FDP|
31.08.2005 - 02:00WESTERWELLE-Interview für den "General-Anzeiger Bonn"
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "General-Anzeiger Bonn" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ULLA THIEDE und DR. THOMAS WITTKE:
Frage: Gibt es in der FDP noch eine sozialliberale Option?
WESTERWELLE: Für die nächste Bundestagswahl nicht.
Frage: Und grundsätzlich?
WESTERWELLE: Die SPD stellt sich derzeit mit Heuschreckendebatten und Neidsteuer-Forderungen dar. Ich sehe deshalb auch grundsätzlich derzeit auf Bundesebene keine Möglichkeit.
Frage: Wie groß sehen Sie die Gefahr einer rot-rot-grünen Koalition?
WESTERWELLE: Wenn es keine schwarz-gelbe Mehrheit gäbe, ist diese Gefahr absolut real. Wenn sich die SPD dann zwischen dem Kanzleramt und einer Juniorpartnerschaft in einer großen Koalition entscheiden müßte, sehe ich schon, wie Herr Schröder ehrenvoll verabschiedet wird und an seiner Stelle Herr Gabriel Platz nimmt. Die Gefahr einer Links-Regierung ist dann bitterernst.
Frage: Ist Schwarz-Gelb eine Liebesheirat?
WESTERWELLE: Es ist eine solide Vernunftehe im Interesse Deutschlands.
Frage: Zwischen Schwarz und Gelb gibt es jede Masse Differenzen beispielsweise bei der Inneren Sicherheit: Wie wollen Sie mit einem harten Knochen wie einem Innenminister Günter Beckstein umgehen?
WESTERWELLE: Anstrengender als mit Otto Schily kann es nicht werden. Ich kenne Herrn Beckstein als einen sachlichen Verhandlungspartner. Die FDP steht für das richtige Verhältnis zwischen Sicherheit und Bürgerfreiheit.
Frage: Wie will die FDP Bürgerrechtspartei bleiben - im Bündnis mit der CSU?
WESTERWELLE: Das Bankgeheimnis ist faktisch abgeschafft worden. Daß ohne Richter oder Staatsanwalt jeder Beamte auf die Stammdaten von jedem Konto zugreifen kann, ist kein Gewinn an Sicherheit, sondern ein Verlust an Freiheit. Das wollen wir ändern. Auch das Luftsicherheitsgesetz gehört geändert. Der Gesetzgeber kann nicht das Leben von Unschuldigen gesetzlich gegeneinander abwägen.
Frage: Wie passen das liberale und das konservative Gesellschaftsbild zueinander?
WESTERWELLE: Wir werden die Unterschiede nicht verschweigen. Ich stehe für die FDP. Ich wähle auch die FDP mit beiden Stimmen.
Frage: Ach was.
WESTERWELLE: Bei der Linken heißt es, eine Mutter, die nicht nebenher arbeitet, kann keine emanzipierte Frau sein. Bei den Konservativen hören wir, eine Mutter, die nebenher arbeitet, ist keine gute Mutter. Der Staat hat nicht die Aufgabe, als Zensor der privaten Lebensentwürfe zu fungieren. Jeder soll nach seiner Facon selig werden. Der Staat muß dafür sorgen, daß jeder frei entscheiden kann.
Frage: Streit auch in der Außenpolitik: Die FDP ist für einen europäischen, Frau Merkel für einen deutschen Sicherheitsratssitz. Wie kriegt man diese Kuh vom Eis?
WESTERWELLE: Der deutsche Sitz ist nur die zweitbeste Lösung.
Frage: Ein europäischer Sitz würde die UN revolutionieren, da dort nur Staaten vertreten sind.
WESTERWELLE: Es geht ja zur Zeit um eine grundlegende Reform der UN. Europa ist stark, wenn es mit einer Stimme international spricht. Wenn wir einen europäischen Sitz nicht kriegen, werden wir gegen die zweitbeste Lösung natürlich nicht arbeiten.
Frage: Schwarz-grünes Streitthema EU-Beitritt der Türkei.
