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12.10.2018 - 09:45HAGEN-Interview: Die CSU braucht einen Aufpasser an ihrer Seite
Der FDP-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Bayern, Martin Hagen, gab der „Welt“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Niewendick.
Frage: In Anlehnung an den US-Ökonomen Richard Florida setzen Sie im Wahlkampf auf die drei Schwerpunkt „Talent, Technologie und Toleranz“. Wie tolerant ist Bayern?
Hagen: Toleranz gehört zur bayerischen Seele: leben und leben lassen. Die Politik in Bayern muss eigentlich nur so werden, wie die Menschen hier schon sind. Studien zeigen, dass die Bayern in vielen Fragen fortschrittlicher denken als ihre Staatsregierung. Ich möchte, dass Bayern liberal und weltoffen bleibt.
Frage: Sie haben einmal gesagt, die CSU-Führung bestehe aus „Scharfmachern, Geisterfahrern und breitbeinigen Alphamännchen“. Warum wollen Sie mit Leuten wie Parteichef Horst Seehofer oder Ministerpräsident Markus Söder regieren?
Hagen: Ich glaube nicht, dass die CSU nach der zu erwartenden Wahlniederlage am Sonntag die Gleiche bleiben wird. Wir werden Wechsel an der Spitze erleben. Horst Seehofer ist angezählt, ob Markus Söder sich halten kann, ist fraglich. Die vernünftigen Kräfte werden hoffentlich an Einfluss gewinnen. Aber unabhängig davon: Die CSU sollte nicht mehr allein regieren – sie braucht dringend einen Aufpasser an ihrer Seite.
Frage: Sie wirkten in der Vergangenheit genervt vom Flüchtlingsthema. Was sind andere wichtige Probleme Bayerns?
Hagen: Von Menschen in den Ballungsräumen höre ich, das wichtigste Thema sei bezahlbarer Wohnraum ...
Frage: … Sie sind für sozialen Wohnungsbau, was keine urliberale Forderung ist.
Hagen: In der Frage bin ich pragmatisch und nicht ideologisch. Wenn es Wohnungsmangel gibt – und den gibt es bei uns – muss auch der Staat bauen. Momentan ist er aber Teil des Problems: Er ist schuld daran, dass Bauen zu teuer ist, weil er immer strengere Auflagen und höhere Standards schafft, etwa im Bereich der Wärmedämmung. Außerdem weist er zu wenig Wohngebiete aus und lässt nicht zu, dass in den Städten in die Höhe gebaut wird. Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen in Sozialwohnungen leben, die eigentlich nicht bedürftig sind. Auch das muss sich ändern.
Frage: Welche anderen Probleme gibt es im Freistaat?
Hagen: Unternehmer sagen mir, ihre Probleme seien digitale Infrastruktur und Fachkräftemangel. Familien sorgen sich um Kinderbetreuung und Bildungspolitik. Ich will die Flüchtlingspolitik aber nicht kleinreden: Wir müssen Ordnung in das Flüchtlingschaos bringen, aber ohne Ängste zu schüren.
Frage: Dies tut nach Ansicht vieler die AfD. Wie wollen Sie deren Wähler erreichen?
Hagen: Ich sehe die Partei nicht als unseren Hauptkonkurrenten an, da sie mit uns recht wenig gemein hat. Die AfD steht für Abschottung und Nationalismus. Wir stehen für Weltoffenheit und Freihandel. Sie spielen in der Migrationsfrage mit Ressentiments, wir wollen Probleme lösen.
Frage: Aber was ist mit den AfD-Wählern?
Hagen: Unter den 12 Prozent AfD-Wählern in Bayern gibt es vielleicht sechs Prozent, die diese Partei aus Protest wählen. Und die kann man zurückgewinnen. Ich verstehe, wenn Leute von der Bundespolitik gefrustet sind, mir geht es ja genauso. Die anderen sechs Prozent, der harte rechte Kern, die sind für uns nicht erreichbar, weil sich unser Weltbild massiv unterscheidet.
Frage: Näher an Ihrem Weltbild sind die Freien Wähler, mit denen Sie um liberale Wähler konkurrieren. Was macht Ihre Partei besser?
Hagen: Den Freien Wählern fehlt ein klarer Kompass. Ich weiß nicht, wofür sie stehen. Sie sind erfolgreich, weil sie in den Kommunen stark verwurzelt sind. Ihre Gemeinde- und Landräte machen oft einen pragmatischen, guten Job – aber bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen diese oft selbst nicht mal die eigene Partei. Die Freien Wähler sind eine reine Regionalpartei. Bayern muss aber auch im Bund bayerische Interessen vertreten. Darum braucht es in der Regierung eine Partei, die auch im Bundestag und in anderen Landtagen Politik gestaltet und die entsprechende Erfahrung hat.
Frage: Was ist Ihre Wunschkoalition?
Hagen: Eine Schwarz-Gelbe. Aber das wird wohl nicht reichen, wir werden möglicherweise einen dritten Partner brauchen. Am Ende wird es auf zwei Alternativen hinauslaufen: Schwarz-Grün, oder eine Dreierkoalition mit der FDP.
Frage: Wen bevorzugen Sie als Partner?
Hagen: Die meisten inhaltlichen Schnittmengen gibt es vermutlich mit den Freien Wählern.
Frage: Sie haben als Ziel acht Prozent für die FDP genannt. Glauben Sie daran?
Hagen: Natürlich. In Umfragen liegen wir bei sechs Prozent. 50 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen: Es ist noch alles drin.
