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10.01.2019 - 13:15KUBICKI-Interview: Provokation wird zum Stilmittel
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Heinlein.
Frage: Herr Kubicki, wie berechtigt ist die Sorge über die Veränderung, die Verrohung, die Entgrenzung der politischen Auseinandersetzung in Deutschland?
Kubicki: Die Sorge ist berechtigt, dass immer mehr Gewalttaten vorkommen gegen Politiker aller Couleur. Es betrifft ja nicht nur die AfD, sondern auch Sozialdemokraten, Grüne, verbale Attacken auch auf Freie Demokraten. Aber noch einmal: Wir müssen aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Tatsache, dass Robert Habeck Unsinn erzählt hat, hat nichts mit dem Medium zu tun, sondern mit seiner eigenen Gedankenwelt, und die Erklärung, es gäbe eine Verrohung der Sitten, weil es soziale Medien gibt, ist einfach nur absurd. Das Problem ist, dass wir ein Land sind, in dem die Meinungsfreiheit einen hohen Stellenwert hat, geradezu eine tragende Säule unseres Gemeinwesens ist, und diese Meinungsfreiheit ist bis zur Grenze der Strafbarkeit zu ertragen, selbst wenn es Meinungen gibt, die man selbst für ekelhaft hält.
Frage: Wo sind denn die Grenzen der Meinungsfreiheit?
Kubicki: Dort, wo Straftaten begangen werden, dort, wo eine Beleidigung ausgesprochen wird, um Menschen zu diskreditieren beispielsweise, um sie in ihrer Würde, ihrer Persönlichkeit zu verletzen. Auch starke Meinungen dürfen publiziert werden. Wir müssen uns nur daran gewöhnen, dass aus diesen Meinungen heraus keine Legitimation abgeleitet wird, gewalttätig, das heißt durch physische Gewalt gegenüber Menschen anzutreten. Und hier müssen selbstverständlich auch konsequenterweise diejenigen, die Mordaufrufe begehen, die zur Gewalt aufrufen, und diejenigen, die auch Gewalt ausüben, konsequent bestraft werden. Hier hat das Strafrecht eine besondere Funktion, generalpräventiv zu wirken, das heißt diejenigen aus dem Verkehr zu ziehen im wahrsten Wortsinne, die sich an die Regeln nicht mehr halten, dass aus Worten keine Taten folgen können.
Frage: Bröckelt der demokratische Konsens unserer Republik – da warnen ja viele vor –, die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Regeln unserer Gesellschaft? Das heißt, man streitet mit Worten, mit Argumenten, aber nicht mit Fäusten. Gerät das in Gefahr? Wird das tatsächlich nicht mehr von allen geteilt? Oder ist das eine Sorge, die etwas zu hoch gegriffen ist?
Kubicki: Noch einmal: Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Bereitschaft zur Gewalt in Deutschland hat insgesamt zugenommen. Wenn wir uns die Wochenenden anschauen, an denen Fußballspiele stattfinden – das war vor 40 Jahren undenkbar, dass man sich in Stadien begibt, gar nicht mehr, um das Fußballspiel anzuschauen, sondern um sich zu prügeln, um sich zu schlagen. Wir merken das in allen gesellschaftlichen Bereichen. Deshalb muss ja der Rechtsstaat konsequent mit seinen Möglichkeiten dagegen angehen. Aber wenn wir jetzt versuchen zu erklären, dass wir bei jedem Satz uns die Frage stellen müssen, kann das irgendwas auslösen, dann wird die Meinungsfreiheit so eingeschränkt werden, dass dieses Gemeinwesen nicht mehr richtig funktionieren kann. Wir erleben eine Polarisierung. Das ist richtig. Wir erleben, dass Provokation zum Stilmittel wird, insbesondere auch bei der AfD, aber nicht nur bei der AfD. Es wäre verkehrt, das nur dieser Partei zuzuschieben. Aber je polarisierender etwas wird, je emotionaler etwas wird, desto eher steigt auch die Bereitschaft, Gewalt auszuüben. Und in der Frage Magnitz müssen wir erst mal schauen, was ist wirklich der Hintergrund dieses Überfalls gewesen. Es kann ja auch sein, das hat Magnitz selbst mitgeteilt, dass es sich hierbei um den Versuch eines Raubes gehandelt hat. Aber unabhängig davon: Die Tatsache, dass Autos beschmiert werden, die Tatsache, dass Sprengsätze vor Parteibüros bei Linken oder bei der AfD gelegt werden, ist nicht hinzunehmen und ist konsequent zu ahnden und zu verfolgen. Aber wir dürfen jetzt auch nicht so tun, als sei Deutschland kurz davor, dass wir uns in revolutionäre Situationen begeben, wo es nur noch darum geht, auf der Straße mit Fäusten statt mit Argumenten politische Meinungskämpfe auszutragen.
