Die FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl, Nicola Beer, gab der „Kreiszeitung“ (Samstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Sommer.
Frage: Wenn Sie noch einmal 16 wären - wo wären Sie dann freitags anzutreffen?
Beer: (Lacht) Erst in der Schule und dann später auf Demonstrationen.
Frage: Und in den Ferien?
Beer: Die dürfen einen nicht davon abhalten, für das einzustehen, was man erreichen will. Ich habe mich ja damals schon engagiert, allerdings ging es da eher um Unterrichtsausfall oder überalterte und fehlende Bücher.
Frage: Sie gehen ausgerechnet in dem Jahr nach Brüssel, in dem ein starker Teil von Europa abbröckelt. Blickt man nach Polen, Italien oder Ungarn - ist das Wegbrechen Großbritanniens erst der Anfang?
Beer: Nein, hoffentlich nicht. Und wenn wir momentan die Lage in Großbritannien betrachten, erhoffe ich mir von den wachsenden Mehrheiten für ein zweites Referendum, dass es möglicherweise noch gelingt, den Exit vom Brexit zu schaffen. Es wäre schön, wenn die Briten sich vor der Europawahl entscheiden könnten, wofür und nicht wogegen sie sind. Sollte bis zur Europawahl keine Entscheidung fallen, müsste Großbritannien an der Wahl teilnehmen und Abgeordnete nach Brüssel schicken.
Frage: Wie gefällt Ihnen die Aussicht, mit britischen Europa-Muffeln im Parlament zusammenarbeiten zu müssen?
Beer: Das werden ja nicht 100 Prozent EU-Muffel sein. Wir erleben die Gesellschaft in Großbritannien als gespalten. Da wird es ebenso sehr starke EU-Befürworter aber auch - Sie haben recht - starke EU-Gegner geben. So wie das momentan läuft, ist das kaum jemandem draußen zu vermitteln. Deswegen sehe ich das durchaus sehr kritisch, dass es jetzt erneut eine Verlängerung gegeben hat.
Frage: Aber der harte Brexit als Alternative?
Beer: Es ist gut, einen harten Brexit auf jeden Fall zu vermeiden, aber wir sollten jetzt auch mal ein Ziel für diese Verlängerung haben: Was will die britische Premierministerin Theresa May mit Labour-Chef Jeremy Corbyn verhandeln? Da muss man raus aus den parteitaktischen Spielchen, da muss es um das Interesse ganz Großbritanniens gehen.
Frage: Auf Ihrer Internetseite ist folgender Satz zu lesen: 'Freiheit braucht einen funktionierenden Rechtsstaat, eine unabhängige Justiz und eine freie Presse.' Wenn dieses Zitat keine Plattitüde darstellen soll, müssen Sie den Rechtsstaat in Europa in ernster Gefahr sehen?
Beer: Da gibt es Tendenzen in einzelnen Mitgliedsstaaten. Uns muss umtreiben, dass zum Beispiel der Demokratie-Index des Economist sagt, es gebe nur zehn perfekte Demokratien in der Europäischen Union. Dann haben wir ein breiteres Problem. Deswegen haben wir als Freie Demokraten vorgeschlagen, die Grundrechte- Agentur zu stärken, eine permanente Evaluation in allen Mitgliedsstaaten durchzuführen und bei festgestellten Demokratiedefiziten dann auch unmittelbare Konsequenzen anzuknüpfen.
Frage: Wenn Sie drei Themen benennen sollten, die Ihnen auf europäischer Ebene besonders am Herzen liegen, wären das welche?
