Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding gab der „WELT am Sonntag“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Jana Werner.
Frage: Frau Suding, Ihr Parteichef Christian Lindner hat angeboten, enttäuschte Anhänger des gescheiterten CDU-Kandidaten Friedrich Merz in der FDP aufzunehmen. Wie viele sind diesem Lockruf schon gefolgt?
Suding: Dazu liegen uns noch keine Zahlen vor. Aber natürlich sind wir für viele enttäuschte CDU-Anhänger eine gute Alternative, und zwar nicht erst seit dem letzten Wochenende. Wir stehen für wirtschaftliche Vernunft und die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, die man bei der CDU vergeblich sucht. Wir setzen uns ein für ein leistungsfähiges Bildungssystem genauso wie für gesellschaftlichen Fortschritt. Annegret Kramp-Karrenbauer dagegen vertritt in der Wirtschaftspolitik eher linke Positionen und ist gesellschaftspolitisch konservativ. So hat sie die Ehe für alle wegen angeblich drohender Gefahr von Inzest und Polygamie abgelehnt.
Frage: Das konservative Profil von AKK macht die FDP also wieder sichtbarer.
Suding: Die CDU hat seit Langem eine offene Flanke, die durch die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer noch mal deutlich sichtbar wurde. Uns Freien Demokraten bietet das neue Chancen, uns noch wahrnehmbarer als Partei der wirtschaftlichen Vernunft, besten Bildung und gesellschaftlichen Offenheit zu positionieren.
Frage: Welche konkreten Angebote machen Sie enttäuschten Christdemokraten?
Suding: Wir richten uns mit unserem Programm natürlich nicht ausschließlich an enttäuschte Christdemokraten, auch wenn die gerade händeringend nach einer neuen Heimat suchen. Wir sprechen aber zum Beispiel diejenigen an, die einen modernen Bildungsföderalismus wollen, der einen vernünftigen Wettbewerb zwischen den Ländern durch bundesweit einheitliche, ambitionierte Standards überhaupt erst möglich macht. Deshalb muss die Grundgesetzänderung möglichst schnell auch im Bundesrat beschlossen werden. Ohne die wird auch der Digitalpakt Schule nicht starten können, auf den die Schulen schon so lange vergeblich warten.
Frage: Wo aber bleibt der liberale Paukenschlag als jene letzte Partei, in der sich konservative Demokraten zu Hause fühlen könnten?
Suding: Uns geht es nicht um einen Paukenschlag, sondern um verlässliche Politik und ein Gesamtkonzept. Bei uns fühlen sich freiheitlich denkende Menschen zu Hause, die allen Kindern unabhängig von ihrer Herkunft Chancen durch beste Bildung ermöglichen wollen. Wichtig ist uns auch das lebenslange Lernen, gerade im Hinblick auf die Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung. Wir brauchen endlich ein Einwanderungsgesetz, um Ordnung in das Chaos bei der Migration zu bringen. Wir müssen die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, die offenbar ein wenig aus der Mode gekommen sind, wieder stärken. Der Staat kann nur das ausgeben, was er vorher eingenommen hat. Wir brauchen insgesamt wieder mehr rationale Argumente, die die Politik bestimmen, auch bei den Themen Diesel und Klima.
Frage: Das setzt voraus, dass die FDP noch eine attraktive Anlaufstelle für die Wähler ist. Doch die Stimmen mehren sich, wonach die Liberalen nach ihrem Wiedereinzug in den Bundestag in einen Winterschlaf gefallen sind.
Suding: Das sehe ich nicht. Richtig ist, dass es einige Mühe gekostet hat, unseren Ausstieg aus den Jamaika-Sondierungen verständlich zu machen. Nach wochenlangen Verhandlungen war klar, dass in der damaligen Konstellation keine Trendwenden in der Bildungs-, Steuer-, Klima und Europapolitik zu erreichen waren - so, wie wir es im Wahlkampf zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung gemacht hatten. Ich verstehe, dass unser Schritt die Wähler enttäuscht hat. Auch ich hätte lieber mitregiert. Unsere Entscheidung war aber richtig, weil wir auch nach der Wahl zu dem gestanden haben, was wir vor der Wahl versprochen hatten. Jetzt machen wir Politik aus der Opposition heraus, die per se weniger sichtbar ist als in einer Regierung. Dennoch ist es wichtig, und das zeigt die aktuelle Koalition, dass wir als Opposition Dampf machen.