Frage: Herr Kubicki, Sie haben die AfD jetzt mehrfach angesprochen. Tatsache ist ja, dass es vor allem Politiker und Einrichtungen dieser Partei, der AfD sind, die Ziel von Anschlägen und Angriffen sind in letzter Zeit. Hat die AfD recht, wenn sie sagt – wir haben Herrn Gauland gerade gehört –, dass sie Opfer einer Hetzkampagne sind, einer Ausgrenzung in den Medien, aber auch von anderen Parteien?
Kubicki: Sie sind nicht Opfer, sondern sie begeben sich ja selbst auch in diese Rolle. Wer andere provoziert, muss sich nicht darüber wundern, dass auf diese Provokation eine entsprechende Reaktion erfolgt, was keine Gewalt rechtfertigt, sondern verbale Entgleisungen natürlich auch beinhaltet. Wenn ich mir überlege, dass Martin Schulz auch Herrn Gauland auf den Misthaufen der Geschichte gewünscht hat, dann ist dies nichts anderes als die gleiche Ebene, die Herr Gauland auch betreten hat, als er die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung nach Anatolien entsorgen wollte. Das ist wie gesagt eine Ebene, die mir persönlich nicht gefällt, die aber von der Meinungsfreiheit immer auch noch gedeckt ist. Aber die Tatsache, dass die AfD provoziert, die Tatsache, dass übrigens auch andere Parteien gelegentlich provozieren, führt dazu, dass Menschen glauben, sie seien berechtigt, in welchem Interesse auch immer Gewalt gegenüber diesen Personen auszuüben, und das ist nicht akzeptabel. Wir müssen darauf hinweisen, dass unser Gemeinwesen darauf basiert, dass wir uns auseinandersetzen, verbal auseinandersetzen, dass wir Argumente austauschen, dass wir vielleicht auch polemisch sind, dass das aber niemals rechtfertigt, dass Gewalt angewandt wird gegenüber Menschen oder gegenüber Sachen. Deshalb appelliere ich übrigens auch an die andere Seite, so will ich das mal sagen, an die Linken oder an die Sozialdemokraten oder an die Grünen, nicht Gewalt zu verharmlosen, wenn Linke Gewalt ausüben, wenn Linke Häuser besetzen, wenn Linke Molotow-Cocktails schmeißen, wenn Linke dabei sind, Jagt zu machen auf vermeintlich Rechte – in der witzigen Annahme, sie würden damit die Demokratie verteidigen.
Frage: Herr Kubicki, in Ihrem Beritt, im Bundestag – Sie sind Vizepräsident – scheitern bislang alle Versuche der AfD, einen Bundestags-Vizepräsidenten, einen Kollegen von Ihnen zu bekommen. Das ist ein starkes Argument der AfD zu sagen, wir werden von den anderen Parteien ausgegrenzt. Ist das auf Dauer noch zu halten?