WESTERWELLE: Unsere Haltung ist klar. Derzeit ist die Türkei nicht beitrittsfähig und die EU nicht aufnahmefähig. Und wer EU-Mitglied werden will, muß alle EU-Mitglieder wie Zypern anerkennen. Solange das nicht passiert, ist ein Beginn von Beitrittsverhandlungen falsch.
Frage: Unterschiede auch in der Steuerpolitik: Wie wollen Sie Ihre Forderung nach Abgabensenkungen in den möglichen Koalitionsverhandlungen durchsetzen?
WESTERWELLE: Wir haben bereits unser Konzept vorgelegt, in dem wir bewiesen haben, daß Steuersenkungspolitik finanzierbar ist. Unsere Position wird ja auch vom neuen Mitglied im CDU-Kompetenzteam, Prof. Kirchhof gestützt.
Frage: Ist das das trojanische Pferd der FDP im Merkel-Team?
WESTERWELLE: Dieses Bild gefällt mir. Prof. Kirchhof war ein gefeierter Redner auf unserem Bundesparteitag in Köln im Mai dieses Jahres. Aber er ist nicht FDP-Mitglied, er ist parteilos.
Frage: Sind Sie sicher, daß Kirchhof nicht die CDU, sondern FDP wählt?
WESTERWELLE: Ich halte es für gut möglich, daß er mit der Zweitstimme FDP wählt. Und zur unionsinternen Diskussion kann ich nur sagen: Wenn man Persönlichkeiten wie Prof. Kirchhof und Herrn von Pierer aufstellt, darf man sie anschließend nicht sofort inhaltlich wieder in Frage stellen.
Frage: Sind Steuererhöhungen ein Rezessionsprogramm, wie der Wirtschaftsminister meint?
WESTERWELLE: Herr Clement prophezeit seit Jahren Monat für Monat den Aufschwung. Er ist zu solcher Kritik nicht berufen. Wir brauchen eine Steuersenkungspolitik, weil das Arbeit schafft. Wir brauchen ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuerrecht, eine Reform der Sozialversicherungssysteme und dringend einen Bürokratieabbau. Nur das ist ein Programm für den Aufschwung.
Frage: Sind Sie denn gegen eine Mehrwertsteuererhöhung, die im Rahmen einer Umschichtung von direkten auf indirekte Steuern erfolgt?
WESTERWELLE: Ja, weil das keine echte Entlastung der Bürger ist Wir haben doch erlebt, daß die Ökosteuer immer weiter stieg und trotzdem die Rentenversicherungsbeiträge nicht sanken, sondern wuchsen.
Frage: Sie bauen die Ökosteuer wieder ab?
WESTERWELLE: Das bleibt auf der Tagesordnung. Aber man kann nicht alles zugleich machen: Erst einmal ein niedrigeres einfacheres und gerechteres Steuersystem zum 1. Januar 2007.
Frage: Wie wollen Sie gegen das Kopfpauschalenmodell der Union ihr Privat-Versicherungssystem zum Gesundheitswesen durchsetzen?
WESTERWELLE: Bei uns hat jeder Bürger im Krankheitsfall Schutz. Aber wir wollen dem Bürger die Möglichkeit geben, seine Tarife mit im Wettbewerb aufgestellten Kassen persönlich auszuhandeln.
Frage: Kommt Stoiber nach Berlin?
WESTERWELLE: Das muß er selbst entscheiden. Aber natürlich werbe ich auch für eine starke FDP, um auch im Innenverhältnis einer schwarz-gelben Koalition liberale Politik gegenüber gerade der CSU besser durchsetzen zu können.
Frage: Was machen Sie nach dem Wahltag?
WESTERWELLE: Vorsitzender einer Regierungspartei.
Frage: Der Verlauf unseres Gesprächs legt das Außen- oder das Wirtschaftsministerium nahe.
WESTERWELLE: Wie schlecht muß es um den deutschen Journalismus stehen, daß man jetzt schon dem Interviewten die Interpretation des Gesagten überläßt. Im Ernst: Jetzt geht es um Inhalte, nicht um Posten.
