FDP|
04.07.2019 - 08:15THEURER-Gastbeitrag: Von der Leyen soll wegbefördert werden
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für „Focus Online“ über die Entscheidung des Europäischen Rats, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin vorzuschlagen, den folgenden Gastbeitrag:
Man muss sich das erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da einigen sich vor der EU-Wahl alle großen Parteienfamilien darauf, dass eine jede von ihnen einen oder mehrere Spitzenkandidaten haben soll und nach der Wahl – wie etwa in Deutschland bei der Wahl des Bundeskanzlers – auch tatsächlich einer dieser Kandidaten die Kommission anführen soll.
Den Wählern werden die Spitzenkandidaten mit viel Tamtam präsentiert, es wird sogar extra der Plenarsaal des Europäischen Parlaments zur Showbühne für die Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten umgebaut. Das alles, damit die Wähler die Europäische Union leichter verstehen können. Und dann wird es am Ende keiner der genannten. Wer soll das verstehen?
Besonders vor dem Hintergrund, dass Christ- und Sozialdemokraten immer auf dem Spitzenkandidatenprozess bestanden haben – wohl in der Hoffnung, es würde dann auf einen der ihren hinauslaufen. Doch die Schwierigkeiten, eine Mehrheit hinter Manfred Weber (mangelnde Exekutiverfahrung) oder Frans Timmermans (geringes Ansehen in Osteuropa) zu organisieren, müssen doch allen vorab bekannt gewesen sein.
Es bliebe ja im Zweifel immer noch Margrethe Vestager. Eine außerordentlich beliebte und durchsetzungsstarke, erfolgreiche und sympathische Persönlichkeit, die für die Kommissionspräsidentin zur Verfügung steht. Auch aus anderen politischen Lagern bekam sie immer wieder großen Respekt. Sie hat ihr Ressort erfolgreich geführt, Apple und Google erfolgreich die Stirn geboten – was will man mehr?
Und dann wird es ausgerechnet Ursula von der Leyen. Man muss nicht so weit gehen, sie als „schwächste Ministerin“ der Bundesregierung zu bezeichnen. Man darf schließlich nicht vergessen, wer noch Teil der Bundesregierung ist: die Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek, der Bau-, Heimat- und Innenminister Horst Seehofer, der Verkehrsminister Andreas Scheuer, der Wirtschaftsminister Peter Altmaier – die Liste lässt sich fortsetzen.
Es mag auch sein, dass sie im Ausland, insbesondere bei den NATO-Partnern, ein hohes Ansehen erworben hat. Ihre bisherige Performance qualifiziert sie dennoch nicht gerade für das schwierige Amt an der Spitze der Kommission. Spätestens durch die Berateraffäre häuften sich zuletzt die Rücktrittsforderungen, dazu kommt eine tragische Pannenserie bei der Bundeswehr. Bei letzterer wiederum hat sie spätestens 2017 den letzten Kredit verspielt, als sie der gesamten Truppe pauschal ein Haltungsproblem diagnostizierte – eine Äußerung, die ihr viele Kameraden bis heute übel nehmen.
Von der Leyen nach diesem Leistungsnachweis gewissermaßen wegzubefördern, kann durchaus als Geringschätzung für die EU verstanden werden. Ein alternativer Erklärungsansatz wäre, dass man im Kabinett Merkel nichts, aber auch gar nichts aus der Causa Maaßen gelernt hat. Wir erinnern uns: Auch der sollte zunächst wegen eines aktuellen Vorfalls wegbefördert werden, doch die Skandale der Vergangenheit holten ihn spätestens in diesem Moment ein, wodurch es zu einem öffentlichen Aufschrei und letztlich zum Ausscheiden aus dem Dienst kam.
Doch von der Leyen wird sich nicht gänzlich aus der Affäre ziehen können. Auch als Kommissionspräsidentin und dann Ex-Verteidigungsministerin wird sie weiterhin vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags erscheinen müssen.