Kubicki: Entscheidend ist, dass die Geschäftsordnung vorsieht, dass die Fraktion ein Vorschlagsrecht hat. Aber dieses Vorschlagsrecht ist nur ein Vorschlagsrecht und keine Bestimmung eines Vizepräsidenten. Der oder die Vizepräsidenten müssen gewählt werden von der Mehrheit des Hauses und wir können niemanden im Deutschen Bundestag zwingen, gegen seine eigene Überzeugung für oder gegen etwas zu stimmen. Insofern wäre die AfD vielleicht gut beraten, mal ihr Verhältnis zu den anderen Fraktionen etwas zu verbessern, um dann auch die Chance zu erhalten, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages mit ihrer Mehrheit einen Vizepräsidenten der AfD wählen. Noch einmal: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das ist ein wunderbares altes deutsches Sprichwort. Die AfD provoziert im Deutschen Bundestag sehr massiv die anderen Fraktionen und deshalb wundert mich das nicht, obwohl ich das für sehr bedenklich und auch für bedauerlich halte, dass die Mehrheit des Hauses bisher nicht bereit ist, einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von der AfD zu wählen.
Frage: Es gibt noch ein Sprichwort: Wer Hass säht, wird Gewalt ernten. Stimmt das für die AfD?
Kubicki: Ich darf mal sagen, es ist ja nicht nur die AfD, die Hass säht, wobei der Begriff Hass auch vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist. Auch gegenüber der AfD wird ja in vielfältiger Form gerade auch in den sozialen Medien gehetzt im wahrsten Wortsinn, es sei legitim, alles was rechts ist mit allen Mitteln zu bekämpfen. Auch da müssen wir aufpassen, dass wir nicht glauben, dass diejenigen, die im Bewusstsein einer besseren Moral sind, aus ihrer Sicht heraus die Legitimation entwickeln, gegenüber AfD-Repräsentanten vorzugehen. Solche Erklärungen wie die, ihr gehört nicht zu Deutschland, sind für mich auch inakzeptabel, selbst wenn mir viele Äußerungen der AfD nicht gefallen. Wenn ich viele davon auch eklig finde, ich muss sie ertragen in einem demokratischen Gemeinwesen.
Frage: Noch so ein Spruch, Kieferbruch! Herr Kubicki, das haben Sie gesagt Anfang Dezember in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Gemeint haben Sie den Grünen-Parteichef Anton Hofreiter. Noch so ein Spruch, Kieferbruch! Passt das in ein Klima, wo man jetzt Angst hat vor einer Verrohung der politischen Auseinandersetzung?
Kubicki: Wenn ich das öffentlich äußern würde, oder gegenüber Herrn Hofreiter das erklären würde, oder aus dieser Gedankenwelt Taten folgen würden, dann wäre das extrem bedenklich. Aber das Interview bezog sich auf die Frage, was geht in jemandem vor, wie kann man aggressiv werden, und es ging um ein neues Format bei der „Zeit“ mit dem Stichwort „Verbrechen“. In diesem Zusammenhang habe ich meine subjektiven Empfindungen in einer bestimmten Situation geschildert, die aber nie dazu führen würden, dass aus diesen subjektiven Empfindungen tatsächlich konkrete Taten werden. Dass viele Menschen von uns gelegentlich mal aggressive Gedanken haben, wenn Situationen auftreten, auf die sie so nicht vorbereitet waren, ist selbstverständlich. Aber aus diesen Überlegungen, die in einem selbst passieren, Taten folgen zu lassen, das wäre für mich auch inakzeptabel.
Frage: Würden Sie jetzt nach dem Angriff auf Frank Magnitz in Bremen diesen Spruch noch einmal in einem Interview äußern?
Kubicki: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich habe jedenfalls, nachdem ich festgestellt habe, dass Anton Hofreiter davon sehr betroffen war, mich mit ihm in Verbindung gesetzt, um diese Frage zu klären bei einem Glas Wein. Das zeigt schon, dass Impulse, die ja gelegentlich jeder von uns hat, auch beherrscht werden können, und darauf kommt es im Wesentlichen an.