WESTERWELLE-Interview für den "General-Anzeiger Bonn"
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "General-Anzeiger Bonn" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ULLA THIEDE und DR. THOMAS WITTKE:
Frage: Gibt es in der FDP noch eine sozialliberale Option?
WESTERWELLE: Für die nächste Bundestagswahl nicht.
Frage: Und grundsätzlich?
WESTERWELLE: Die SPD stellt sich derzeit mit Heuschreckendebatten und Neidsteuer-Forderungen dar. Ich sehe deshalb auch grundsätzlich derzeit auf Bundesebene keine Möglichkeit.
Frage: Wie groß sehen Sie die Gefahr einer rot-rot-grünen Koalition?
WESTERWELLE: Wenn es keine schwarz-gelbe Mehrheit gäbe, ist diese Gefahr absolut real. Wenn sich die SPD dann zwischen dem Kanzleramt und einer Juniorpartnerschaft in einer großen Koalition entscheiden müßte, sehe ich schon, wie Herr Schröder ehrenvoll verabschiedet wird und an seiner Stelle Herr Gabriel Platz nimmt. Die Gefahr einer Links-Regierung ist dann bitterernst.
Frage: Ist Schwarz-Gelb eine Liebesheirat?
WESTERWELLE: Es ist eine solide Vernunftehe im Interesse Deutschlands.
Frage: Zwischen Schwarz und Gelb gibt es jede Masse Differenzen beispielsweise bei der Inneren Sicherheit: Wie wollen Sie mit einem harten Knochen wie einem Innenminister Günter Beckstein umgehen?
WESTERWELLE: Anstrengender als mit Otto Schily kann es nicht werden. Ich kenne Herrn Beckstein als einen sachlichen Verhandlungspartner. Die FDP steht für das richtige Verhältnis zwischen Sicherheit und Bürgerfreiheit.
Frage: Wie will die FDP Bürgerrechtspartei bleiben - im Bündnis mit der CSU?
WESTERWELLE: Das Bankgeheimnis ist faktisch abgeschafft worden. Daß ohne Richter oder Staatsanwalt jeder Beamte auf die Stammdaten von jedem Konto zugreifen kann, ist kein Gewinn an Sicherheit, sondern ein Verlust an Freiheit. Das wollen wir ändern. Auch das Luftsicherheitsgesetz gehört geändert. Der Gesetzgeber kann nicht das Leben von Unschuldigen gesetzlich gegeneinander abwägen.
Frage: Wie passen das liberale und das konservative Gesellschaftsbild zueinander?
WESTERWELLE: Wir werden die Unterschiede nicht verschweigen. Ich stehe für die FDP. Ich wähle auch die FDP mit beiden Stimmen.
Frage: Ach was.
WESTERWELLE: Bei der Linken heißt es, eine Mutter, die nicht nebenher arbeitet, kann keine emanzipierte Frau sein. Bei den Konservativen hören wir, eine Mutter, die nebenher arbeitet, ist keine gute Mutter. Der Staat hat nicht die Aufgabe, als Zensor der privaten Lebensentwürfe zu fungieren. Jeder soll nach seiner Facon selig werden. Der Staat muß dafür sorgen, daß jeder frei entscheiden kann.
Frage: Streit auch in der Außenpolitik: Die FDP ist für einen europäischen, Frau Merkel für einen deutschen Sicherheitsratssitz. Wie kriegt man diese Kuh vom Eis?
WESTERWELLE: Der deutsche Sitz ist nur die zweitbeste Lösung.
Frage: Ein europäischer Sitz würde die UN revolutionieren, da dort nur Staaten vertreten sind.
WESTERWELLE: Es geht ja zur Zeit um eine grundlegende Reform der UN. Europa ist stark, wenn es mit einer Stimme international spricht. Wenn wir einen europäischen Sitz nicht kriegen, werden wir gegen die zweitbeste Lösung natürlich nicht arbeiten.
Frage: Schwarz-grünes Streitthema EU-Beitritt der Türkei.
