auch in Brandenburg haben wir eine deutliche Zuspitzung erlebt", erklärte auch Hans-Peter Goetz, Spitzenkandidat der FDP Brandenburg. Die FDP habe zwar zugelegt (2,6 Prozentpunkte). "Das ist aber nicht der Erfolg, den wir uns erhofft haben, weil wir natürlich den Einzug schaffen wollten. Wir sind schwer enttäuscht, dass es nicht gereicht hat. Wir haben gekämpft wie noch nie. In der Summe hat es am Ende nicht gereicht." Es sei jetzt unklar, wie es im Land weitergehe. "Die Regierungsbildung wird schwierig werden", erklärte er mit Blick auf die zahlreichen möglichen Koalitionsvarianten. "Ich habe die Sorge, dass es ein 'Weiter so' geben wird. Das ist sicher der falsche Weg. Das kann keiner wollen." Bei den Freien Demokraten stehe jetzt die Frage im Mittelpunkt, was in Zukunft besser gemacht werden könne: "Für uns in Brandenburg gilt: nach der Wahl ist vor der Wahl."
Hintergrund
In Brandenburg ist die SPD mit 26,2 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden. Die AfD erreichte 23,5 Prozent. Nah beeinander liegen CDU (15,6 Prozent), Grüne (10,8 Prozent) und Linke (10,7 Prozent). Überraschend zogen die Freien Wähler mit 5 Prozent in den Landtag ein. Eine gute Nachricht: Die Wahlbeteiligung war in diesem Jahr deutlich höher als noch bei der Wahl 2014: Über 61 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Urne.
In Sachsen wird die CDU mit 32,1 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die AfD liegt mit 27,5 Prozent auf dem zweiten Rang. Linke (10,4 Prozent), (Grüne 8,6 Prozent) und SPD (7,7 Prozent) liegen auch hier Kopf an Kopf. Auch hier ist die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2014 deutlich gestiegen: Während 2014 noch nur knapp 49 Prozent der Sachsen wählen gingen, waren es in diesem Jahr über 66 Prozent. Die FDP war am Sonntag in beiden Ländern nicht ins Parlament gekommen. In Brandenburg scheiterten sie mit 4,1 und in Sachsen mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.
Ein zu kleiner Schritt nach vorn
Die FDP hat es nicht in die Landtage in Sachsen und Brandenburg geschafft. – auch aufgrund taktischer Wahlentscheidungen. Gerade die Polarisierung in den letzten Wochen vor der Wahl hat den Freien Demokraten in beiden Ländern enorm geschadet. Denn angesichts der massiven Zuwächse für die AfD in den Umfragen, wollten viele Wähler die Partei als stärkste Kraft noch verhindern. Das hat die FDP viele Stimmen gekostet. FDP-Chef Christian Lindner rief die Parteien in Berlin zu einem Umdenken [1]im Umgang mit den Wählern der AfD auf und verlangte "parteiübergreifende Lösungen" bei den wichtigen Themen Klimaschutz und Migration. Statt die AfD und ihre Wähler zu dämonisieren sollte die Bundesregierung daran arbeiten, “die Probleme, die diese Partei groß gemacht haben, endlich anzugehen“. Die FDP-Spitzenkandidaten in Sachsen und Brandenburg, Holger Zastrow und Hans-Peter Goetz, traten am Montagabend von allen Ämtern zurück und machten den Weg für einen Neuanfang frei.
Lindner plädierte dafür, in der Klimapolitik und beim Thema Migration parteiübergreifende Lösungen zu finden. Dem Angebot von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, einen Klimakonsens zu finden, seien bisher keine Taten gefolgt, monierte er. "Das geht auch zu Lasten der Glaubwürdigkeit der etablierten Politik insgesamt. Die Vorsitzende einer Regierungspartei macht Ankündigungen und es folgt nichts nach."
Auch gebe es bislang "kein Einwanderungsmanagement, das Weltoffenheit, Toleranz, Ordnung und Kontrolle" vereine. Dass die Politik bisher außer Stande gewesen sei, diese Probleme zu lösen, habe zur Protestwahl in Brandenburg und Sachsen beigetragen. Oft genug gehe es auch um Fragen des Grundgesetzes. Da wäre es sinnvoll zu einer überparteilichen Verständigung zu kommen, "um endlich aus der politischen Mitte heraus Probleme zu lösen die die Menschen adressieren."
FDP hält an Kurs fest
Sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen stand die FDP bis kurz vor der Wahl stabil bei fünf Prozent oder mehr. Obwohl die Freien Demokraten hinzugewonnen haben, sind sie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Dass es in beiden Ländern nicht mit dem Einzug in den Landtag geklappt hat, liege unter anderem daran, dass viele Wähler sich aus taktischen Gründen für SPD und CDU entschieden haben, sind die Freien Demokraten überzeugt
“Wir haben viel Zuspruch erhalten“, hob Lindner hervor, der zahlreiche Veranstaltungen in den Ländern besucht hatte. Deswegen könne er den Freien Demokraten auch "eine grundlegende Veränderung ihres Kurses nicht empfehlen“. Mit Blick auf die jetzt anstehenden Analysen in den Gremien und der Klausurtagung der Bundestagsfraktion in dieser Woche in Jena stellte Lindner aber klar: "Wir hängen unser Fähnchen nicht nach dem Wind." Die FDP solle bei ihren inhaltlichen Grundpositionen bleiben. "Klar wir könnten jetzt versuchen zu werden wie AfD oder Grüne. Aber da macht man sich doch überflüssig."