KUBICKI-Interview: Provokation wird zum Stilmittel
Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Heinlein.
Frage: Herr Kubicki, wie berechtigt ist die Sorge über die Veränderung, die Verrohung, die Entgrenzung der politischen Auseinandersetzung in Deutschland?
Kubicki: Die Sorge ist berechtigt, dass immer mehr Gewalttaten vorkommen gegen Politiker aller Couleur. Es betrifft ja nicht nur die AfD, sondern auch Sozialdemokraten, Grüne, verbale Attacken auch auf Freie Demokraten. Aber noch einmal: Wir müssen aufpassen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Tatsache, dass Robert Habeck Unsinn erzählt hat, hat nichts mit dem Medium zu tun, sondern mit seiner eigenen Gedankenwelt, und die Erklärung, es gäbe eine Verrohung der Sitten, weil es soziale Medien gibt, ist einfach nur absurd. Das Problem ist, dass wir ein Land sind, in dem die Meinungsfreiheit einen hohen Stellenwert hat, geradezu eine tragende Säule unseres Gemeinwesens ist, und diese Meinungsfreiheit ist bis zur Grenze der Strafbarkeit zu ertragen, selbst wenn es Meinungen gibt, die man selbst für ekelhaft hält.
Frage: Wo sind denn die Grenzen der Meinungsfreiheit?
Kubicki: Dort, wo Straftaten begangen werden, dort, wo eine Beleidigung ausgesprochen wird, um Menschen zu diskreditieren beispielsweise, um sie in ihrer Würde, ihrer Persönlichkeit zu verletzen. Auch starke Meinungen dürfen publiziert werden. Wir müssen uns nur daran gewöhnen, dass aus diesen Meinungen heraus keine Legitimation abgeleitet wird, gewalttätig, das heißt durch physische Gewalt gegenüber Menschen anzutreten. Und hier müssen selbstverständlich auch konsequenterweise diejenigen, die Mordaufrufe begehen, die zur Gewalt aufrufen, und diejenigen, die auch Gewalt ausüben, konsequent bestraft werden. Hier hat das Strafrecht eine besondere Funktion, generalpräventiv zu wirken, das heißt diejenigen aus dem Verkehr zu ziehen im wahrsten Wortsinne, die sich an die Regeln nicht mehr halten, dass aus Worten keine Taten folgen können.
Frage: Bröckelt der demokratische Konsens unserer Republik – da warnen ja viele vor –, die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Regeln unserer Gesellschaft? Das heißt, man streitet mit Worten, mit Argumenten, aber nicht mit Fäusten. Gerät das in Gefahr? Wird das tatsächlich nicht mehr von allen geteilt? Oder ist das eine Sorge, die etwas zu hoch gegriffen ist?
Kubicki: Noch einmal: Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Bereitschaft zur Gewalt in Deutschland hat insgesamt zugenommen. Wenn wir uns die Wochenenden anschauen, an denen Fußballspiele stattfinden – das war vor 40 Jahren undenkbar, dass man sich in Stadien begibt, gar nicht mehr, um das Fußballspiel anzuschauen, sondern um sich zu prügeln, um sich zu schlagen. Wir merken das in allen gesellschaftlichen Bereichen. Deshalb muss ja der Rechtsstaat konsequent mit seinen Möglichkeiten dagegen angehen. Aber wenn wir jetzt versuchen zu erklären, dass wir bei jedem Satz uns die Frage stellen müssen, kann das irgendwas auslösen, dann wird die Meinungsfreiheit so eingeschränkt werden, dass dieses Gemeinwesen nicht mehr richtig funktionieren kann. Wir erleben eine Polarisierung. Das ist richtig. Wir erleben, dass Provokation zum Stilmittel wird, insbesondere auch bei der AfD, aber nicht nur bei der AfD. Es wäre verkehrt, das nur dieser Partei zuzuschieben. Aber je polarisierender etwas wird, je emotionaler etwas wird, desto eher steigt auch die Bereitschaft, Gewalt auszuüben. Und in der Frage Magnitz müssen wir erst mal schauen, was ist wirklich der Hintergrund dieses Überfalls gewesen. Es kann ja auch sein, das hat Magnitz selbst mitgeteilt, dass es sich hierbei um den Versuch eines Raubes gehandelt hat. Aber unabhängig davon: Die Tatsache, dass Autos beschmiert werden, die Tatsache, dass Sprengsätze vor Parteibüros bei Linken oder bei der AfD gelegt werden, ist nicht hinzunehmen und ist konsequent zu ahnden und zu verfolgen. Aber wir dürfen jetzt auch nicht so tun, als sei Deutschland kurz davor, dass wir uns in revolutionäre Situationen begeben, wo es nur noch darum geht, auf der Straße mit Fäusten statt mit Argumenten politische Meinungskämpfe auszutragen.