Frage: Merkwürdig ist aber, dass Ihre Partei seit der Rückkehr in den Bundestag weniger auffällt als in den vier Jahren davor, als sie draußen bleiben musste.
Suding: Auch das sehe ich nicht so. Aber richtig ist auch, dass der desolate Auftritt der Bundesregierang spätestens seit März dieses Jahres die Schlagzeilen beherrscht hat. Das Land stand mehrfach am Rande eines Koalitionsbruches. Ich würde auch viel lieber über Sachpolitik sprechen, aber der Streit innerhalb der Großen Koalition hat alles andere überlagert. Es ist aber absolut richtig, dass wir nicht der Versuchung erliegen, populistisch mitzumischen, um häufiger in die Schlagzeilen zu kommen. Wir liefern Sachargumente, das erzeugt nicht immer die größte Aufmerksamkeit. Umfragen sehen uns übrigens weiter bei zehn Prozent.
Frage: Wahrnehmbar sind die Liberalen auch in Hamburg kaum, seit Sie von der Bürgerschaft in den Bundestag gewechselt sind.
Suding: Auch in Berlin lese ich Hamburger Tageszeitungen und darin sehr viel über die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft. Die Fraktion mit Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse an der Spitze ist sehr sichtbar und erfolgreich.
Frage: Wer von den beiden wird FDP-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2020?
Suding: Die beiden werden dafür gemeinsam mit mir als Landesvorsitzende bis zum Sommer 2019 einen Vorschlag vorlegen. Über diesen und weitere, wenn es denn welche gibt, entscheidet die Partei im nächsten September.
Frage: Und welche Rolle werden Sie im Wahlkampf spielen?
Suding: Als Landesvorsitzende bin ich für den Wahlkampf verantwortlich. Das Gesicht nach außen werden die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat sein.
Frage: Mit welchen Inhalten will die FDP den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen - etwas, was in Hamburg nicht einfach ist?
Suding: Bei den letzten beiden Bürgerschaftswahlen haben wir das unter jeweils sehr schwierigen Bedingungen geschafft, indem wir auf unsere Kernthemen Wirtschaft, Bildung und Verkehr gesetzt haben. Diese Themen gehören nach wie vor zu den wichtigsten für Hamburg.
Frage: Sie wissen aus eigener Erfahrung aber auch, dass ein erfolgreicher Wahlkampf wesentlich von Köpfen abhängt. Haben Treuenfels-Frowein und Kruse wirklich das Potenzial für eine Spitzenkandidatur?
Suding: Definitiv. Seit die Fraktion 2on in die Bürgerschaft zurückgekehrt ist, hat sie sich profiliert. Sowohl Anna von Treuenfels- Frowein als auch Michael Kruse haben sich nicht erst als Fraktionsvorsitzende einen Namen gemacht. Ihre Bekanntheit ist höher als die des mutmaßlichen Oppositionsführers. Sie haben ihre Themen, ihre Ausstrahlung und machen ihren Job hervorragend.
Frage: Hamburgs SPD-Landeschefin Melanie Leonhard möchte im Wahlkampf keine Koalitionsaussage machen. Das könnte ein Angebot an die FDP sein.
Suding: Ich habe das aufmerksam gelesen. Aus einer laufenden Koalition heraus keine Bündnispräferenz zu treffen, belegt die Spannung und Unzufriedenheit zwischen Rot-Grün in Hamburg. Dass die Sozialdemokraten sich offensichtlich umschauen, wen es da noch so gibt, werte ich als Fingerzeig in Richtung der Freien Demokraten. Seit Jahren bestehen intensive Gesprächskontakte. Aber im Februar 2020. Da könnte sie sich stellen, und da werde ich sie beantworten.
Frage: Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten mit den Genossen, wo Unterschiede?
Suding: Mit den Sozialdemokraten in Hamburg kann man reden. Auch wenn es viele Unterschiede gibt. Eine Reform der Grundsteuer, die Hamburg mit der ohnehin angespannten Wohnsituationen noch stärker belastet, wird es mit uns nicht geben. In Sachen Verkehr hingegen würde die SPD ohne die Grünen und stattdessen mit uns gewiss zu einer rationaleren und fortschrittlichen Politik finden.
Frage: Würden Sie als Senatorin zurück nach Hamburg kommen?
Suding: Die Frage stellt sich gerade nicht.
Frage: Aber im Februar 2020.
Suding: Da könnte sie sich stellen, und da werde ich sie beantworten.