Beer: Das wäre zum einen, die Europäische Union grundlegend zu reformieren. Ich glaube, wir müssen schneller entscheiden und handeln - für die Menschen. Das Zweite ist: Ich möchte gerne aus Europa wieder einen Innovationskontinent machen. Wir müssen wieder als Vorreiter stehen für neue Ideen, Technologien, Entwicklungen. Da möchte ich nicht länger zusehen, wie die USA auf der einen und die Chinesen auf der anderen Seite uns abhängen. Die erste Halbzeit haben wir zwar schon verloren, aber ich möchte das Spiel in der zweiten Halbzeit noch gewinnen. Und damit hängt dann drittens auch zusammen, dass wir gemeinsam wieder stärker Normen setzen. Für mich ist die Europäische Union mehr als ein Binnenmarkt. Es geht um eine Wertegemeinschaft. Wir wollen, dass die Europäische Union weltweit auch eine starke Stimme für Frieden, für Abrüstung, für Menschenrechte ist.
Frage: Noch sind Sie in Berlin, sind noch Generalsekretärin der FDP. Sehen Sie dort vielleicht doch noch die Möglichkeit zu einer Jamaika-Koalition vor Ablauf der Legislaturperiode - dann unter Annegret Kramp-Karrenbauer?
Beer: Sagen wir es mal so: Wenn wirklich verlässliche, konkrete Gesprächsangebote dafür vorliegen, auch in Deutschland einen Reformkurs zu organisieren, dann werden wir in diese Diskussion gehen. Dann laufen wir nicht weg - aber wir laufen auch niemandem hinterher. Wir haben ganz klare Vorstellungen, wie man den Stillstand, auch in Deutschland, endlich aufbrechen könnte, und da muss sich dann auch etwas bewegen bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.
Frage: Was wäre das?
Beer: Also: Soli weg, Mittelstandsbauch abschaffen, den Steuertarif im Hinblick auf die kalte Progression verändern, dann muss sich auch etwas tun bei der Bildung. Wir müssen insgesamt mehr investieren in Bildung, in Forschung und Entwicklung. Und dann müssen wir auch im Hinblick auf den Rechtsstaat etwas verändern: Wir brauchen endlich ein Einwanderungsrecht, wirklich mit einem Punktesystem, das Asyl, Flucht und wirtschaftliche Einwanderung klar unterscheidet. Wir wollen damit faire und transparente Regeln aufstellen, wen wir in unseren Arbeitsmarkt einladen.
BEER-Interview: Wir laufen niemandem hinterher
Die FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl, Nicola Beer, gab der „Kreiszeitung“ (Samstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Sommer.
Frage: Wenn Sie noch einmal 16 wären - wo wären Sie dann freitags anzutreffen?
Beer: (Lacht) Erst in der Schule und dann später auf Demonstrationen.
Frage: Und in den Ferien?
Beer: Die dürfen einen nicht davon abhalten, für das einzustehen, was man erreichen will. Ich habe mich ja damals schon engagiert, allerdings ging es da eher um Unterrichtsausfall oder überalterte und fehlende Bücher.
Frage: Sie gehen ausgerechnet in dem Jahr nach Brüssel, in dem ein starker Teil von Europa abbröckelt. Blickt man nach Polen, Italien oder Ungarn - ist das Wegbrechen Großbritanniens erst der Anfang?
Beer: Nein, hoffentlich nicht. Und wenn wir momentan die Lage in Großbritannien betrachten, erhoffe ich mir von den wachsenden Mehrheiten für ein zweites Referendum, dass es möglicherweise noch gelingt, den Exit vom Brexit zu schaffen. Es wäre schön, wenn die Briten sich vor der Europawahl entscheiden könnten, wofür und nicht wogegen sie sind. Sollte bis zur Europawahl keine Entscheidung fallen, müsste Großbritannien an der Wahl teilnehmen und Abgeordnete nach Brüssel schicken.
Frage: Wie gefällt Ihnen die Aussicht, mit britischen Europa-Muffeln im Parlament zusammenarbeiten zu müssen?
Beer: Das werden ja nicht 100 Prozent EU-Muffel sein. Wir erleben die Gesellschaft in Großbritannien als gespalten. Da wird es ebenso sehr starke EU-Befürworter aber auch - Sie haben recht - starke EU-Gegner geben. So wie das momentan läuft, ist das kaum jemandem draußen zu vermitteln. Deswegen sehe ich das durchaus sehr kritisch, dass es jetzt erneut eine Verlängerung gegeben hat.