Frage: Herr Kubicki, Sie haben die AfD jetzt mehrfach angesprochen. Tatsache ist ja, dass es vor allem Politiker und Einrichtungen dieser Partei, der AfD sind, die Ziel von Anschlägen und Angriffen sind in letzter Zeit. Hat die AfD recht, wenn sie sagt – wir haben Herrn Gauland gerade gehört –, dass sie Opfer einer Hetzkampagne sind, einer Ausgrenzung in den Medien, aber auch von anderen Parteien?
Kubicki: Sie sind nicht Opfer, sondern sie begeben sich ja selbst auch in diese Rolle. Wer andere provoziert, muss sich nicht darüber wundern, dass auf diese Provokation eine entsprechende Reaktion erfolgt, was keine Gewalt rechtfertigt, sondern verbale Entgleisungen natürlich auch beinhaltet. Wenn ich mir überlege, dass Martin Schulz auch Herrn Gauland auf den Misthaufen der Geschichte gewünscht hat, dann ist dies nichts anderes als die gleiche Ebene, die Herr Gauland auch betreten hat, als er die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung nach Anatolien entsorgen wollte. Das ist wie gesagt eine Ebene, die mir persönlich nicht gefällt, die aber von der Meinungsfreiheit immer auch noch gedeckt ist. Aber die Tatsache, dass die AfD provoziert, die Tatsache, dass übrigens auch andere Parteien gelegentlich provozieren, führt dazu, dass Menschen glauben, sie seien berechtigt, in welchem Interesse auch immer Gewalt gegenüber diesen Personen auszuüben, und das ist nicht akzeptabel. Wir müssen darauf hinweisen, dass unser Gemeinwesen darauf basiert, dass wir uns auseinandersetzen, verbal auseinandersetzen, dass wir Argumente austauschen, dass wir vielleicht auch polemisch sind, dass das aber niemals rechtfertigt, dass Gewalt angewandt wird gegenüber Menschen oder gegenüber Sachen. Deshalb appelliere ich übrigens auch an die andere Seite, so will ich das mal sagen, an die Linken oder an die Sozialdemokraten oder an die Grünen, nicht Gewalt zu verharmlosen, wenn Linke Gewalt ausüben, wenn Linke Häuser besetzen, wenn Linke Molotow-Cocktails schmeißen, wenn Linke dabei sind, Jagt zu machen auf vermeintlich Rechte – in der witzigen Annahme, sie würden damit die Demokratie verteidigen.
Frage: Herr Kubicki, in Ihrem Beritt, im Bundestag – Sie sind Vizepräsident – scheitern bislang alle Versuche der AfD, einen Bundestags-Vizepräsidenten, einen Kollegen von Ihnen zu bekommen. Das ist ein starkes Argument der AfD zu sagen, wir werden von den anderen Parteien ausgegrenzt. Ist das auf Dauer noch zu halten?