Man muss deutlich hinterfragen, was sich Angela Merkel dabei gedacht hat. Als Manfred Weber nicht durchsetzbar war, hätte man doch als zweite Präferenz für einen der fünf europäischen „Topjobs“ mit Nachdruck für den Bundesbank-Chef Jens Weidmann als EZB-Präsidenten werben müssen. Stattdessen wird dies nun Christine Lagarde. Sie ist der Aufgabe fachlich sicherlich gewachsen. Allerdings wird sie in der Geldpolitik genau da weitermachen, wo Mario Draghi aufgehört hat.
Dass sie aus ihrer Zeit als französische Wirtschaftsministerin eine Verurteilung wegen des fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern vorzuweisen hat, ist auch nicht gerade dazu geeignet, Vertrauen wiederherzustellen. Während Emmanuel Macron in seiner eigenen Regierung eine strikte Politik der weißen Weste bemüht, scheint ihm das auf europäischer Ebene weniger wichtig gewesen zu sein.
Die Kommissionspräsidentschaft wird vom Europäischen Parlament gewählt. Während die anderen Vorschläge für die Topjobs als relativ sicher angesehen werden können, wird das Parlament das mit der Wahl von Ursula von der Leyen verbundene Ende des Spitzenkandidatenprinzips nur äußerst widerstrebend annehmen – wenn überhaupt.
Sollte sich die Meinung durchsetzen, dass durch den bloßen Vorschlag das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und der Schaden für das Ansehen der EU bereits unwiederbringlich entstanden ist, ist zu erwarten, dass die Parlamentarier stattdessen Reformen der EU zur Bedingung stellen werden. An der obersten Stelle der Wunschliste dürfte eine Verkleinerung der EU-Kommission auf höchstens 18 Kommissare sowie ein Initiativrecht für das Europäische Parlament stehen. Mit einer dann besser funktionierenden EU – so die Hoffnung – könnte dann perspektivisch wieder Vertrauen hergestellt werden. Für den Moment jedenfalls überwiegt die Enttäuschung.
THEURER-Gastbeitrag: Von der Leyen soll wegbefördert werden
Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für „Focus Online“ über die Entscheidung des Europäischen Rats, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin vorzuschlagen, den folgenden Gastbeitrag:
Man muss sich das erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da einigen sich vor der EU-Wahl alle großen Parteienfamilien darauf, dass eine jede von ihnen einen oder mehrere Spitzenkandidaten haben soll und nach der Wahl – wie etwa in Deutschland bei der Wahl des Bundeskanzlers – auch tatsächlich einer dieser Kandidaten die Kommission anführen soll.
Den Wählern werden die Spitzenkandidaten mit viel Tamtam präsentiert, es wird sogar extra der Plenarsaal des Europäischen Parlaments zur Showbühne für die Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten umgebaut. Das alles, damit die Wähler die Europäische Union leichter verstehen können. Und dann wird es am Ende keiner der genannten. Wer soll das verstehen?
Besonders vor dem Hintergrund, dass Christ- und Sozialdemokraten immer auf dem Spitzenkandidatenprozess bestanden haben – wohl in der Hoffnung, es würde dann auf einen der ihren hinauslaufen. Doch die Schwierigkeiten, eine Mehrheit hinter Manfred Weber (mangelnde Exekutiverfahrung) oder Frans Timmermans (geringes Ansehen in Osteuropa) zu organisieren, müssen doch allen vorab bekannt gewesen sein.
Es bliebe ja im Zweifel immer noch Margrethe Vestager. Eine außerordentlich beliebte und durchsetzungsstarke, erfolgreiche und sympathische Persönlichkeit, die für die Kommissionspräsidentin zur Verfügung steht. Auch aus anderen politischen Lagern bekam sie immer wieder großen Respekt. Sie hat ihr Ressort erfolgreich geführt, Apple und Google erfolgreich die Stirn geboten – was will man mehr?