Frage: Aber der harte Brexit als Alternative?
Beer: Es ist gut, einen harten Brexit auf jeden Fall zu vermeiden, aber wir sollten jetzt auch mal ein Ziel für diese Verlängerung haben: Was will die britische Premierministerin Theresa May mit Labour-Chef Jeremy Corbyn verhandeln? Da muss man raus aus den parteitaktischen Spielchen, da muss es um das Interesse ganz Großbritanniens gehen.
Frage: Auf Ihrer Internetseite ist folgender Satz zu lesen: 'Freiheit braucht einen funktionierenden Rechtsstaat, eine unabhängige Justiz und eine freie Presse.' Wenn dieses Zitat keine Plattitüde darstellen soll, müssen Sie den Rechtsstaat in Europa in ernster Gefahr sehen?
Beer: Da gibt es Tendenzen in einzelnen Mitgliedsstaaten. Uns muss umtreiben, dass zum Beispiel der Demokratie-Index des Economist sagt, es gebe nur zehn perfekte Demokratien in der Europäischen Union. Dann haben wir ein breiteres Problem. Deswegen haben wir als Freie Demokraten vorgeschlagen, die Grundrechte- Agentur zu stärken, eine permanente Evaluation in allen Mitgliedsstaaten durchzuführen und bei festgestellten Demokratiedefiziten dann auch unmittelbare Konsequenzen anzuknüpfen.
Frage: Wenn Sie drei Themen benennen sollten, die Ihnen auf europäischer Ebene besonders am Herzen liegen, wären das welche?
Beer: Das wäre zum einen, die Europäische Union grundlegend zu reformieren. Ich glaube, wir müssen schneller entscheiden und handeln - für die Menschen. Das Zweite ist: Ich möchte gerne aus Europa wieder einen Innovationskontinent machen. Wir müssen wieder als Vorreiter stehen für neue Ideen, Technologien, Entwicklungen. Da möchte ich nicht länger zusehen, wie die USA auf der einen und die Chinesen auf der anderen Seite uns abhängen. Die erste Halbzeit haben wir zwar schon verloren, aber ich möchte das Spiel in der zweiten Halbzeit noch gewinnen. Und damit hängt dann drittens auch zusammen, dass wir gemeinsam wieder stärker Normen setzen. Für mich ist die Europäische Union mehr als ein Binnenmarkt. Es geht um eine Wertegemeinschaft. Wir wollen, dass die Europäische Union weltweit auch eine starke Stimme für Frieden, für Abrüstung, für Menschenrechte ist.
Frage: Noch sind Sie in Berlin, sind noch Generalsekretärin der FDP. Sehen Sie dort vielleicht doch noch die Möglichkeit zu einer Jamaika-Koalition vor Ablauf der Legislaturperiode - dann unter Annegret Kramp-Karrenbauer?
Beer: Sagen wir es mal so: Wenn wirklich verlässliche, konkrete Gesprächsangebote dafür vorliegen, auch in Deutschland einen Reformkurs zu organisieren, dann werden wir in diese Diskussion gehen. Dann laufen wir nicht weg - aber wir laufen auch niemandem hinterher. Wir haben ganz klare Vorstellungen, wie man den Stillstand, auch in Deutschland, endlich aufbrechen könnte, und da muss sich dann auch etwas bewegen bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.
Frage: Was wäre das?
Beer: Also: Soli weg, Mittelstandsbauch abschaffen, den Steuertarif im Hinblick auf die kalte Progression verändern, dann muss sich auch etwas tun bei der Bildung. Wir müssen insgesamt mehr investieren in Bildung, in Forschung und Entwicklung. Und dann müssen wir auch im Hinblick auf den Rechtsstaat etwas verändern: Wir brauchen endlich ein Einwanderungsrecht, wirklich mit einem Punktesystem, das Asyl, Flucht und wirtschaftliche Einwanderung klar unterscheidet. Wir wollen damit faire und transparente Regeln aufstellen, wen wir in unseren Arbeitsmarkt einladen.