Kubicki: Entscheidend ist, dass die Geschäftsordnung vorsieht, dass die Fraktion ein Vorschlagsrecht hat. Aber dieses Vorschlagsrecht ist nur ein Vorschlagsrecht und keine Bestimmung eines Vizepräsidenten. Der oder die Vizepräsidenten müssen gewählt werden von der Mehrheit des Hauses und wir können niemanden im Deutschen Bundestag zwingen, gegen seine eigene Überzeugung für oder gegen etwas zu stimmen. Insofern wäre die AfD vielleicht gut beraten, mal ihr Verhältnis zu den anderen Fraktionen etwas zu verbessern, um dann auch die Chance zu erhalten, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages mit ihrer Mehrheit einen Vizepräsidenten der AfD wählen. Noch einmal: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das ist ein wunderbares altes deutsches Sprichwort. Die AfD provoziert im Deutschen Bundestag sehr massiv die anderen Fraktionen und deshalb wundert mich das nicht, obwohl ich das für sehr bedenklich und auch für bedauerlich halte, dass die Mehrheit des Hauses bisher nicht bereit ist, einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von der AfD zu wählen.
Frage: Es gibt noch ein Sprichwort: Wer Hass säht, wird Gewalt ernten. Stimmt das für die AfD?
Kubicki: Ich darf mal sagen, es ist ja nicht nur die AfD, die Hass säht, wobei der Begriff Hass auch vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist. Auch gegenüber der AfD wird ja in vielfältiger Form gerade auch in den sozialen Medien gehetzt im wahrsten Wortsinn, es sei legitim, alles was rechts ist mit allen Mitteln zu bekämpfen. Auch da müssen wir aufpassen, dass wir nicht glauben, dass diejenigen, die im Bewusstsein einer besseren Moral sind, aus ihrer Sicht heraus die Legitimation entwickeln, gegenüber AfD-Repräsentanten vorzugehen. Solche Erklärungen wie die, ihr gehört nicht zu Deutschland, sind für mich auch inakzeptabel, selbst wenn mir viele Äußerungen der AfD nicht gefallen. Wenn ich viele davon auch eklig finde, ich muss sie ertragen in einem demokratischen Gemeinwesen.
Frage: Noch so ein Spruch, Kieferbruch! Herr Kubicki, das haben Sie gesagt Anfang Dezember in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Gemeint haben Sie den Grünen-Parteichef Anton Hofreiter. Noch so ein Spruch, Kieferbruch! Passt das in ein Klima, wo man jetzt Angst hat vor einer Verrohung der politischen Auseinandersetzung?
Kubicki: Wenn ich das öffentlich äußern würde, oder gegenüber Herrn Hofreiter das erklären würde, oder aus dieser Gedankenwelt Taten folgen würden, dann wäre das extrem bedenklich. Aber das Interview bezog sich auf die Frage, was geht in jemandem vor, wie kann man aggressiv werden, und es ging um ein neues Format bei der „Zeit“ mit dem Stichwort „Verbrechen“. In diesem Zusammenhang habe ich meine subjektiven Empfindungen in einer bestimmten Situation geschildert, die aber nie dazu führen würden, dass aus diesen subjektiven Empfindungen tatsächlich konkrete Taten werden. Dass viele Menschen von uns gelegentlich mal aggressive Gedanken haben, wenn Situationen auftreten, auf die sie so nicht vorbereitet waren, ist selbstverständlich. Aber aus diesen Überlegungen, die in einem selbst passieren, Taten folgen zu lassen, das wäre für mich auch inakzeptabel.
Frage: Würden Sie jetzt nach dem Angriff auf Frank Magnitz in Bremen diesen Spruch noch einmal in einem Interview äußern?
Kubicki: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich habe jedenfalls, nachdem ich festgestellt habe, dass Anton Hofreiter davon sehr betroffen war, mich mit ihm in Verbindung gesetzt, um diese Frage zu klären bei einem Glas Wein. Das zeigt schon, dass Impulse, die ja gelegentlich jeder von uns hat, auch beherrscht werden können, und darauf kommt es im Wesentlichen an.