Sein Fazit: “Es hat leider nicht gereicht, aber der umgekehrte Weg wäre eben nicht sinnvoll. Wir haben kein Minus, sondern ein Plus. Wir müssen nur schauen, dass das Plus in der nächsten Zeit größer wird. Wir schauen jetzt nach Thüringen. Da gibt es auch eine Gestaltungs Option für die FDP. Da werden die Karten neu gemischt."
Zastrow: Sachsen stehen schwierige Jahre bevor
Sachsens FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow sprach von einem "bitteren Tag". Am Ende hätten sich die Wähler taktisch entschieden. Es sei nur noch darum gegangen, wer stärkste Partei werde, CDU oder AfD. "Auf den letzten Metern hat es diese unglückliche Zuspitzung auf ein Elefantenrennen gegeben", sagte Zastrow. "Da dagegen zu halten, ist schwer." Er zeigte Verständnis für die Entscheidung zahlreicher Bürger der CDU ihre Stimme zu geben, um ein zu starkes Abschneiden der AfD zu verhindern. Wäre die AfD stärkste Kraft geworden, hätte dies dem Ansehen des Landes sehr geschadet, betonte er. "Trotzdem haben sie damit die Partei gewählt, die für das Entstehen der AfD mitverantwortlich ist". Er sieht schwierige Zeiten auf Sachsen zukommen, zumal auch eine Opposition aus der Mitte jetzt fehlt: "Wir haben als Opposition nur die Ränder und als Regierung eine CDU, die mit SPD und Grünen Kompromisse machen wird, die in Sachsen nicht ankommen werden."
Der Landesvorstand der FDP Sachsen zieht jetzt personelle Konsequenzen: Er tritt geschlossen zurück. Auch Parteichef Holger Zastrow wird seinen Posten zur Verfügung stellen. Generalsekretär Torsten Herbst erklärte, damit übernehme der Vorstand die Verantwortung für das bittere 4,5-Prozent-Ergebnis der Landtagswahl. Auf einen Parteitag am 2. November soll ein neuer Vorstand gewählt werden.
Wir konnten mit unseren Argumenten nicht durchdringen
Goetz: Wir haben gekämpft wie noch nie
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg erläuterte: [15] "Die einen haben mit Ängsten zu Klima, die anderen mit Ängsten zur Migration gearbeitet. Wir hatten da Probleme, mit unseren guten Argumenten aus der Mitte durchzudringen", so Teuteberg im phoenix-Interview. Viele Probleme in den beiden Ländern seien so gar nicht zur Sprache gekommen.
"Auch in Brandenburg haben wir eine deutliche Zuspitzung erlebt", erklärte auch Hans-Peter Goetz, Spitzenkandidat der FDP Brandenburg. Die FDP habe zwar zugelegt (2,6 Prozentpunkte). "Das ist aber nicht der Erfolg, den wir uns erhofft haben, weil wir natürlich den Einzug schaffen wollten. Wir sind schwer enttäuscht, dass es nicht gereicht hat. Wir haben gekämpft wie noch nie. In der Summe hat es am Ende nicht gereicht." Es sei jetzt unklar, wie es im Land weitergehe. "Die Regierungsbildung wird schwierig werden", erklärte er mit Blick auf die zahlreichen möglichen Koalitionsvarianten. "Ich habe die Sorge, dass es ein 'Weiter so' geben wird. Das ist sicher der falsche Weg. Das kann keiner wollen." Bei den Freien Demokraten stehe jetzt die Frage im Mittelpunkt, was in Zukunft besser gemacht werden könne: "Für uns in Brandenburg gilt: nach der Wahl ist vor der Wahl."
Hintergrund
In Brandenburg ist die SPD mit 26,2 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden. Die AfD erreichte 23,5 Prozent. Nah beeinander liegen CDU (15,6 Prozent), Grüne (10,8 Prozent) und Linke (10,7 Prozent). Überraschend zogen die Freien Wähler mit 5 Prozent in den Landtag ein. Eine gute Nachricht: Die Wahlbeteiligung war in diesem Jahr deutlich höher als noch bei der Wahl 2014: Über 61 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Urne.
In Sachsen wird die CDU mit 32,1 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die AfD liegt mit 27,5 Prozent auf dem zweiten Rang. Linke (10,4 Prozent), (Grüne 8,6 Prozent) und SPD (7,7 Prozent) liegen auch hier Kopf an Kopf. Auch hier ist die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2014 deutlich gestiegen: Während 2014 noch nur knapp 49 Prozent der Sachsen wählen gingen, waren es in diesem Jahr über 66 Prozent. Die FDP war am Sonntag in beiden Ländern nicht ins Parlament gekommen. In Brandenburg scheiterten sie mit 4,1 und in Sachsen mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.