SUDING-Interview: Verlässliche Politik statt Paukenschläge
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding gab der „WELT am Sonntag“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Jana Werner.
Frage: Frau Suding, Ihr Parteichef Christian Lindner hat angeboten, enttäuschte Anhänger des gescheiterten CDU-Kandidaten Friedrich Merz in der FDP aufzunehmen. Wie viele sind diesem Lockruf schon gefolgt?
Suding: Dazu liegen uns noch keine Zahlen vor. Aber natürlich sind wir für viele enttäuschte CDU-Anhänger eine gute Alternative, und zwar nicht erst seit dem letzten Wochenende. Wir stehen für wirtschaftliche Vernunft und die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, die man bei der CDU vergeblich sucht. Wir setzen uns ein für ein leistungsfähiges Bildungssystem genauso wie für gesellschaftlichen Fortschritt. Annegret Kramp-Karrenbauer dagegen vertritt in der Wirtschaftspolitik eher linke Positionen und ist gesellschaftspolitisch konservativ. So hat sie die Ehe für alle wegen angeblich drohender Gefahr von Inzest und Polygamie abgelehnt.
Frage: Das konservative Profil von AKK macht die FDP also wieder sichtbarer.
Suding: Die CDU hat seit Langem eine offene Flanke, die durch die Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer noch mal deutlich sichtbar wurde. Uns Freien Demokraten bietet das neue Chancen, uns noch wahrnehmbarer als Partei der wirtschaftlichen Vernunft, besten Bildung und gesellschaftlichen Offenheit zu positionieren.
Frage: Welche konkreten Angebote machen Sie enttäuschten Christdemokraten?
Suding: Wir richten uns mit unserem Programm natürlich nicht ausschließlich an enttäuschte Christdemokraten, auch wenn die gerade händeringend nach einer neuen Heimat suchen. Wir sprechen aber zum Beispiel diejenigen an, die einen modernen Bildungsföderalismus wollen, der einen vernünftigen Wettbewerb zwischen den Ländern durch bundesweit einheitliche, ambitionierte Standards überhaupt erst möglich macht. Deshalb muss die Grundgesetzänderung möglichst schnell auch im Bundesrat beschlossen werden. Ohne die wird auch der Digitalpakt Schule nicht starten können, auf den die Schulen schon so lange vergeblich warten.
Frage: Wo aber bleibt der liberale Paukenschlag als jene letzte Partei, in der sich konservative Demokraten zu Hause fühlen könnten?
Suding: Uns geht es nicht um einen Paukenschlag, sondern um verlässliche Politik und ein Gesamtkonzept. Bei uns fühlen sich freiheitlich denkende Menschen zu Hause, die allen Kindern unabhängig von ihrer Herkunft Chancen durch beste Bildung ermöglichen wollen. Wichtig ist uns auch das lebenslange Lernen, gerade im Hinblick auf die Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung. Wir brauchen endlich ein Einwanderungsgesetz, um Ordnung in das Chaos bei der Migration zu bringen. Wir müssen die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, die offenbar ein wenig aus der Mode gekommen sind, wieder stärken. Der Staat kann nur das ausgeben, was er vorher eingenommen hat. Wir brauchen insgesamt wieder mehr rationale Argumente, die die Politik bestimmen, auch bei den Themen Diesel und Klima.
Frage: Das setzt voraus, dass die FDP noch eine attraktive Anlaufstelle für die Wähler ist. Doch die Stimmen mehren sich, wonach die Liberalen nach ihrem Wiedereinzug in den Bundestag in einen Winterschlaf gefallen sind.
Suding: Das sehe ich nicht. Richtig ist, dass es einige Mühe gekostet hat, unseren Ausstieg aus den Jamaika-Sondierungen verständlich zu machen. Nach wochenlangen Verhandlungen war klar, dass in der damaligen Konstellation keine Trendwenden in der Bildungs-, Steuer-, Klima und Europapolitik zu erreichen waren - so, wie wir es im Wahlkampf zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung gemacht hatten. Ich verstehe, dass unser Schritt die Wähler enttäuscht hat. Auch ich hätte lieber mitregiert. Unsere Entscheidung war aber richtig, weil wir auch nach der Wahl zu dem gestanden haben, was wir vor der Wahl versprochen hatten. Jetzt machen wir Politik aus der Opposition heraus, die per se weniger sichtbar ist als in einer Regierung. Dennoch ist es wichtig, und das zeigt die aktuelle Koalition, dass wir als Opposition Dampf machen.