Und dann wird es ausgerechnet Ursula von der Leyen. Man muss nicht so weit gehen, sie als „schwächste Ministerin“ der Bundesregierung zu bezeichnen. Man darf schließlich nicht vergessen, wer noch Teil der Bundesregierung ist: die Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek, der Bau-, Heimat- und Innenminister Horst Seehofer, der Verkehrsminister Andreas Scheuer, der Wirtschaftsminister Peter Altmaier – die Liste lässt sich fortsetzen.
Es mag auch sein, dass sie im Ausland, insbesondere bei den NATO-Partnern, ein hohes Ansehen erworben hat. Ihre bisherige Performance qualifiziert sie dennoch nicht gerade für das schwierige Amt an der Spitze der Kommission. Spätestens durch die Berateraffäre häuften sich zuletzt die Rücktrittsforderungen, dazu kommt eine tragische Pannenserie bei der Bundeswehr. Bei letzterer wiederum hat sie spätestens 2017 den letzten Kredit verspielt, als sie der gesamten Truppe pauschal ein Haltungsproblem diagnostizierte – eine Äußerung, die ihr viele Kameraden bis heute übel nehmen.
Von der Leyen nach diesem Leistungsnachweis gewissermaßen wegzubefördern, kann durchaus als Geringschätzung für die EU verstanden werden. Ein alternativer Erklärungsansatz wäre, dass man im Kabinett Merkel nichts, aber auch gar nichts aus der Causa Maaßen gelernt hat. Wir erinnern uns: Auch der sollte zunächst wegen eines aktuellen Vorfalls wegbefördert werden, doch die Skandale der Vergangenheit holten ihn spätestens in diesem Moment ein, wodurch es zu einem öffentlichen Aufschrei und letztlich zum Ausscheiden aus dem Dienst kam.
Doch von der Leyen wird sich nicht gänzlich aus der Affäre ziehen können. Auch als Kommissionspräsidentin und dann Ex-Verteidigungsministerin wird sie weiterhin vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags erscheinen müssen.
Man muss deutlich hinterfragen, was sich Angela Merkel dabei gedacht hat. Als Manfred Weber nicht durchsetzbar war, hätte man doch als zweite Präferenz für einen der fünf europäischen „Topjobs“ mit Nachdruck für den Bundesbank-Chef Jens Weidmann als EZB-Präsidenten werben müssen. Stattdessen wird dies nun Christine Lagarde. Sie ist der Aufgabe fachlich sicherlich gewachsen. Allerdings wird sie in der Geldpolitik genau da weitermachen, wo Mario Draghi aufgehört hat.
Dass sie aus ihrer Zeit als französische Wirtschaftsministerin eine Verurteilung wegen des fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Geldern vorzuweisen hat, ist auch nicht gerade dazu geeignet, Vertrauen wiederherzustellen. Während Emmanuel Macron in seiner eigenen Regierung eine strikte Politik der weißen Weste bemüht, scheint ihm das auf europäischer Ebene weniger wichtig gewesen zu sein.
Die Kommissionspräsidentschaft wird vom Europäischen Parlament gewählt. Während die anderen Vorschläge für die Topjobs als relativ sicher angesehen werden können, wird das Parlament das mit der Wahl von Ursula von der Leyen verbundene Ende des Spitzenkandidatenprinzips nur äußerst widerstrebend annehmen – wenn überhaupt.
Sollte sich die Meinung durchsetzen, dass durch den bloßen Vorschlag das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und der Schaden für das Ansehen der EU bereits unwiederbringlich entstanden ist, ist zu erwarten, dass die Parlamentarier stattdessen Reformen der EU zur Bedingung stellen werden. An der obersten Stelle der Wunschliste dürfte eine Verkleinerung der EU-Kommission auf höchstens 18 Kommissare sowie ein Initiativrecht für das Europäische Parlament stehen. Mit einer dann besser funktionierenden EU – so die Hoffnung – könnte dann perspektivisch wieder Vertrauen hergestellt werden. Für den Moment jedenfalls überwiegt die Enttäuschung.