WESTERWELLE: Unsere Haltung ist klar. Derzeit ist die Türkei nicht beitrittsfähig und die EU nicht aufnahmefähig. Und wer EU-Mitglied werden will, muß alle EU-Mitglieder wie Zypern anerkennen. Solange das nicht passiert, ist ein Beginn von Beitrittsverhandlungen falsch.
Frage: Unterschiede auch in der Steuerpolitik: Wie wollen Sie Ihre Forderung nach Abgabensenkungen in den möglichen Koalitionsverhandlungen durchsetzen?
WESTERWELLE: Wir haben bereits unser Konzept vorgelegt, in dem wir bewiesen haben, daß Steuersenkungspolitik finanzierbar ist. Unsere Position wird ja auch vom neuen Mitglied im CDU-Kompetenzteam, Prof. Kirchhof gestützt.
Frage: Ist das das trojanische Pferd der FDP im Merkel-Team?
WESTERWELLE: Dieses Bild gefällt mir. Prof. Kirchhof war ein gefeierter Redner auf unserem Bundesparteitag in Köln im Mai dieses Jahres. Aber er ist nicht FDP-Mitglied, er ist parteilos.
Frage: Sind Sie sicher, daß Kirchhof nicht die CDU, sondern FDP wählt?
WESTERWELLE: Ich halte es für gut möglich, daß er mit der Zweitstimme FDP wählt. Und zur unionsinternen Diskussion kann ich nur sagen: Wenn man Persönlichkeiten wie Prof. Kirchhof und Herrn von Pierer aufstellt, darf man sie anschließend nicht sofort inhaltlich wieder in Frage stellen.
Frage: Sind Steuererhöhungen ein Rezessionsprogramm, wie der Wirtschaftsminister meint?
WESTERWELLE: Herr Clement prophezeit seit Jahren Monat für Monat den Aufschwung. Er ist zu solcher Kritik nicht berufen. Wir brauchen eine Steuersenkungspolitik, weil das Arbeit schafft. Wir brauchen ein einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuerrecht, eine Reform der Sozialversicherungssysteme und dringend einen Bürokratieabbau. Nur das ist ein Programm für den Aufschwung.
Frage: Sind Sie denn gegen eine Mehrwertsteuererhöhung, die im Rahmen einer Umschichtung von direkten auf indirekte Steuern erfolgt?
WESTERWELLE: Ja, weil das keine echte Entlastung der Bürger ist Wir haben doch erlebt, daß die Ökosteuer immer weiter stieg und trotzdem die Rentenversicherungsbeiträge nicht sanken, sondern wuchsen.
Frage: Sie bauen die Ökosteuer wieder ab?
WESTERWELLE: Das bleibt auf der Tagesordnung. Aber man kann nicht alles zugleich machen: Erst einmal ein niedrigeres einfacheres und gerechteres Steuersystem zum 1. Januar 2007.
Frage: Wie wollen Sie gegen das Kopfpauschalenmodell der Union ihr Privat-Versicherungssystem zum Gesundheitswesen durchsetzen?
WESTERWELLE: Bei uns hat jeder Bürger im Krankheitsfall Schutz. Aber wir wollen dem Bürger die Möglichkeit geben, seine Tarife mit im Wettbewerb aufgestellten Kassen persönlich auszuhandeln.
Frage: Kommt Stoiber nach Berlin?
WESTERWELLE: Das muß er selbst entscheiden. Aber natürlich werbe ich auch für eine starke FDP, um auch im Innenverhältnis einer schwarz-gelben Koalition liberale Politik gegenüber gerade der CSU besser durchsetzen zu können.
Frage: Was machen Sie nach dem Wahltag?
WESTERWELLE: Vorsitzender einer Regierungspartei.
Frage: Der Verlauf unseres Gesprächs legt das Außen- oder das Wirtschaftsministerium nahe.
WESTERWELLE: Wie schlecht muß es um den deutschen Journalismus stehen, daß man jetzt schon dem Interviewten die Interpretation des Gesagten überläßt. Im Ernst: Jetzt geht es um Inhalte, nicht um Posten.