Frage: Merkwürdig ist aber, dass Ihre Partei seit der Rückkehr in den Bundestag weniger auffällt als in den vier Jahren davor, als sie draußen bleiben musste.
Suding: Auch das sehe ich nicht so. Aber richtig ist auch, dass der desolate Auftritt der Bundesregierang spätestens seit März dieses Jahres die Schlagzeilen beherrscht hat. Das Land stand mehrfach am Rande eines Koalitionsbruches. Ich würde auch viel lieber über Sachpolitik sprechen, aber der Streit innerhalb der Großen Koalition hat alles andere überlagert. Es ist aber absolut richtig, dass wir nicht der Versuchung erliegen, populistisch mitzumischen, um häufiger in die Schlagzeilen zu kommen. Wir liefern Sachargumente, das erzeugt nicht immer die größte Aufmerksamkeit. Umfragen sehen uns übrigens weiter bei zehn Prozent.
Frage: Wahrnehmbar sind die Liberalen auch in Hamburg kaum, seit Sie von der Bürgerschaft in den Bundestag gewechselt sind.
Suding: Auch in Berlin lese ich Hamburger Tageszeitungen und darin sehr viel über die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft. Die Fraktion mit Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse an der Spitze ist sehr sichtbar und erfolgreich.
Frage: Wer von den beiden wird FDP-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2020?
Suding: Die beiden werden dafür gemeinsam mit mir als Landesvorsitzende bis zum Sommer 2019 einen Vorschlag vorlegen. Über diesen und weitere, wenn es denn welche gibt, entscheidet die Partei im nächsten September.
Frage: Und welche Rolle werden Sie im Wahlkampf spielen?
Suding: Als Landesvorsitzende bin ich für den Wahlkampf verantwortlich. Das Gesicht nach außen werden die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat sein.
Frage: Mit welchen Inhalten will die FDP den Sprung über die Fünfprozenthürde schaffen - etwas, was in Hamburg nicht einfach ist?
Suding: Bei den letzten beiden Bürgerschaftswahlen haben wir das unter jeweils sehr schwierigen Bedingungen geschafft, indem wir auf unsere Kernthemen Wirtschaft, Bildung und Verkehr gesetzt haben. Diese Themen gehören nach wie vor zu den wichtigsten für Hamburg.
Frage: Sie wissen aus eigener Erfahrung aber auch, dass ein erfolgreicher Wahlkampf wesentlich von Köpfen abhängt. Haben Treuenfels-Frowein und Kruse wirklich das Potenzial für eine Spitzenkandidatur?
Suding: Definitiv. Seit die Fraktion 2on in die Bürgerschaft zurückgekehrt ist, hat sie sich profiliert. Sowohl Anna von Treuenfels- Frowein als auch Michael Kruse haben sich nicht erst als Fraktionsvorsitzende einen Namen gemacht. Ihre Bekanntheit ist höher als die des mutmaßlichen Oppositionsführers. Sie haben ihre Themen, ihre Ausstrahlung und machen ihren Job hervorragend.
Frage: Hamburgs SPD-Landeschefin Melanie Leonhard möchte im Wahlkampf keine Koalitionsaussage machen. Das könnte ein Angebot an die FDP sein.
Suding: Ich habe das aufmerksam gelesen. Aus einer laufenden Koalition heraus keine Bündnispräferenz zu treffen, belegt die Spannung und Unzufriedenheit zwischen Rot-Grün in Hamburg. Dass die Sozialdemokraten sich offensichtlich umschauen, wen es da noch so gibt, werte ich als Fingerzeig in Richtung der Freien Demokraten. Seit Jahren bestehen intensive Gesprächskontakte. Aber im Februar 2020. Da könnte sie sich stellen, und da werde ich sie beantworten.
Frage: Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten mit den Genossen, wo Unterschiede?
Suding: Mit den Sozialdemokraten in Hamburg kann man reden. Auch wenn es viele Unterschiede gibt. Eine Reform der Grundsteuer, die Hamburg mit der ohnehin angespannten Wohnsituationen noch stärker belastet, wird es mit uns nicht geben. In Sachen Verkehr hingegen würde die SPD ohne die Grünen und stattdessen mit uns gewiss zu einer rationaleren und fortschrittlichen Politik finden.
Frage: Würden Sie als Senatorin zurück nach Hamburg kommen?
Suding: Die Frage stellt sich gerade nicht.
Frage: Aber im Februar 2020.
Suding: Da könnte sie sich stellen, und da werde ich sie beantworten.