HAGEN-Interview: Die CSU braucht einen Aufpasser an ihrer Seite
Der FDP-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Bayern, Martin Hagen, gab der „Welt“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Niewendick.
Frage: In Anlehnung an den US-Ökonomen Richard Florida setzen Sie im Wahlkampf auf die drei Schwerpunkt „Talent, Technologie und Toleranz“. Wie tolerant ist Bayern?
Hagen: Toleranz gehört zur bayerischen Seele: leben und leben lassen. Die Politik in Bayern muss eigentlich nur so werden, wie die Menschen hier schon sind. Studien zeigen, dass die Bayern in vielen Fragen fortschrittlicher denken als ihre Staatsregierung. Ich möchte, dass Bayern liberal und weltoffen bleibt.
Frage: Sie haben einmal gesagt, die CSU-Führung bestehe aus „Scharfmachern, Geisterfahrern und breitbeinigen Alphamännchen“. Warum wollen Sie mit Leuten wie Parteichef Horst Seehofer oder Ministerpräsident Markus Söder regieren?
Hagen: Ich glaube nicht, dass die CSU nach der zu erwartenden Wahlniederlage am Sonntag die Gleiche bleiben wird. Wir werden Wechsel an der Spitze erleben. Horst Seehofer ist angezählt, ob Markus Söder sich halten kann, ist fraglich. Die vernünftigen Kräfte werden hoffentlich an Einfluss gewinnen. Aber unabhängig davon: Die CSU sollte nicht mehr allein regieren – sie braucht dringend einen Aufpasser an ihrer Seite.
Frage: Sie wirkten in der Vergangenheit genervt vom Flüchtlingsthema. Was sind andere wichtige Probleme Bayerns?
Hagen: Von Menschen in den Ballungsräumen höre ich, das wichtigste Thema sei bezahlbarer Wohnraum ...
Frage: … Sie sind für sozialen Wohnungsbau, was keine urliberale Forderung ist.
Hagen: In der Frage bin ich pragmatisch und nicht ideologisch. Wenn es Wohnungsmangel gibt – und den gibt es bei uns – muss auch der Staat bauen. Momentan ist er aber Teil des Problems: Er ist schuld daran, dass Bauen zu teuer ist, weil er immer strengere Auflagen und höhere Standards schafft, etwa im Bereich der Wärmedämmung. Außerdem weist er zu wenig Wohngebiete aus und lässt nicht zu, dass in den Städten in die Höhe gebaut wird. Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen in Sozialwohnungen leben, die eigentlich nicht bedürftig sind. Auch das muss sich ändern.
Frage: Welche anderen Probleme gibt es im Freistaat?
Hagen: Unternehmer sagen mir, ihre Probleme seien digitale Infrastruktur und Fachkräftemangel. Familien sorgen sich um Kinderbetreuung und Bildungspolitik. Ich will die Flüchtlingspolitik aber nicht kleinreden: Wir müssen Ordnung in das Flüchtlingschaos bringen, aber ohne Ängste zu schüren.
Frage: Dies tut nach Ansicht vieler die AfD. Wie wollen Sie deren Wähler erreichen?
Hagen: Ich sehe die Partei nicht als unseren Hauptkonkurrenten an, da sie mit uns recht wenig gemein hat. Die AfD steht für Abschottung und Nationalismus. Wir stehen für Weltoffenheit und Freihandel. Sie spielen in der Migrationsfrage mit Ressentiments, wir wollen Probleme lösen.
Frage: Aber was ist mit den AfD-Wählern?
Hagen: Unter den 12 Prozent AfD-Wählern in Bayern gibt es vielleicht sechs Prozent, die diese Partei aus Protest wählen. Und die kann man zurückgewinnen. Ich verstehe, wenn Leute von der Bundespolitik gefrustet sind, mir geht es ja genauso. Die anderen sechs Prozent, der harte rechte Kern, die sind für uns nicht erreichbar, weil sich unser Weltbild massiv unterscheidet.
Frage: Näher an Ihrem Weltbild sind die Freien Wähler, mit denen Sie um liberale Wähler konkurrieren. Was macht Ihre Partei besser?
Hagen: Den Freien Wählern fehlt ein klarer Kompass. Ich weiß nicht, wofür sie stehen. Sie sind erfolgreich, weil sie in den Kommunen stark verwurzelt sind. Ihre Gemeinde- und Landräte machen oft einen pragmatischen, guten Job – aber bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen diese oft selbst nicht mal die eigene Partei. Die Freien Wähler sind eine reine Regionalpartei. Bayern muss aber auch im Bund bayerische Interessen vertreten. Darum braucht es in der Regierung eine Partei, die auch im Bundestag und in anderen Landtagen Politik gestaltet und die entsprechende Erfahrung hat.
Frage: Was ist Ihre Wunschkoalition?
Hagen: Eine Schwarz-Gelbe. Aber das wird wohl nicht reichen, wir werden möglicherweise einen dritten Partner brauchen. Am Ende wird es auf zwei Alternativen hinauslaufen: Schwarz-Grün, oder eine Dreierkoalition mit der FDP.
Frage: Wen bevorzugen Sie als Partner?
Hagen: Die meisten inhaltlichen Schnittmengen gibt es vermutlich mit den Freien Wählern.
Frage: Sie haben als Ziel acht Prozent für die FDP genannt. Glauben Sie daran?
Hagen: Natürlich. In Umfragen liegen wir bei sechs Prozent. 50 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen: Es ist noch alles drin.